Bremens Häfen brauchen Hilfe – vom Senat, vom Bund und auch von der Deutschen Bahn

03.05.2023 Aus Von Axel Schuller

Die heutige Überschrift klingt Ihnen zu sachlich? Mag sein, aber: Fast 39.800 Arbeitsplätze hängen direkt und indirekt von den bremischen Häfen in Bremerhaven und Bremen ab. Eine stramme Zahl. Doch zuweilen hat man den Eindruck: Die Häfen, na ja, die sind halt da. Und? Was an der Weser häufig vergessen wird: Mercedes hätte sich 1978 vermutlich nicht in Bremen angesiedelt und zum größten privaten Arbeitgeber (12.000 Arbeitsplätze) entwickelt, wenn wir neben den Flächen rund ums alte Borgward-Werk nicht die Häfen gehabt hätten. Sechs Verbände der Hafen- und Logistikbranche haben jetzt Forderungen an den kommenden Senat zusammengestellt. Ziel: Einflussnahme auf die kommende Senatsbildung. Grund: Dringend notwendig.

Die Deutsche Seehäfen. Zu den bremischen kommen noch weitere – große und kleinere – in Hamburg, Wilhelmshaven, Rostock, Kiel etc – und bei uns in der Nähe: Brake – hinzu. Für alle Häfen stellt der Bund jährlich nur 37 Millionen Euro zur Verfügung. Unglaublich, eigentlich: skandalös! Viele Unternehmen mit Zentralen im Süden der Republik profitieren massiv davon, dass ihre Waren über Hamburg, Bremen/Bremerhaven und Wilhelmshaven in alle Welt exportiert werden. Und dennoch speist der Bund die Häfen mit – in diesem Fall wirklich treffend – Peanuts ab.

Eine Vergleichszahl zu den 37 Bundes-Millionen. Bremen gibt in den kommenden zehn Jahren allein 500 Millionen Euro für die Teilerneuerung der Kaje des Containerterminal in Bremerhaven aus. 2,5 der 5 Kilometer Containerkaje müssen erneut werden. Bedeutet: 20 Meter vor der Kaje wird eine neue Spundwand zig Meter tief in den Weserschlick gerammt, damit anschließend neue, noch größere und schwerere Containerbrücken aufgestellt werden können. Nur so lassen sich die Container-Riesen auf Dauer be- und entladen.

Des weiteren müssen mehrere hundert Millionen aufgebracht werden, um die bremischen Häfen auf den Digitalisierungs-Stand der Konkurrenzhäfen von Rotterdam und Antwerpen zu bringen. Digitalisierung – hört sich für Laien eher abstrakt an. Dahinter verbirgt sich aber eine Personal- und damit Kosten-sparende Technik, mit der Schiffe besser und schneller abgefertigt werden können. Reeder, die im internationalen Wettbewerb stehen, achten stets und immer auf die Kosten. Dabei spielt auch ein optimales Hafenmanagement eine wichtige Rolle.

Ein drängendes Bremerhavener Thema: der einst europaweit führende Autoumschlag mit früher 2,2, heute bloß noch 1,7 Millionen Autos. Die BLG hat die zuständige Vorstandsfrau und den Terminal-Geschäftsführer ausgetauscht. Jetzt sollen externe Berater die Sanierung vorantreiben. Einer der Hauptgründe für den notleidenden Autoumschlag in Bremerhaven ist in den vergleichsweise hohen Personalkosten zu finden; und in festgefahrenen Strukturen. Der Krankenstand – beispielsweise – ist montags angeblich deutlich höher als an besser bezahlten Wochenenden. Hafenarbeiter kennen seit jeher ihre eigene Stärke. Lassen sie es – zufällig – etwas langsamer angehen, staut sich im Hafen sofort alles.

Die Bremer Lagerhaus Gesellschaft hat für 2022 bei einem Umsatz von 1,1 Milliarden zwar wieder einen kleinen Gewinn von 55 Millionen Euro ausgewiesen. Der Autobereich schloss mit einem Minus von 11,6 Millionen Euro ab. Zeebrugge ist mittlerweile Europa größter Auto Im- und Exporteur.

