Was ist wichtiger – zwangsarme Psychiatrie oder der Schutz von Bevölkerung und Polizisten?

12.07.2023 Aus Von Axel Schuller

Kennen Sie Britta? Nein? Dann haben Sie Glück gehabt. Die Frau hat Mitarbeiter der Bremer Straßenbahn AG schier in den Wahnsinn getrieben. Mal lag sie in einer Bahn und markierte eine Tote. Dann erschreckte sie Fahrgäste mit einem (vermeintlichen) epileptischen Anfall. “Sterben” konnte sie ebenfalls sehr überzeugend. Britta hat bei der BSAG mittlerweile Beförderungsverbot. Die Frau giert offenbar nach Aufmerksamkeit. Die Polizei macht seit Jahren noch heftigere Erfahrungen. Etwa 1.000 Mal lieferten die Beamten im vorigen Jahr Menschen aufgrund von Fremd- und/oder Eigengefährdung in der Psychiatrie der Geno-Klinik Ost (KBO) ab. Jedoch: Die vermeintlich Kranken wurde dort nicht zur Behandlung aufgenommen, sondern waren wenig später wieder “auf freiem Fuß”. Der Grund: Ein neuer KBO-Chefarzt steht für die „gewaltfreie Psychiatrie“. Bedeutet. Niemand wird gegen seinen Willen festgehalten. Mit fatalen Folgen. 

Immer häufiger fallen psychisch schwerst gestörte Menschen auf. Mal wollen Sie sich selbst töten, mal gehen sie auf andere los. Steigen dafür auf Dächer oder Brücken und drohen, sich hinunterzustürzen. Jedes Mal wird der ganze Hilfs-Apparat in Gang gesetzt. Polizei, Rettungsdienst, Feuerwehr. Wurde die Person – wie auch immer – vom ursprünglichen Vorhaben abgebracht, fährt die Polizei den Menschen „nach Ost“. Dort wird der “Patient” m/w begutachtet, und nahezu immer nach Hause entlassen. Die Polizei ist über dieses Vorgehen natürlich not amused. Immerhin „kostet“ jeder dieser Fälle im Schnitt drei Stunden Arbeit. Zeit, in der andere Fälle liegenbleiben.

Das Schlimmste: Die Zahl auffälliger Gestörter nimmt zu. Im Polizeiprotokoll für die Medien tauchen bloß die spektakulärsten Fälle auf. Bedrohung von Passanten mit Axt, Beil oder Säbel und so weiter.   

Zwischenfazit: Mit dem Wort „irre“ sollte man sparsam umgehen. Hier jedoch passt es. Leider. 

Das Dollste: Die KBO-Abteilung galt für Kranke früher als zu einschränkend. Beschluss am (zwangsläufig) “grünen” Tisch: Wir wollen „die Psychiatriereform endlich in Schwung bringen.“

In diesem Zusammenhang zu beachten: Bremen hat eine ganz spezielle Psychiatrie-Vergangenheit.

Seit dem Arbeitsantritt des neuem KBO-Psychiatriechefs (6/21) fährt das Haus einen komplett anderen Kurs als vorher. Die Polizei hat – beispielsweise – eine Frau mittlerweile 42mal (Stand: 12.7.) im KBO abgeliefert, nachdem diese gedroht hatte, sich von Gebäuden zu stürzen. Einmal hatte sie auch versucht, sich in einer Straßenbahn die Pulsadern aufzuschneiden. 

Man mag sich nicht vorstellen, wie ein solcher Freitod-Versuch auf anwesende Kinder wirkt.

Die Frau wurde auch nach dem Schnitt ins Handgelenk – natürlich – gerettet. Die Polizei brachte sie ins KBO. Die Beamten nahmen an, dass die begutachtenden Psychiater die Frau im KBO behalten und endlich behandeln. Weit gefehlt. Wenige Stunden später wollte sie erneut von einer Brücke springen.

Sorry, aber da tippt die Tastatur das Wort „irre“ nahezu selbstständig… 

Nun kann man dem Chefarzt sein Tun nur bedingt vorwerfen. Er kam im Juni 2021 von Heidenheim nach Bremen – und ihm eilte schon damals der Ruf des Hardcore-Verfechters einer „gewaltfreien Psychiatrie“ voraus. In Wahrheit wollten sich die Entscheider von Geno und Behörde – angefeuert durch die Psychiatrie-Community – in diesem Image des Neuen sonnen. 

Immerhin war in den 80er Jahren die erste bundesdeutsche Psychiatriereform von Bremen aus ins Rollen gekommen. Unter Gesundheitssenator Herbert Brückner (SPD) wurde das Kloster Blankenburg (bei Oldenburg) als „psychiatrische Langzeitklinik“ geschlossen. Mit der Verpflichtung des neuen KBO-Psychiatriechefs wollte man 2021 an diese “glorreichen Zeiten” anknüpfen. 

Im Eppendorfer – „Zeitung für Psychiatrie und Soziales“ – wurde der künftige Bremer Chef regelrecht gefeiert: „Er gilt als explizit betroffenennah und steht für eine zwangsarme Psychiatrie.“ Und weiter: „2017 berichtete er in einer Anhörung, dass in seiner Klinik (Heidenheim) seit 2011 nur eine Zwangsbehandlung durchgeführt worden sei.“

Mit meinen Worten: Keiner der Bremer Verfahrensbeteiligten kann heute sagen, er/sie habe nicht gewusst, auf wen man sich eingelassen hat.

In mehreren Behörden wächst offenbar die Einsicht, dass der „zwangsarme“ Kurs des Psycho-Chefs auf keinen Fall fortgesetzt werden könne. Die  “betroffenennahe” Therapie mag in der Theorie (wenn die psychisch Kranken zu Hause nahezu rund um die Uhr betreut werden) aufgehen. In einer Stadt mit lückenhaften Hilfsnetz ist sie aber offensichtlich nicht praxistauglich.

Liebe Leserinnen und Leser, das war heute „schwere Kost“. Ich denke aber, dass es so nicht weitergehen kann. Auch wenn der Chefarzt im Bremer Psycho-Biotop weiter viele Fans haben mag. Am Ende zählt, dass die Bevölkerung zumindest vor solchen Personen geschützt werden muss, die mit tödlichen Waffen auf andere losgehen.

Munter bleiben!

Herzlichst

Ihr Axel Schuller   

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