“In Bremen sollte man besser nicht ernsthaft psychisch krank werden” / Wanderbaumallee

15.07.2023 Aus Von Axel Schuller

Das Leid der und das Leid mit psychisch sehr kranken Menschen ist noch größer und schlimmer als zunächst angenommen. Die Zahl derer, welche die Polizei nach Fremd- und/oder Eigengefährung im Klinikum Bremen-Ost zur vermeintlichen Behandlung abgibt, steigt rasant. In 2022 waren es 2.484 Männer und Frauen. Die Resonanz zu diesem Thema ist so ungewöhnlich, dass ich Sie, liebe Leserinnen und Leser, daran teilhaben lassen möchte. Und da Sie Urlaub oder zumindest Wochenende haben, gibt’s heute noch ein zweites Thema: In Schwachhausen wächst eine „Wanderbaumallee“ aus dem Asphalt. Na ja, beinahe.

Stellvertretend zitiere ich zunächst aus dem erschütternden Brief einer seit 25 Jahren niedergelassenen Psychiaterin:

Viel häufiger als das verursachte Leid durch gewalttätige Patienten und Patientinnen, ist allerdings das Leid von psychotischen Patienten/Patientinnen und deren Familien, die keinerlei gewalttätige Symptome zeigen. Wenn PatientInnen mit dieser Erkrankung nicht behandelt werden, werden sie meist dauerhaft vollkommen aus ihrem Lebensplan geworfen. Die Familien sind maximal belastet, die PatientInnen haben einen hohen Leidensdruck, es kann keine Berufsausbildung oder Schulabschluss mehr erreicht werden, soziale Bezüge brechen ab, Familien zerbrechen, Suizide sind häufig. Immer wieder endet es in Obdachlosigkeit. Und es ist ein Irrtum, dass der Entschluss der PatientInnen sich nicht behandeln zu lassen, ihrem freien Willen entspricht! Diese Krankheit macht es den Betroffenen unmöglich, eine freie, eigenverantwortliche Entscheidung zu treffen! Hilfe bedeutet behandeln.“

Soweit die Psychiaterin über die Folgen der am Klinikum Ost hochgehaltenen „gewaltarmen/zwangsarmen Psychiatrie“.

Ein anderer Experte schrieb, Menschen, die nicht zurechnungsfähig seien und ihr Handeln krankheitsbedingt nicht beurteilen könnten, „bleiben unbehandelt“. 

Das muss man sich mal vorstellen!

Noch ein Treppenwitz am Rande: Die Berliner Ampel rechnet ja gerne vor, wie viel Arbeit der Polizei und den Gerichten durch straffreien Cannabis-Konsum erspart werde. Wer rechnet in Bremen eigentlich mal aus, wieviel die sinnlosen Polizeieinsätze (im Schnitt jeweils drei Stunden) „nach Bremen Ost“ kosten – aufgrund anschließend ausbleibender stationärer Behandlung in der KBO-Psychiatrie?

Mindestens genauso heftig: Konsumieren Jugendliche zu früh und zu viel von dem Cannabis-Wirkstoff THC, steigt die Gefahr dramatisch, dass diese später psychisch schwer erkranken. Zynisch ausgedrückt: Der Staat sorgt gerade für den Nachschub an polizeilichen “Fahrgästen“.

Zurück zu einem Experten. Laut seiner Beobachtung entscheidet in Bremen selbst ein “unzurechnungsfähiger Kranker vollkommen allein über seine Behandlung“. Dies habe zur Folge, dass die unbehandelten Kranken auf der Straße oder in Unterkünften regelrecht dahinvegetierten. Im besten Fall würden sie mit großem pflegerischen Aufwand zu Hause betreut.

Das Fazit eines Facharztes ist brutal ernüchternd: „In Bremen wird man besser nicht ernsthaft psychisch krank.“

Und andernorts? Sowohl in Oldenburg als auch in Rotenburg weiß man offenbar um die positive Wirkung der stationären Behandlung von – beispielsweise – Menschen mit Psychosen. Und dem Einsatz von neuzeitlichen Medikamenten, die nicht mehr mit den Psychopharmaka der 60er bis 80er Jahre gleichzusetzen sind. Dumm nur, dass Oldenburg und Rotenburg in der Regel keine freien Plätze für Bremer m/w haben.

Liebe Leserinnen und Leser, sorry, dass ich Ihnen doch noch einmal „schwere Kost“ aufgetischt habe. Und sorry für eine ursprünglich falsche Zahl. Die Polizei war im Weser-Kurier zitiert worden: „2022 habe man mehr als 1000-mal Menschen nach Bremen-Ost gebracht.“ Leider ist es noch dramatischer.

Auf Nachfrage erklärte nun das Innenressort: „Die Zahl 1.000 bezog sich auf 2018. Im Jahr 2022 hat die Polizei 2.484-mal psychisch Kranke nach Fremd- oder Eigengefährdung in Ost abgeliefert.“ Das Problem: Der weitaus größte Anteil der Menschen ist meist nach sehr kurzer Zeit wieder „draußen“ auf sich gestellt.

Hallo Geno, hallo Gesundheitsbehörde! Es ist wohl höchste Eisenbahn, dem Treiben im KBO Einhalt zu  gebieten.

Soweit, so schlecht. 

Eher etwas zum Lachen ist aus Schwachhausen zu vermelden. Dort wächst in der Graf-Moltke-Straße allmählich eine „Wanderbaumallee“ aus dem Asphalt. Auf Beschluss des Beirates Schwachhausen möchte man einen der grünsten Bremer Stadtteile ökomäßig endlich mal aufpimpen. Mit Wanderbäumen. Seit mittlerweile etwa zwei Jahren würgt das Kommunalparlament an dem Thema herum. Zunächst hatte der Umweltausschuss des Beirates – einstimmig – beschlossen, sieben Wanderbäume anzuschaffen. Der Beirat selbst lehnte das Ansinnen dann dank ad-hoc-CDU-Mehrheit ab. Ad-hoc, weil die rot-grün-rote Mehrheit nicht alle Schäfchen rechtzeitig in die Sitzung hatte treiben können. 

Dann fand der Ideengeber, der Verein „Soziale Ökologie“, aber einen Dreh, die Kosten zu verteilen. Die swb Umweltinitiative erklärte sich offenbar bereit, einen wesentlichen Teil zu übernehmen. Grund: Für die neue swb-Fernwärmeleitung hätten ja immer viele gesunde Bäume fallen müssen.

Mit diesem neuen „Argument“ gingen die Wanderbaum-Fans erneut in den Beirat. Und siehe da: Die rot-grün-rote Mehrheit sagte nun Ja. So zahlt der Beirat 7.500 Euro, die swb rund 12.000 Euro.

Hans-Peter Land vom Verein Soziale Ökologie freut sich, dass insgesamt sieben Bäume samt rund-um-Sitzbänken (Foto) angeschafft werden können. Nach etwa einen Jahr sollen die Kästen in ein andere Straße “umgezogen” werden. Während im Netz („Mobilitätsfrieden für Bremen“) bereits über „neuerlichen Unfug zulasten von Steuerzahlern” (und Parkplätzen) geschimpft wird, ist Land überzeugt, dass die Bänke auch zu “nachbarschaftlichen Zusammenkünften” genützt würden.

Ernsthaft, direkt an der Straße Kaffee trinken oder ne Bratwurst grillen?

Munter bleiben!

Herzlichst

Ihr Axel Schuller  

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