Wie schlecht es um die Kostenstruktur der BLG-Gruppe bestellt war (ist?), konnte man vor zwei Jahren einem internen Video der Eurogate-Führung entnehmen: Die Vorstände der 50-prozentigen BLG-Tochter (Container-Sparte) erklärten: „Wir müssen schneller und billiger“ werden.

Besonders bitter für Bremerhaven und Hamburg: Beide Standorte gelten (noch) als Eisenbahn-Häfen. „Die Politik“ verlangt stets: Ladung muss von der Straße auf den Zug! Gut gebrüllt, Klimalöwe. Bloß, wo sollen die Züge fahren? Es fehlen Gleise. Und die vorhandenen sind vielfach in schlechtem Zustand.

Zwei Beispiele: Viele Güterzüge müssen den Bremer Hauptbahnhof (einem Nadelöhr gleich) durchfahren, weil Gleise fehlen. Und: Die beinahe 20 Jahre lang geplante, zusätzliche Y-Trasse von Bremerhaven und Hamburg gen Süden scheitert inzwischen an der rot-grünen niedersächsischen Landesregierung.

Die heutigen Gleisanschlüsse der norddeutschen Häfen reichen bei weitem nicht, um alle Güter von der Straße fernzuhalten. Im Gegenteil: Der Lkw-Verkehr wird bundesweit laut Prognosen bis 2050 um rund 50 Prozent zunehmen. Aktuell wickelt die Bahn gerade mal 19 Prozent aller in Deutschland anfallenden Güterverkehre ab.

Auch wenn der Bundeskanzler aus Hamburg kommt, hat dies bislang nichts an den niedrigen Bundesgeldern für die Häfen geändert. Fortschritte könnten im Spätsommer bei der nationalen maritimen Konferenz in Bremen erreicht werden. Wie gesagt: könnten. Jedoch: Der Bund will offenbar nur dann mehr Geld geben, wenn er mehr Einfluss auf die Hafenpolitik erhält. Doch dies wollen die Länder (bisher) nicht. Der Bund könnte ja auf den Gedanken kommen, dass sich die deutschen Seehäfen enger miteinander abstimmen statt teilweise um die gleiche Kundschaft zu buhlen.

Hinzu kommt: Bayern und Baden-Württemberg haben dem Vernehmen nach kein gesteigertes Interesse, dass der Norden eine führende Region für Energieerzeugung/-Verteilung sowie für ein  neuzeitliches Straßen- und Schienennetz wird.

Den Süden treibt angeblich die Sorge um, dass ein Teil „seiner“ Firmen gen Norden ziehen könnte. Hier oben ist noch einiges günstiger als „unten“. Grundstücke, Personal (weniger Feiertage) und irgendwann auch die Energie. Noch tragen Nordbewohner höhere finanzielle Lasten für On- und Off-Shore-Windanlagen.

Nordrhein-Westfalen liegt zwar näher an Hamburg und Bremen, verfolgt aber eigene Interessen. Die Westhäfen Rotterdam und Antwerpen liegen für NRW günstiger. Und der größte deutsche Binnenhafen Duisburg ist längst via Seidenstraßen-Eisenbahn mit China verbunden. Somit ist auch in Düsseldorf  das Interesse an einer besseren norddeutschen Infrastruktur eher überschaubar

Liebe Leserinnen und Leser, es gäbe noch viel zur Hafenentwicklung, zum Bahnverkehr, zu Rangeleien zwischen Hamburg, Bremen und Wilhelmshaven zu sagen. Von mir aus auch zur Bilanz der BLG, beispielsweise. Aber ein Blog ist kein Buch.

Lieber stelle ich Ihnen das eingangs erwähnte gemeinsame Papier der Handelskammer sowie der Hafen- und Logistikbranche als LINK zur Verfügung. So können Sie sich ein eigenes Bild machen.

Munter bleiben!

Herzlichst

Ihr Axel Schuller

P.S.: Falls Sie nicht genug Zeit haben, den Forderungskatalog der Wirtschaft durchzulesen, will ich einen Punkt hervorheben: Im nächsten Senat müssen die Kompetenzen für Häfen, Wirtschaft und überregionaler Verkehr unbedingt wieder unter einem Dach zusammengefasst werden!

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