Woran liegt das – an sich – schlechte Abschneiden der SPD? Grüne lösen sich zunehmend auf

28.05.2023 Aus Von Axel Schuller

Aktuell läuft es auf Rot-Grün-Rot raus. Unabhängig davon lässt mich eine Frage nicht los: Warum haben – bei Lichte betrachtet – so wenige Bremer und Bremerinnen die SPD gewählt? Immerhin hatten 58 Prozent der Wähler vor dem 14.5. erklärt, bei einer Direktwahl würden sie glatt Andreas Bovenschulte zum Bürgermeister bestimmen. Und: Die Bremer SPD war seit – gefühlt – Jahrzehnten im Wahlkampf so geschlossen wie nie. Trotzdem haben sie „nur“ 29,8 Prozent der abgegebenen Stimmen erhalten. Woran kann das liegen?

Liebe Leserinnen und Leser, auch wenn Sie Pfingsten schon auf Ihre Tageszeitung verzichten müssen, sollen Sie nicht darben. Hat es Sie ebenfalls überrascht, dass „bloß“ 29,8 Prozent der Wähler m/w ihr Kreuz bei der SPD gemacht haben?

Manchmal hilft es, in den Datenkeller hinabzusteigen. Die für das Land Bremen ermittelte Wahlbeteiligung ist mit 57 Prozent einfach nur schlecht zu nennen.

Schauen wir uns die beiden Städte des Bundeslandes an, kann einem bei Bremerhaven angst und bange werden: In der Seestadt haben lediglich 44 Prozent ihr Wahlrecht ausgeübt. Die höhere Bremer Zahl (59,5%) hat’s nur ein bisschen rausgerissen.

Bremerhaven ist vielleicht ein Schlüssel bei der Beantwortung der Ausgangsfrage. Die Seestadt war früher eine sozialdemokratische Hochburg. Die Zahl ihrer Wähler hat sich auf 29 Prozent verringert.

Die ermittelte Wählerwanderung ist der zweite Schlüssel zur Antwort:

Die von der SPD abgewanderten Wähler in Zahlen: 4.500 an die CDU, jeweils 1.500 an Grüne, Linke und – Achtung – BIW. 500 Wählerinnen und Wähler wanderten laut Infratest zur FDP. Und: 8.000 SPD-Wähler m/w des Jahres 2019 gingen erst gar nicht zur Wahl. Man kann sagen: Sie verweigerten sich.

Leider kenne ich keine detaillierte Untersuchung, die ergründet hat, weshalb so viele potenzielle SPD-Anhänger/Sympathisanten/Mitglieder(?) nicht gewählt haben. Eine Vermutung lautet: Solange die SPD sich mit den Grünen einlässt, verweigern sich offenbar ältere SPD-Wähler.

Meinungsforscher weisen außerdem auf eine bedeutsame Kluft hin. Der SPD-Spitzenkandidat ist deutlich beliebter als der Senat. Mit der Arbeit der Landesregierung sind nur 41 % „zufrieden oder sehr zufrieden“. Indes: 68 Prozent aller Wahlberechtigten halten Bovenschulte für einen guten Bürgermeister. Seine Beliebtheit unter den Grünen-Wählern: 80 Prozent. Selbst 63% der CDU-Wähler und 62 % der FDP-Wähler halten B. für einen guten Bürgermeister.

Die Beliebtheit des Regierungschefs und des Senats fallen regelrecht auseinander. Am Ende konnte die SPD nicht von ihrem Spitzenkandidaten profitieren. 

Noch ein paar Zahlen zur Wählerstruktur der SPD im Vergleich zu konkurrierenden Parteien:

Die meisten Wähler mit dem laut Infratest dimap niedrigsten Bildungsstand hat die SPD: 41 Prozent. Dieser Anteil unter CDU-Wählern beträgt 25 %. Die Werte für Grüne (5 %), Linke (6) und FDP (3) liegen deutlich darunter. Der BIW-Wähleranteil mit niedriger Bildung: 16 %.

25 Prozent der SPD-Wähler haben einen hohen Bildungsstand, CDU 24, Grüne 17, Linke 14%.

Die meisten Rentner als Wähler hat – falsch, nicht die CDU – sondern die SPD mit 40 %. CDU-Wähler sind zu 30 Prozent Rentner.

Noch ein paar anerkennende Worte zur SPD. Noch nie hat die Partei nach meiner Beobachtung so konsequent auf „Einheit“ gesetzt. Alles, aber auch alles drehte sich um Andreas Bovenschulte. Ausschließlich der Bürgermeister war auf SPD-Bürgerschaft-Wahlplakaten zu sehen. Alles war auf „Bovi“ zugeschnitten. Von Quertreibern innerhalb der SPD war nix wahrzunehmen – nur Friede, Freude, Eierkuchen. 

Ich vermute, dass einer darüber ein bisschen Stolz empfunden hat: Reinhold Wetjen, Landesvorsitzender der SPD. Er kommt meist unaufgeregt und leise daher. 

Neu war dieses Mal auch der Elan viele SPD-Mitglieder, die sich am Wahlkampf beteiligt haben.

Und trotz alledem bleibt festzuhalten: Die SPD wurde zwar stärkste Partei, aber eben nur mit 29,8 Prozent. Dies sollten alle  SPD-Akteure stets bedenken. Zu Übermut besteht kein Anlass.

Munter bleiben!

Herzlichst

Ihr Axel Schuller

P.S.: Die Grünen haben mit Anja Stahmann die nächste prominente, regierungserfahrene „Front“-Frau verloren. Ihre Entscheidung ist auf jeden Fall konsequent. Vor allem auch, dass sie auf ihr Bürgerschaftsmandat verzichtet. Die Grünen sind aktuell „so klein mit Hut“, dass sie im Senat – wie von der SPD gefordert – sogar auf die Zuständigkeit für Bau und Verkehr verzichten werden.

Fröhliche Koalitionsverhandlungen mit dieser ausgemergelten, verletzten und gedemütigten Partei, Herr Bovenschulte! War vermutlich nicht klug, die CDU im Sondierungsgespräch offenbar heftig vors Schienenbein zu treten. Oder hat sich die Union zu deppert angestellt? 

 

Zum Seitenanfang