Wer die Wahl verstehen will, sollte nicht den WK lesen – eher, was Boris Palmer sagt

11.06.2024 2 Von ED-as_Blog-17

Vorab: Ich bin weder enttäuschter WK-Liebhaber (wie mir gelegentlich unterstellt wird), noch halte ich mich für zu kritisch. Aber: Was der Weser-Kurier zum Thema Europawahl abgeliefert hat, ist lückenhaft, belanglos, insgesamt: einfach nur schlecht. Bis einschl. Dienstag fand sich nach meiner Beobachtung in dem Blatt keine Grafik zum Thema Wählerwanderung (z.B. von CDU und SPD zur AfD); keine „Würdigung“, dass SPD-Chef Lars Klingbeil bei n-tv die AfD in ihrer Gesamtheit als „Nazis“ bezeichnet hatte; auch keine Grafik zum Thema, wen die 16- bis 24-Jährigen bevorzugt gewählt haben (CDU und AfD). Dabei hat letztgenannter Punkt elementare Bedeutung für unsere Gesellschaft.

Dass die Lokal-Zeitung sowohl das endgültige Abstimmungsergebnis im Land Bremen als auch die Abstimmungsergebnisse in den Bremer Stadtteilen für sich behielt – geschenkt. Dass ab sofort kein einziger Bremer Abgeordneter mehr im Europa-Parlament sitzt – keine Zeile wert. Dabei verfügt Bremen über den zweitgrößten deutschen Hafen, ist also auf internationale Kontakte angewiesen. Dass die SPD bei der Wahl nur noch in einem Bundesland, nämlich in Bremen (mit jämmerlichen 21,5 Prozent) vorne liegt. Dass Hamburg als einziges Bundesland „Grün“  (21,2 %) ist – alles nicht der Rede wert. Dafür Allgemeingültiges über alles und jenes, das man aus der „Tagesschau“ kannte.

Offenbar rächt es sich jetzt, dass der Weser-Kurier über keine eigene Politik-Redaktion mehr verfügt, sondern die entsprechenden Artikel von überregional tätigen Redaktions-Verbünden bezieht – bei einem Abo-Preis von 48,90 Euro.

Es ist erschütternd, dass man sich als Bremer m/w politische Basics (aus Bremen, Deutschland, Europa und der Welt) mittlerweile aus anderen Medien und Quellen zusammensuchen muss. Für mich als alten Print-Mann immer wieder unfassbar, wie häufig Radio Bremen auf diesem Feld die Nase vor dem vermeintlichen „Platzhirschen“ vorne hat.

Genug gejammert, schauen wir uns die Fakten an.

Wählerwanderung:

600.000 vorherige CDU-Europa-Wähler sind zur AfD gewandert. Aber auch 590.000 von der SPD, 450.000 von der FDP und selbst 150.000 von den Linken. Von den Ex-Grün-Wählern bevorzugten immerhin 50.000 die AfD.

Noch heftiger das Bild bei den 16- bis 24-Jährigen, die in Deutschland erstmals das Europa-Parlament wählen durften.

Die Zahlen (als Vergleich EU-Wahl 2019, 18- bis 24-Jährige): Andere: 28 Prozent (+3 Prozentpunkte), CDU: 17% (+5 ), AfD 16 (+11), Grüne 11 (-23), SPD 9 (+1), FDP 7 (-1), Linke 6 (-2) und BSW 6 (—).

Diese Zahlen machen viele ParteiManager – im wahrsten Sinne des Wortes – sprachlos. Unsere Heimatzeitung offenbar auch.

Eine plausible Erklärung lieferte Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer.

Er schrieb auf Facebook:

„Eine Jugendstudie hatte das schon als Trend erkannt. Sie wurde wegen ihrer Methodik kritisiert. Die Ergebnisse passten halt nicht ins Bild.

Jetzt haben wir es amtlich: Absturz der Grünen von 34% auf 11%, Aufstieg der AfD von 5% auf 16%.

Manche meinen, dann sollte man morgen wieder eine Demo gegen Rechts machen. Kann man, hilft aber wenig. Ich glaube, man sollte sich endlich die Ursachen des Rechtsrucks eingestehen.

Wer mit den jungen Leuten im Kontakt ist, der weiß worum es geht.

Sie sind von der allgemeinen Teuerung stärker betroffen. Grüner Klimaschutz scheint ihnen nicht bezahlbar.

Und sie erleben täglich an der Front, was die irreguläre Migration bedeutet. Die allein eingereisten jungen Männer verändern vor allem das Lebensumfeld junger Menschen. Im Park, im Club, auf der Straße, im Bus, am Bahnhof, auf dem Schulhof. Sie erleben, dass ihre Angst vor der Gewaltbereitschaft der jungen Männer aus dem Maghreb und dem Nahen Osten nicht Ernst genommen oder als Rassismus diskreditiert wird.

Sie trauen sich nicht mehr, zur Polizei zu gehen, weil sie die Rache der Täter fürchten, die wiederum genau wissen, dass sie wenig zu befürchten haben.

Auf diese Lebenswirklichkeit stoßen die Dogmen der Wokeness und der offenen Grenzen. Also orientieren sie sich neu und wählen die Partei, die zumindest ihre Sorgen nicht von vornherein als schlecht und falsch abtut. Die wenigsten werden so dumm sein, der AfD zu glauben, dass sie das Problem löst. Aber eine Partei wählen, die einem einreden will, man sei selbst das Problem, das fällt den jungen Leuten nicht ein.

Wer Klimaschutz ernsthaft betreiben will, darf diesen nicht länger in den „Kampf gegen Rechts“ verstricken, wie es zum Beispiel Luisa Neubauer gerne tut. Damit verspielt man die gesellschaftlichen Mehrheiten für den Klimaschutz sogar bei der Jugend. Auch unsere Demokratie schützt man nicht, indem man die Leute ständig belehrt, sondern nur, wenn man ihre Anliegen ernst nimmt und die Probleme löst. Die spürbar negativen Folgen der irregulären Migration für das Leben gerade der jungen Leute im Land müssen verringert werden. Sonst fliegen der AfD die Stimmen zu.

Nach dieser überzeugenden Analyse des aktuell parteilosen Oberbürgermeisters von Tübingen, Boris Palmer, bleibt mir nur:

Munter bleiben!

Herzlichst

Ihr Axel Schuller

P.S.: Nicht vergessen: Vorherige und künftige Leser-Kommentare lesen!