Bovenschulte begeht mit RGR strategischen Fehler / Hilft Graichen den Grünen weiter?

25.05.2023 Aus Von Axel Schuller

Wer angenommen hatte, die SPD würde nach zwölf Jahren Rot-Grün (zuletzt unter Beteiligung der Linken) mal wieder auf bürgerlichen Pfaden wandeln, wird enttäuscht. Die SPD nimmt lieber das, was sie kennt. Rot-Grün-Rot. Aus Sicht des Bürgermeisters ist dies auf den ersten Blick nachvollziehbar. Speziell die Grünen sind durch heftigen Stimmenverlust geschwächt, sprich: Sie werden weniger aufmucken. Schaut man sich aber die künftige drei-Stimmen-Mehrheit von RGR im Parlament an, ist es fraglich, ob Bovenschulte wirklich die richtige Koalition anstrebt. Zusammen mit der CDU hätte er ein Polster von 7 Stimmen. Aber: Bovenschulte ist – bei allem bürgerlichen Gehabe – ein Linker. Und so zieht es ihn zu Grünen und Linken. Strategisch, aus meiner Sicht, a) ein Fehler und b) für Bremen nicht gut.

Zum Strategischen. Wenn die CDU nicht völlig blind ist, wird sie sich nach diesem üblen Ende der Sondierung mit der SPD auf eine handfeste Oppositionsrolle festlegen. Allein schon, um sich von den deutlich erstarkten Bürgern in Wut abzugrenzen. Mit dem Annehmen der dann endlich härteren Oppositionsrolle entfiele die CDU für Andreas Bovenschulte als möglicher ErsatzKoalitionspartner. Ist Ihnen, liebe Leserschaft, zu kompliziert?

Nun, Bovenschultes SPD hält sich aktuell für schier unbesiegbar. In dieser Situation glauben die Sozis, die zurechtgestutzten Grünen halbwegs klein halten zu können. Sobald die Grünen jedoch meinen, erneut in ihre ideologischen Verkehrs-Spinnereien verfallen zu können, oder die Linken bei den notwendigen Maßnahmen für die innere Sicherheit (inklusive Abschiebungen) zurückscheuen, glauben SPD-Strategen vermutlich: Na, dann machen wir es halt doch mit der CDU.

Dabei übersehen sie zwei Dinge: Die SPD hat zwar die meisten Wählerstimmen erhalten, aber mit knapp 30 Prozent keinen echten Sieg errungen. Zur Erinnerung: Es ist das zweitschlechteste Wahlergebnis! An sich muss sich die SPD fragen: Warum haben wir mit diesem ansprechenden Spitzenkandidaten nicht mehr Stimmen erhalten?

Und das zweite: Die SPD-Sondierer haben ihre CDU-Gesprächspartner offenbar so abschätzig behandelt, dass die Schwarzen von der SPD die Nase vollhaben müssten. Ergo entfällt für Bovenschulte die denkbare Drohkulisse seinen künftigen Partnern Grüne und Linke gegenüber, notfalls doch noch zur Union umzuschwenken.

Ohne CDU als möglichen Partner muss sich Herr „Bovi“ in seiner neuen Koalition jedoch warm anziehen. 

Innere Sicherheit, radikales Umsteuern in der Bildungspolitik, gutes Erreichen der Innenstadt auch für Umlandbewohner, Neuordnung der GeNo, gründliche Reform der öffentlichen Verwaltung hin zu einer  endlich bürgerfreundlichen Einrichtung, Tunnel A281, neue Gewerbeflächen – für all dies braucht Bovenschulte Mehrheiten. Wie gesagt: RGR hat bloß drei Stimmen mehr als die versammelte Opposition. Und sowohl in der Grünen als auch der Linken Fraktion sitzen – sagen wir mal – auch sehr “eigene” Köpfe.

Und wie geht’s jetzt weiter: Ich vermute, die Grünen werden am Sonnabend trotz einiger parteiinterner Gegenstimmen für den Verbleib in der Koalition stimmen. Ihre Sozialsenatorin Anja Stahmann, so vermute ich, wird nach zwölf Jahren im Sozialressort, nicht mehr für ein Amt im Senat kandidieren. Zumal die Grünen eh nur noch zwei statt drei Senatsposten erhalten werden. Der Grüne Fraktionschef Björn Fecker möchte offenbar Finanzsenator Dietmar Strehl (Grüne) „beerben“. Spannend die Frage, wer das zweite Grüne Senatsressort erhält und welches.

Bei den Grünen gilt Kirsten Kappert-Gonther als senatorabel. Sie sitzt im Bundestag, ist Vorsitzende des Gesundheitsausschusses. Würde sie doch noch in den Senat wechseln, würde die gescheiterte Bremer Landesvorsitzende Alexandra Werwath als nächst Platzierte in den Bundestag rutschen. Das allerdings, gönnen ihr nach der vergeigten Bremer Wahl nicht einmal alle Freunde

Also, wen zaubern die Grünen für ein weiteres Ressort hervor – womöglich jenes, das Maike Schaefer so sehr in Misskredit gebracht hat?

Mal ‘ne “Spinnerei”: Aktuell gibt es einen prominenten Grünen ohne Job, aber mit Staatssekretärserfahrung und Bremer Wissen. Allerdings ist er bundesweit in Verschiss geraten: Patrick Graichen, geschasster Staatssekretär von Robert Habeck. Der Mann kennt sich in Bremen aus. Vor seinem Job bei Habeck war er Chef des Agora-Energiewende-Thinktanks. Und als solcher (von der CDU berufenes!) Mitglied der Bremer Klima-Enquetekommission. Sein größter Nachteil: Er ist ein Mann. Aber: Auch Bundeskanzler Olaf Scholz hat beim Austausch des Verteidigungsministers die Frauenquote durchbrochen.

Graichen ist aktuell zwar wegen der Vetternwirtschaft im Berlin-Ministerium beinahe eine persona nun grata, gleichwohl hätte er für Bremen einen Vorteil: Der Mann wäre kein Bremer und brächte Verwaltungswissen und -können mit.

Und die CDU: Will sie auch nur halbwegs glaubwürdig erscheinen, muss Frank Imhoff jetzt richtig ran. Wenn er den anstrengenden  Fraktionsvorsitz nicht annimmt, braucht er in vier Jahren auch nicht mehr als Spitzenkandidat anzutreten.

Munter bleiben!

Herzlichst

Ihr Axel Schuller 

  

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