Wider das “nützliche Idiotentum” – Parlamentsposten gerecht verteilen

02.07.2023 Aus Von Axel Schuller

Rechte, sehr-konservative, rechtsextreme Politiker m/w sind aktuell auf dem Vormarsch. Da macht ein Teil der Bevölkerung doch glatt, was er will – wählt einen AfD-Politiker in Thüringen gar zum Landrat. In Bremen zieht Bündnis Deutschland (bislang Bürger in Wut) in Fraktionsstärke in die Bürgerschaft. Und wie reagieren SPD, CDU, Grüne, Linke und selbst die FDP? Sie verweigern – nach Regeln der Demokratie gewählten – Abgeordneten die Teilhabe am Parlamentspräsidium und an Ausschuss-Vorsitzen. Hat die Neue Zürcher Zeitung etwa recht, wenn sie  dieses bundesweite Reaktions-Muster geißelt? Die Schweizer Kollegen meinten jüngst gar, die etablierten Parteien verhielten sich wie „nützliche Idioten“.

Klingt erstmal nach starkem Tobak. „Als nützliche Idioten“, so die NZZ, „bezeichnet man Menschen, die einer Person oder Sache dienen, ohne sich dessen bewusst zu sein.“ Diese Menschen sind davon überzeugt, dass sie die AfD und in Bremen aktuell das BD am besten “bekämpfen”, indem sie diese Parteien a) verbal in die Nazi-Ecke schieben und b) von allen Ämtern ausschließen, die in Parlamenten zu vergeben sind. Selbst, wenn die Posten diesen Parteien laut Geschäftsordnung (eigentlich) zustehen, jedoch per Wahl besetzt werden.

Einschub: In Thüringen entblödet sich das Landesverwaltungsamt aktuell nicht, die persönliche Eignung und Verfassungstreue des gerade gewählten AfD-Landrates Robert Sesselmann zu überprüfen. Wohlgemerkt, nicht vor der demokratischen Wahl, sondern danach. Egal wie dieses amtliche Verfahren ausgehen wird: Die AfD kann schon jetzt frohlocken. Entweder wird die Verfassungstreue ihres Landrates amtlich festgestellt, oder das Amt attestiert ihm das Gegenteil – was der ganz speziellen Thüringer AfD noch mehr in die Hände spielen dürfte. Übrigens: Die AfD ist bis heute weder in Thüringen (obwohl dort bereits auf der Extremistenliste der Verfassungsschützer) noch im Bund verboten. BIW/Bündnis Deutschland ebenfalls nicht.

Zurück nach Bremen: Bündnis Deutschland hat bei der Bürgerschaftswahl 9,4 Prozent der Stimmen erhalten. Nicht von irgend jemandem, sondern von Wählerinnen und Wählern. Doch die Partei bekommt weder einen Posten im Bürgerschaftsvorstand (einer von acht Schriftführern) noch einen Ausschussvorsitz oder einen Stellvertreterposten.

SPD-Fraktionschef Mustafa Güngör schwang sich gleich in der ersten Sitzung zur Abwehr von BD auf: „Wir können hier bei so wichtigen Ämtern nicht ins Risiko gehen und auf gut Glück mit potenziellen Verfassungsfeinden zusammenarbeiten.“

Kurios: Der neue Chef des Bremer Verfassungsschutzes, Thorne Koehler, hatte erst wenige Tage zuvor im Interview mit Felix Krömer bei Radio Bremen erklärt, Bündnis Deutschland (ehemal BIW)  befinde sich nach Einschätzung seines Amtes nicht an der Schwelle zur Verfassungsfeindlichkeit. Und BD-Fraktionschef Jan Timke habe sich klar gegen Verfassungsfeinde in den eigenen Reihen abgegrenzt. Konkret: rausgeschmissen.

Die Grüne Sahhanim Görgü-Philipp meinte dann freilich, sie müsste noch einen draufsetzen: Sie verweigerte Mitgliedern von Bündnis Deutschland einen Handschlag, als diese ihr zur Wahl als einer der drei Bürgerschaftsvizepräsidentinnen gratulieren wollten. Dies bewegt sich – sorry – auf SandkistenNiveau. Wobei ich jetzt vermutlich Kindern Unrecht tue. Und außerdem ist es eine Frechheit! 

Die Dame ist im Amt der Vizepräsidentin – ob sie will oder nicht – Vertreterin  a l l e r  Abgeordneten. Die Fraktion von Bündnis Deutschland hat die Grüne folgerichtig aufgefordert, von ihrem wohl-dotierten Posten zurückgetreten. Man mag es sich ja auch wirklich nicht ausmalen, in welche Überzeugungsnot Frau Görgü-Philipp möglicherweise geraten könnte, wenn sie plötzlich einem BD-Abgeordneten das Wort erteilen müsste… Auweia, nicht, dass die Gute im hohen Amt seelischen Schaden nimmt.

Doch zurücktreten wird sie mit größt-anzunehmender Sicherheit wohl nicht. Deshalb mein pragmatischer Vorschlag: Frau Görgü will mit den neun BD-Abgeordneten als Vize offensichtlich nix zu tun haben. Dann sollte sie auch auf den entsprechenden Anteil ihrer Super-Diäten verzichten. 

Einfache Rechnung. Sie kassiert monatlich für die Vertretung aller 87 Abgeordneten m/w 9.306,85 Euro. Summe dividiert durch 87 Parlamentarier, macht pro Kopf 106,98 Euro. Diese Zahl mal neun BD-Vertreterinnen und Vertreter ergibt monatlich 962,82 Euro. 

Frau Görgü-Phillipp sollte ihrer „Charakterstärke“ konsequenterweise Taten folgen lassen – und den Betrag jeden Monat an BD überweisen. Oder, wenn’s ihr mit ihrer Gesinnung leichter fällt, von mir aus auch an irgendwas Gutes spenden. Ich befürchte jedoch, dass ihr der schnöde Mammon näher sein könnte als ihre „Überzeugung“.

Das Thema Ausgrenzung von Rechten durch Etablierte hat in der Vergangenheit nachweislich nix gebracht. Siehe Umfrageergebnis Bundestag, wo die AfD aktuell knapp vor der SPD liegt. 

Deshalb noch nen Vorschlag: Wie wäre es, die ungeliebten Volksvertreter der rechten Parteien in alle nach Geschäftsordnung zustehenden Ämter in Parlamentspräsidien und Ausschüssen zu wählen – und anschließend zu schauen, ob sie sich in diesen Ämtern bewähren? Sollten sie sich übelst daneben-benehmen (Nazi-Parolen, rassistische Hetze o.ä.), könnte  man sich im Parlament, also öffentlich, damit auseinandersetzen und die Amtsinhaber notfalls wieder abwählen.

Dies wäre mein demokratisches Gegenkonzept zum – wie von der NZZ heftig formuliert – nützlichen Idiotentum.

Nur mal so zum Nachdenken.

Munter bleiben!

Herzlichst 

Ihr Axel Schuller 

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