Wer trägt mehr Verantwortung: Rundfunk-Intendant oder Ministerpräsident m/w?

26.06.2023 Aus Von Axel Schuller

So unterschiedlich kann man die Welt betrachten. Wirtschaftswissenschaftler Rudolf Hickel diktierte jüngst dem Weser-Kurier in den Block: „Gemessen am Durchschnitt der privatwirtschaftlichen Kapitalgesellschaften liegt das Gehalt der Radio-Bremen-Intendantin Yvette Gerner mit hoher Unternehmensverantwortung eher unter dem Durchschnitt“.  Die FAZ wiederum hatte einige Tage zuvor hart geurteilt: „Das Salär der Chefin des Kleinst-Senders ist absurd hoch.“

Während der WK auf die mittelständische Größe von Radio Bremen hinweist (228 angestellte Mitarbeiter auf 199 Planstellen und 234 feste „Freie“ arbeitnehmerähnlich Beschäftigte) hält die FAZ dagegen: „295.662,28 Euro. Das ist für die Chefin einer winzigen Sendeanstalt wie Radio Bremen mit 221 Festangestellten schon mal eine Marke. Eine absurd hohe, würden wir sagen.“ Soweit das Wirtschaftsblatt.

Schauen wir mal sachlich auf die Zahlen und deren unterschiedliche Bewertungen. Wäre die Mitarbeiterzahl von 2.058 ein Maßstab, müsste die neue Intendantin vom Rundfunk Berlin Brandenburger (RBB) deutlich mehr erhalten als die Bremer Kollegin. Jedoch, die Ex-RBB-Intendantin Patricia Schlesinger hatte mit ihrem Salär von über 370.000 Euro die Debatte über die Gehaltszahlungen in öffentlich-rechtlichen Sendern überhaupt erst ins Rollen gebracht. Deshalb muss sich die neue RBB-Chefin jetzt mit 230.000 Euro zufriedengeben.

Hört sich wenig an. Im Vergleich zu den anderen Intendanten m/w ist es das auch (Zahlen am Ende). im Vergleich mit höchst  anstrengenden Jobs als – nehmen wir mal – Ministerpräsidenten, ist es indes viel. Bremens Präsident des Senats, Dr. Andreas Bovenschulte (SPD), erhält inklusive aller Zulagen 176.700 Euro. Dies ist das Salär eines Ministerpräsidenten nach der Besoldungsgruppe B 11. Kann man freilich auch von leben.

Radio Bremen und alle öffentlichen Sender verfügen über ein Sicherheitsnetz der besonderen Art. Im Radio Bremen Gesetz, Paragraf 1, Abs. 3, beispielsweise ist zementiert, dass die öffentlich-rechtliche Anstalt niemals pleite gehen kann. Im Fall der Fälle springt die Bremische Bürgerschaft, also der Staat, also alle Bremerinnen und Bremer ein, um den Sender finanziell zu retten. Im RB-Gesetz heißt es für Laien fast unverständlich: „Ein Insolvenzverfahren über das Vermögen der Anstalt ist unzulässig.“

Setzt man diese Gesetzes-Grundlage in Relation zu Hickels Ausgangsäußerung, die RB-Intendantin leite so etwas wie eine mittelständische Kapitalgesellschaft und sei somit nicht überbezahlt, keimen Zweifel an dieser Sicht.

Generell noch mal: Die Öffentlich-rechtlichen Sender nehmen jährlich rund 8,7 Milliarden Euro aus Zwangsgebühren und Werbung ein. Die sehr gute Ausstattung führt unter anderem zu deutlich höheren Gehältern für alle im ÖRR-System – als etwa bei privaten TV- und Radiosendern. 

Die ARD gibt auf ihrer Website Durchschnittsgehälter für einzelne Professionen an, bei denen zuweilen  schon tief Luft holen muss.

Ein paar Beispiele: „Redakteur/in: 3.910 bis 11.122 Euro; Kameramann/Kamerafrau: 2.867 bis 8.636 Euro; Sekretär/in bzw. Sachbearbeiter/in: 2.812 bis 6.164 Euro.“ Soweit die offizielle ARD-Übersichts-Tabelle.

Als Intendantengehälter gibt die ARD für die unterschiedlichen Sender für das Jahr 2021 folgende „Grundvergütungen“ an:

BR: 340.000 Euro; HR: 305.000; MDR: 295.000; NDR: 346.000; RBB: nicht in der Übersicht, da gerade neu: 230.000 Euro; RB: 281.000; SR: 245.000 ; SWR: 361.000; WDR: 413.000 Euro. 

Bei Intendanten kommen häufig mehrere Aufwandsentschädigungen als Nebenleistungen oben drauf. So entsteht für die RB-Chefin das Jahressalär von 295.662,28 Euro (in 2021).

RB-Programmdirektor Jan Weyrauch erhält 214.511,74 Euro, Betriebsdirektorin Britta Nickelsen kam 2021 auf 173.198,86 Euro (Erklärung: Sie hatte von Januar bis April Vollzeit gearbeitet, von Mai bis Dezember bloß 85 Prozent).

Nicht zu vergessen, die zusätzlich hohen PensionsRückstellungen für die Mitglieder der Senderspitze. In 2021 für Gerner: 118.001 Euro; für Nickelsen: 106.649 Euro; für Weyrauch: 53.763 Euro.

 Liebe Leserinnen und Leser, ich hoffe, dass Sie keinem der genannten Personen deren Einkommen neiden. Darum geht es nicht. Sondern um die Verhältnismäßigkeit. Es passt aus meiner Sicht nicht zusammen, dass ein Intendant m/w deutlich mehr als ein Ministerpräsident erhält. Das ist inhaltlich nicht zu begründen. Zumal die öffentlich-rechtlichen Sender aus Zwangsgebühren bezahlt werden – so wie Ministerpräsidenten aus Steuern.

Die meisten Landespolitiker scheuen jedoch leider den Konflikt mit den Anstalten aus der Sorge, dass anschließend wenig bis nichts sowie politisch gefärbt über sie berichtet wird. Diese gegenseitigen vermeintlichen/tatsächlichen Abhängigkeiten behindern eine grundlegende und gebührensenkende Reform des öffentlich-rechtlichen Systems.

Erinnert sei nur an den ehemaligen ARD-Chefredakteur, Reinald Becker, der einen Vorschlag der Bundes-FDP zur Straffung des ÖRR als „populistisch“ ankanzelte. 

Die Neue Zürcher Zeitung listete jüngst auf: „Es gibt 21 öffentlich-rechtliche Fernsehprogramme und mehr als 70 Radioprogramme.” Und die seien mehrheitlich auch noch „links, belehrend und staatsnah“, schimpfte die NZZ.

Munter bleiben!

Herzlichst

Ihr Axel Schuller

Zum Seitenanfang