Ist der Streik bei Radio Bremen wirklich angemessen?

18.06.2024 5 Von Axel Schuller

Mitarbeiter mehrerer ARD-Anstalten – darunter von Radio Bremen und des NDR – haben sich an einem Warnstreik beteiligt. Sie verlangen mehr Lohn. So wie Hafenarbeiter, Metall-Arbeiter usw. Auf offener Meinungslichtung stehend und völlig ungeschützt frage ich: Ist das wirklich angemessen? 

Dienstag morgen, Radio Wecker weckt. Aber, na so was, keine Nachrichten. Jedenfalls auf NDR info. Die Moderatorin gibt zwar ihr bestes, zumindest ein paar Eindrücke von den erneuten Personal-Rangeleien auf der EU-Bühne zu vermitteln.

Rüber zu Radio Bremen. Das angeblich stets prächtig gelaunte Quartett von Bremen Vier ist nicht an Deck. Wenigstens ist RB-Nachrichtenchef Jan Siegert zur Stelle, gibt einen knappen Überblick. Auf Bremen Eins – die Stimme klingt nach … ach, egal.

Die Mannschaft streikt, aber der Sender sendet. Das ist für die Hörerschaft das wichtigste. Musik, Wetter, Verkehrsfunk. Reicht. Gestern war festzustellen: Radio kann man heutzutage dank Technik auch mit deutlich weniger Personaleinsatz machen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen der öffentlich-rechtlichen Sender (ÖRR)! Ist Ihnen/euch bewusst, dass der ÖRR nicht mehr so prächtig dasteht, wie in den fetten Jahren? Ist Ihnen bewusst, dass beim ÖRR Gehälter gezahlt werden, die teilweise deutlich über dem Öffentlichen Dienst liegen?

Die Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs (KEF) der öffentlichen rechtlichen Sender weist alle Jahre wieder darauf hin, dass das Gehaltsniveau im ÖRR überhöht sei. Nicht nur die Gagen von Intendanten und Programmdirektoren fallen aus dem Rahmen. Auch Redakteure m/w haben sich bei den Einkommen weit vom Level entfernt, dass heute in Tageszeitungen bei sinkenden Auflagen gezahlt werden kann. Die über Verkauf und Werbung finanzierte private Presse kann schon lange nicht mehr so aus dem Vollen schöpfen, wie dies gebührenfinanzierte Sender tun.

Bei aller „Staatsferne“ des ÖRR. Wenn am Ende das Geld nicht reicht, muss das jeweilige Land laut Verfassung für die jeweilige Landesrundfunkanstalt geradestehen. Vergessen?

Und dennoch wollen die ÖRRler so agieren als seien sie ganz “normale” Arbeitnehmer . Zur Erinnerung: Diese “Normalen” verfügen über kein staatliches, soziales Auffangnetz.

By the way: Woher soll eigentlich das zusätzliche Geld für Tarifsteigerungen kommen?

Einige Ministerpräsidenten haben bereits angekündigt, dass sie die nächste Erhöhung der Rundfunkgebühren nicht mittragen und „ihren“ Landtagen empfehlen wollen, dies auch nicht zu tun.

Kollegen, habt ihr/haben Sie den Schuss gehört?

Am nachdenklichsten sollte die ÖRRler jedoch eine Studie stimmen, die einen Tag vor dem Warnstreik bekannt wurde. Der Medienfachdienst „turi2“ hat die Ergebnisse so überschrieben:

„Internet kills the TV news“. Zitat: „Das Internet überholt in Deutschland erstmals das lineare Fernsehen als wichtigste Nachrichtenquelle, sagt der „Reuters Institute Digital News Report 2024“. In der deutschen Teilstudie des Leibniz-Instituts für Medienforschung  nennen 42 Prozent der Befragten ab 18 Jahren das Internet als Hauptnachrichtenquelle, dicht gefolgt vom linearen TV mit 41 Prozent. 15 % erhalten Nachrichten hauptsächlich über soziale Mediene, bei den 18- bis 24-Jährigen sind es 35 Prozent.“

Passt die aktuelle Tarifforderungen wirklich in diese Zeit? Sind die Gehälter beim ÖRR wirklich nicht auskömmlich? Oder folgen die Kolleginnen und Kollegen dem allgemeinen Automatismus: Wenn alle mehr kriegen, wollen wir das auch.

Da ich gerade dabei bin. Hafenarbeiter, Mitarbeiter der Metallindustrie und Arbeitnehmer in vielen anderen Branchen berufen sich bei ihren zum Teil hohen Forderungen erneut auf die Inflation – wobei diese doch gesunken ist. Wie passt das zusammen?

Nicht zu vergessen: Viele Unternehmen investieren überall in der Welt, aber nicht mehr im eigenen Land. Die Häfen in Bremen und Hamburg kämpfen um ihre Konkurrenzfähigkeit mit den Westhäfen in Rotterdam, Antwerpen usw. Der BLG-Autoumschlag in Bremerhaven wurde nicht ohne Grund vom europäischen ersten Platz verdrängt.  

Wer in diesen Zeiten die Wirkungen der Lohn-/Preisspirale leugnet, muss – freundlich formuliert – eine ganz besondere Brille auf der Nase tragen.

Munter bleiben!

Herzlichst

Ihr Axel Schuller