Rot-grün-roter Koalitions-Vertrag ist nicht so schlecht wie die Opposition meint

29.06.2023 Aus Von Axel Schuller

So inhaltsleer und schlecht wie von CDU, FDP und Bündnis Deutschland (Bürger in Wut) gescholten, ist der Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und Linken nun wirklich nicht. Zwar hält RGR partout an dem unsinnigen Ausbildungsfonds fest; zwar gibt es weiter kein verpflichtendes Vorschuljahr für Kinder mit Sprachdefiziten – aber: Die neue, alte Koalition ändert die vorherige unsinnige Verkehrspolitik, will die Polizei stärken und setzt auf Bremens wichtigste Branchen wie Raum- und Luftfahrt, Automobil, Hafen, Logistik und Nahrungsmittel. Und, RGR formuliert das Ziel, deutschlandweit den besten Bürgerservice zu bieten. Endlich! Außerdem will man bei der Bearbeitungszeit von Bauanträgen auf die vorderen Ränge der „Bundesliga“ vorzustoßen.

Offen gesagt: Das hatte ich den Koalitionären so nicht zugetraut. Auch nicht die Power, mit der Bürgermeister Andreas Bovenschulte (SPD) – zumindest auf dem Papier – die Macht in seiner Regierungszentrale konzentriert. Spontan dachte ich: Armer Thomas Ehmke (44), Chef der Senatskanzlei. Was der Mann künftig alles kontrollieren, regierungsintern managen und entscheidungsreif vorbereiten soll – boah ej. Dabei hatte der Mann einmal so unscheinbar als SPD-Bürgerschaftsabgeordneter (und nach meiner Erinnerung Langzeit-Student; am Ende mit Prädikatsexamen!) angefangen. Doch erst machte ihn Justizsenator Martin Günthner zu seinem Büro-Leiter. Dann erkor ihn Innensenator Ulrich Mäurer 2014 zu seinem Staatsrat. Und schließlich holte ihn Andreas Bovenschulte 2019 als Chef der Senatskanzlei (im Rang eines Staatsrates) ins Rathaus. Anders als einige seiner Vorgänger agiert Ehmke still, aber offenbar effektiv im Hintergrund.

Ulk am Rande: Er ist auch Vorsitzender der Staatsräterunde (alle Stellvertreter der Senatoren m/w). Man könnte ihn also auch  (spaßeshalber) als „Staatsratsvorsitzenden“ bezeichnen…

Liebe Leserinnen und Leser, Radio Bremen und der Weser-Kurier haben seit vorigem Wochenende ausführlich über die Pläne von Rot-Grün-Rot berichtet. Ein Wiederkäuen der bereits genannten Fakten will ich Ihnen ersparen.

Stattdessen möchte ich Ihren Blick auf ein paar Besonderheiten lenken.

Bremen wird – so die Koa – eine Grundsteuer C für unbebaute Grundstücke einführen – „um Bodenspekulationen zu dämpfen und Anreize zum Wohnungsbau zu geben“. Peng!

Geht es nach der RGR, wird die Außenweser vertieft, der Wesertunnel bei den Stahlwerken gebaut, Luft- und Raumfahrt im Land Bremen maximal unterstützt  außerdem hält die Koa an dem Plan eines Weltraumbahnhofes in der Nordsee für kleinere Raketen fest. Ausdrücklich im Vertrag genannt wird (endlich) auch Mercedes als wichtiger Arbeitgeber sowie die Nahrungs– und Genussmittelindustrie, an der im Land immerhin 10.000 Arbeitsplätze hängen.

5.000 Kindergartenplätze will man unter anderem schaffen, indem auch Gruppen vergrößert werden und Personal unterhalb der Erzieher-Ausbildung eingestellt wird.

Dagegen laufen bereits Gewerkschaft, Kita-Personal und Eltern Sturm.

Nur mal so nebenbei: Ist es wirklich so, dass alle Kinder, die aktuell nicht in der Kita betreut werden können, zu Hause besser gefördert werden als Kindergartenkinder in etwas größeren Gruppen? Und ist es tatsächlich so, dass das Kindergarten-Personal „auf dem letzten Loch pfeift“, wie die Gewerkschaft lamentiert? Ja, Erzieherinnen w/m müssen stets bei der „Sache“ sein. Und doch – so meine Beobachtung als tätiger Opa – bleibt zwischendurch auch mal Zeit zum Luftholen. Ehrlich bleiben, bitte.

Schule, Bildung, Vorbereitung der Kinder mit Sprachdefiziten sollen ab sofort mit Prio 1 behandelt werden. Ich hätte eine verpflichtende Vorschulklasse für besser gehalten. Kann sich irgendwann ja vielleicht doch noch mal als sinnvoller durchsetzen… Positiv: Ältere Schüler sollen endlich intensiver mit der Berufswelt vertraut gemacht werden. Prima, manchmal könnte möglicherweise schon ein Werkunterricht durch Handwerker weiterhelfen. Künstliche Intelligenz soll in der schulischen Breite vermittelt werden. 

Apropos Digitalisierung: Die Polizei wird in den kommenden Jahren  nicht nur um 400 auf 3.100 Polizisten m/w aufgestockt. Sondern: Die Streifenwagen werden digitalisiert. Bedeutet: Die Beamten nehmen einen Unfall nicht mehr mit Bleistift und Papier, sondern am Tablet auf. Bislang fahren sie mit ihrem Schreibblock auf die Wache und tippen alles (zum zweiten Mal) in den Rechner. 

Jetzt noch ein ganz “verrückter” Gedanke. Irgendwann wird es auch in Bremen möglich sein, dass die Beamten das Unfallbild von oben per Drohne festhalten. Was in Baden-Württemberg Praxis ist, scheitert bei uns an einer gesetzlichen Grundlage. Die Drohnen gibt’s schon! Bloß das Gesetz fehlt. Hammer, Schilda oder was? 

Das Bestücken aller Streifenwagen mit einem Elektro-Schocker haben die Linken erneut verhindert. Jetzt erhält – so der Kompromiss – eine spezielle Einsatzgruppe, die für etwaige Terrorfälle stets in Bremen unterwegs ist, die Taser. Diese Frauen und Männer (nicht das SEK!) sind angeblich blitzschnell an allen denkbaren Bremer Einsatzorten.

Kommen wir noch zu etwas Positivem: Bremen will sein Baurecht und die Verfahren digitalisieren und straffen, so dass wir – tempomäßig – „unter die Top 3 der 15 größten Städte kommen. Außerdem: „Wir wollen das beste digitale Bürgerservice-Angebot in Deutschland schaffen.“

Und dann hauen die Koalitionäre noch einen Schlag Sahne oben drauf: Es würden die Voraussetzungen schaffen, dass Bürger und Unternehmen – Achtung, festhalten – „den Fortgang ihrer Verwaltungsangelegenheit online verfolgen können“. 

Das ist der nackte “W a h n s i n n” !  Solch eine Zielsetzung habe ich für die Bremische Verwaltung bislang von Politikern nicht gehört. Mal schauen, was die Verwaltung am Ende daraus macht…

Jetzt muss bloß noch Geld vom Himmel regnen. Sonst können viele Vorhaben den Zustand des träumerischen Brainstormings leider nicht überwinden. 

Munter bleiben!

Herzlichst

Ihr Axel Schuller   

P.S.: Liebe Opposition, abschließend noch ungefragt ein Rat: Mauern Sie sich bloß nicht in der Trotz-Burg der Dauer-Motzer ein, sondern fordern Sie die Regierenden mit guten, noch attraktiver: besseren Vorschlägen heraus.   

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