Droht am Vegesacker Fähranleger ein Bau so hoch wie Lürssens Schwimmdock (30 Meter)?

04.03.2024 13 Von ED-as_Blog-17

„Das ist ja furchtbar. Das kann doch nicht wahr sein.“ Diese beiden Sätze haben Mitglieder des Vereins „Rettet Vegesack Maritim e.V.“ am Samstag mehrfach zu hören bekommen. Die engagierten Bürger ließen in der Fußgängerzone Helium-gefüllte Ballons auf knapp 30 Meter steigen. So führte der Verein eindrucksvoll vor Augen, wie hoch die geplanten Neubauten auf dem Grundstück der (geschlossenen) „Strandlust“ maximal in die Höhe ragen werden. Das Hotel direkt am Vegesacker Fähranleger ist inzwischen eingezäunt; sieht schon wie die Vorbereitung auf die Abrissbirne aus. Wenn Sie einen eigenen Eindruck des gigantischen Vorhabens erhalten wollen, schauen Sie das Video von Bernd Suhr, einem Freund des Vereins “Rettet Vegesack Maritim”, an. Appell an die Stadtbremer: Hinschauen, es lohnt sich.

Hammer, oder? An sich ist es unvorstellbar, dass die Baubehörde – seinerzeit noch unter Leitung der Grünen Senatorin Maike Schaefer – einem Investor für eine derart massive Bebauung des Vegesacker Filetstücks nicht umgehend die rote Karte gezeigt hat.

Schaefer hatte mit den beiden Eigentümerinnen des Grundstückes – zwei Töchtern des verstorbenen Wurst-Fabrikanten Karl Könecke – einen Letter of Intent (LoI) unterzeichnet.

Die Erbinnen wollten einen möglichst hohen Verkaufspreis erzielen (man munkelte von rund 8 Millionen Euro). Diese Summe mochte kein Bremer Investor aufbringen. Also erhielt ein Schweizer den Zuschlag. Schaefer wiederum wollte unter allen Umständen vermeiden, dass die Hotelanlage über längere Zeit leerstehen und  sich zum Schandfleck entwickeln würde. Zur Erinnerung: Die Grüne wohnt in Bremen-Nord.

Herausgekommen ist ein etwas ungewöhnlicher LoI. Das Papier enthält die maximal erlaubte Geschosszahl von vier und die „Bruttogrundfläche von 12.350 Quadratmetern. Aber die maximale Höhe fehlt in der Absichtserklärung. Dafür geht es um den genauen Anteil von Photovoltaik, Car-Sharing,Infrastruktur für E-Mobilität und Angebote für Radfahrer. Eher am Rande findet sich im LoI das „Warft-Geschoss“.

Was das ist? Ebenerdig wird ein Parkdeck gebaut. In die Tiefe kann man nicht gehen. Dagegen spricht die Uferlage und das ständige steigende Hochwasser (auch im Video zu sehen). Die Höhe des „Warft-Geschosses“ wird nicht vorgeschrieben. So haben die Architekten ein Gebäude-Ensemble entworfen, das es am höchsten Punkt laut Retter-Verein auf fast 30 Meter bringt – so hoch wie das Schwimmdock der Lürssen-Werft.

Wäre interessant zu erfahren, ob jene Politiker, die bei Vorstellung der Architekten-Ideen in Verzückung gerieten, realisiert haben, wie hoch die Gebäude tatsächlich werden. 

Würden wir in der Schweiz leben, könnten sich alle Interessierten vorab einen eigenen Eindruck des Bauvorhabens verschaffen. In der Alpen-Republik verlangt der Gesetzgeber, dass neue, größere Gebäude-Komplexe direkt vor Ort des Geschehens als ein Gerüstbau in Höhe, Breite und Tiefe vor Genehmigung veranschaulicht werden müssen.

Merkwürdig: Der „Verein Rettet Vegesack Maritim“ hatte seine spektakuläre Wochenend-Ballon-Aktion der „Norddeutschen“ (Nordbeilage des WeserKurier) laut eigenem Bekunden vorigen Donnerstag mitgeteilt. Ankündigung im Blatt: Keine. Ein Bericht über die „Ahs“ und „Ohs“ beim Ballon-Steigen lassen in der heutigen Ausgabe der Norddeutschen: Keiner.   

Entsprechend groß ist der Frust in Vereinskreisen. Dort versteht man die Journalisten-Welt nicht mehr. Ausführliche Berichte erschienen nur über den Investor, Kritiker würde totgeschwiegen. Das reicht angeblich bis zum Nicht-Abdruck von Leserbriefen, in denen die geplante Gebäudehöhe problematisiert werde.

Im Kreis des Vereins „Rettet Vegesack Maritim“ kommt da zuweilen der böse Begriff der „Zensur“ auf. Wobei ja bloß totalitäre Staaten Medien zensieren. Selbstzensur wäre  schon etwas Besonderes – weil selbstherrlich.

Zur Einordnung der „Maritimen Retter“: Dem Verein stehen zwei gestandene Norder Persönlichkeiten vor: Professor Dr. Andreas Groß, tätig beim „Fraunhofer-Institut für Fertigungstechnik und Angewandte Materialforschung.“ Ein Mann, dem man möglicherweise alles nachsagen kann, aber nicht, er sei ein Heißsporn oder gar Hitzkopf. Zweiter Vorsitzender ist der langjährige ehemalige Chef der Bremer Sparkasse in Bremen-Nord, Ernst-Ludwig Neuenkirchen, ebenfalls kein Radikalinski.

Die beiden und ihre Mitstreiter haben mittlerweile 3.300 Unterschriften gegen die massive Bebauung des Strandlust-Geländes eingereicht. Der Verein wehrt sich übrigens nicht gegen Abriss und Neubau. Allerdings wünscht man sich, das der Komplex weniger wuchtig und neben der Gastronomie auch wieder ein Hotel gebaut wird. 

Bremens neue Bausenatorin Özlem Ünsal (SPD) und ihr Staatsrat Dr. Ralph Baumheier haben sich mittlerweile bei den Vereins-Oberen schlaugemacht.

.Ünsal und ihr Staatsrat sind aktuell nicht um ihre Jobs zu beneiden: Egal, wo sie sich umschauen, häufig müssen sie Polit-Überreste aus dem Weg räumen, die zuvor Dr. Maike Schaefer und deren Grüne Vorgänger hinterlassen haben. 

Letzte politische Möglichkeit, dem Gigantismus am Fähranleger (siehe Video) noch einen Riegel vorzuschieben, bietet das förmliche Bebauungsplan-Veränderungsverfahren. Die Stadtbürgerschaft muss nämlich den aktuell gültigen Bebauungsplan 909 ändern, bevor größere Gebäude erlaubt sind. Diesen neuen Bebauungsplan 1631 hat das Parlament noch nicht abgesegnet. Darauf hofft der Verein “Rettet Vegesack Maritim”

Munter bleiben!

Herzlichst

Ihr Axel Schuller

P.S.: Ich kann nicht prüfen, ob die Angaben – insbesondere die Visualisierung der Gebäudehöhen – in dem Film von Bernd Suhr korrekt sind. Mir wurde dies zwar versichert, aber: Die Verantwortung für alle Angaben in dem Film liegt beim Autoren. Das Video ist übrigens auf YouTube für jedermann anzuschauen.