Von einer dysfunktionalen bremischen Verwaltung und “Euer Durchlaucht” Bovenschulte

04.08.2023 Aus Von Axel Schuller

Die wildesten Geschichten schreibt die Bremer Behörden-Wirklichkeit. Und manchmal auch der Bürgermeister selbst. Lesen Sie selbst. Und besonders ans Herz gelegt: Das P.S.

Zunächst zur – zumindest teilweise, oder doch tatsächlich (?) – leidigen bremischen Verwaltung. Mal direkt aus dem Maschinenraum derselben. Wo man ja annehmen könnte: Ein Kollege hilft dem anderen Kollegen. Von wegen.

Da reicht ein bremischer Ex-Beamter (Pensionär genannt) eine Krankenhausrechnung mit Antrag auf „Beihilfe“ bei der Bremischen Personalverwaltung namens Performa ein. Darauf: Keinerlei Reaktion. Nach 8 – in Worten: acht – Wochen ruft der Pensionär bei den Performa-Kollegen (früher uncool SKP genannt) an. X-fach kein Durchkommen. Dann wählt er einfach die Nummer des Bürgertelefons. Eine nette Mitarbeiterin verspricht, sich zu kümmern. Und tatsächlich: Einige Tage später meldet sich ein Performa-Mensch. Mit einer erstaunlichen Auskunft: Er könne leider nicht sagen, was aus dem Antrag geworden sei. Grund: Man habe die Bearbeitung von Anträgen umgestellt. Konkret: Es gibt keine Sachbearbeiter mehr für einzelne Buchstaben (also Menschen), sondern eine „Stapelbearbeitung“

Bedeutet wohl: Die Mitarbeiter kommen morgens fröhlich pfeifend ins Büro und ziehen sich Papiere aus dem großen Haufen aller Anträge. Bis der Pensionär an das ausgelegte Geld kommt, könnte er bereits die nächste Arztrechnung in den Händen halten. Performa benötigt 12 Wochen und länger für die Bearbeitung…

Sorry, aber die Bremer Verwaltung erinnert allmählich an eine Bruchbude.

Wer Wohngeld benötigt – muss drei Monate warten. Für die Bearbeitung der Bürger-Anträge wurden zwar 50 neue Stellen geschaffen. Genutzt hat’s aber offensichtlich wenig. Denn – auch Monate nach Corona – haben sich noch immer viele öffentlich Bedienstete krank gemeldet.

Überhaupt: Weshalb herrscht bei Vater Staat ein so hoher Krankenstand? Sowohl in der Verwaltung, als auch beispielsweise bei der Bremer Straßenbahn AG. Nimmt der Arbeitgeber seine Fürsorgepflicht unzureichend wahr? Wird das Personal schlecht behandelt oder sorgt eine überholte Arbeitsorganisation für schlechte Laune, geringere Einsatzbereitschaft, größeren Hang zum Krankmelden?

Weitere Beispiele für ein regelrechtes Verwaltungsdesaster:

Nach 22.000 unbearbeiteten Anzeigen im Frühjahr ist der Anzeigen-Berg bei der Polizei noch immer 15.000 Exemplare hoch. Jetzt müssen schon KOPs aushelfen, die eigentlich auf der Straße sein sollen.

Übrigens der Hinweis einiger KOPS, sie könnten keine Anzeigen bearbeiten, lässt dann doch gewisse Zweifel aufkommen. KOPs sind ausgebildete Polizisten und keine Figuren in Karnevals-Uniformen. Wie kann man sich selbst so klein machen?

Noch ein paar aktuelle Horror-Meldungen aus der bremischen Verwaltung. An die jahrelang in Nebenzimmern gelagerten Sozialakten mag ich ja schon gar nicht mehr denken…

Lkw-Fahrer müssen monatelang auf die für den Job notwendige Lizenzverlängerung warten. Man stelle sich das mal vor: In einer Zeit des größten Lkw-Fahrermangels müssen Männer und Frauen, die den Führerschein bereits haben, auf die Verlängerung des Lappens warten. Geht’s noch?

Das gleiche gilt übrigens für die Genehmigungen von Schwertransporten.

Zur Arbeitsweise der Baubehörde ist bereits genug geschrieben worden – gleichwohl arbeitet die Behördenmühle in diesem Laden ganz besonders langsam.

Wenn etwas dauerhaft nicht ordentlich funktioniert, heißt das auf Neusprech: Es sei dysfunktional.

Dieser Begriff fiel mir jüngst auch im Zusammenhang mit Bürgermeister Dr. Andreas Bovenschulte ein. Der Rathauschef hat sich auf Twitter mit der der CDU gefetzt. Die Art und Weise hatte es – staatspolitisch gesehen – wirklich in sich. Die Nordsee-Zeitung hatte darauf hingewiesen, welche Investitionen in Bremerhaven auf der Kippe stünden, falls die CDU-Klage vor dem Staatsgerichtshof gegen den Klimafonds Erfolg habe. Darauf mobbte der Bürgermeister die Union wüst. Er schrieb auf Twitter: „Die CDU ist bereit, unserem Land schweren Schaden zuzufügen, nur um dem Senat eins auszuwischen. Denn gelackmeiert wäre im Erfolgsfall ja nicht nur Bremerhaven. Auch die Existenz unseres Stahlwerks mit 3000 Arbeitsplätzen wäre hochgradig gefährdet.“

Herr Bürgermeister Dr. Bovenschulte – oder muss man Sie jetzt mit „Euer Durchlaucht“ ansprechen? Es ist das gute Recht einer Oppositionsfraktion, auch den komplett Kredit-finanzierten Klimafonds einer Regierung vom Staatsgerichtshof überprüfen zu lassen. Dies ist keine Verächtlichmachung einer vermeintlich unantastbaren Obrigkeit.

Ihre Äußerungen, Herr Bovenschulte, sind eines Bürgermeisters unwürdig. Wozu haben Sie in der SPD einen Landes- oder auch einen Fraktionsvorsitzenden? Die können so rumholzen, aber bitte kein Regierungschef.

Ich vermute, dass der Bürgermeister rasch zur Vernunft zurückkehren wird. Schließlich braucht er die Stimmen der Union, um beispielsweise zusätzliches Geld für dringend notwendige Schulbauten und andere Vorhaben zu erhalten. Da kommt nämlich die Schuldenbremse ins Spiel. Für deren mögliche kreative Lockerung benötigt er die Union. Mit der schmalbrüstigen 3-Stimmen-Mehrheit seiner rot-grün-dunkelroten Koalition kriegt er das jedenfalls nicht gebacken.

Munter bleiben!

Herzlichst

Ihr Axel Schuller

P.S.: Ich will nicht nachtreten. Aber die Ausbildungszwangsabgabe dieser rot-grün-dunkelroten Koalition „zur Schaffung“ weiterer Lehrstellen ist vor dem Hintergrund der aktuellen Zahlen vom Ausbildungsmarkt auf der Unsinns-Skala politischen Handelns kaum zu toppen. Die Agentur für Arbeit meldet für Bremen 1.754 unbesetzte Ausbildungsplätze und 1.024 Bewerber ohne Lehrstelle. Um dieses eindeutige Zahlenverhältnis zu deuten, sollte doch sogar ein Bremer Abitur reichen.

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