Überleben im Berliner Haifischbecken – Schwerst-Aufgabe für Stahmann
Heute ist ein guter Tag für Bremen – jedenfalls aus Sicht der Bremer Grünen. Heute startet Anja Stahmann in ihrem neuen Job als beamtete Staatssekretärin im Bundesfamilienministerium von Lisa Paus (Grüne) in Berlin. Während die Grünen sich also zum Halleluja-Singen treffen, haben wir Bremer Steuerzahler ebenfalls einen Grund zum Freuen: Anja Stahmann (57) wird fortan aus der Bundeskasse entlohnt. Bremen spart ab sofort das ihr nach 12 Senatsjahren zustehende Übergangsgeld in Höhe von monatlich rund 11.000 Euro. Das nennt man wohl eine Win-Win-Situation.
Da ich nun wirklich nicht der dauer-außerparlamentarische- Oppositionelle bin, veröffentliche ich zunächst die Jubel-Arie, die der Grüne Bremer Landesverband angestimmt hatte, nachdem „Anjas“ Wechsel ins Paus-Ministerium bestätigt worden war.
Auf der Website der Grünen hieß es unter anderem wörtlich:
„(…) Die gebürtige Bremerhavenerin Anja Stahmann hat über Jahrzehnte grüne Politik im Land Bremen geprägt und gestaltet und ist eines der Bremer Gesichter der Grünen. In ihrer Zeit als Senatorin für Soziales, Jugend, Integration und Sport hat sie herausragende Arbeit geleistet und sich so einen exzellenten Ruf über die Grenzen Bremens hinaus erarbeitet.
Wir schätzen Anja Stahmanns Einsatz und ihr Engagement für die Menschen in Bremen und Bremerhaven und ihre Fähigkeit, Brücken zu bauen und nachhaltige Lösungen auch in schwierigen Zeiten zu entwickeln und sind überzeugt, dass sie ihre hervorragende Arbeit auch auf Bundesebene fortsetzen wird. (…)“
Ergänzendes Statement der Landesvorstandssprecher*innen Franziska Tell und Marek Helsner:
„Anja Stahmanns Einsatz für eine sozial gerechte Politik und für ein offenes, humanes und lebenswertes Land Bremen ist einzigartig. Immer hat sie dabei zuerst die Menschen und ihre Bedürfnisse im Blick und setzt sich für die Verbesserung ihrer Lebensrealitäten ein.(…)“
Ende der (gekürzten) Zitate.
Etablierte Bremer Medien wie Radio Bremen und Weser-Kurier hatten lediglich vermeldet, dass Stahmann zu Paus geht. Und, dass sie durch ihre Tätigkeit als ZDF-Fernsehrat gute Kontakte in die Politik habe. Aha.
Im Blog konnten Sie dagegen bereits am 25.6.24 eine kritische Würdigung lesen. Mehr will ich nicht dazu sagen.
Heute möchte ich mit Ihnen kurz auf Stahmanns künftige Rolle blicken. Leider konnte ich nirgendwo nachlesen, wofür Lisa Paus Frau Stahmann künftig einsetzen will.
Die neue beamtete Staatssekretärin muss eine Behörde mit rund 1.000 Mitarbeitern und einem Budget von über 10 Milliarden Euro führen. Die Ministerin ist seit ihrem irrlichternden Auftritt in Sachen Kinder-Grundsicherung bei vielen politischen Beobachtern unten durch. Zur Erinnerung: Erst verlangte Paus mindestens 12 Milliarden Euro für die Kinder-Grundsicherung, dann reichten – über Nacht – auf einmal 2 Milliarden.
Anja Stahmann, die als Senatorin speziell in der Verwaltung ihres Sozialressorts so einige Baustellen hinerlassen hatte, soll nun oberste Behördenchefin werden.
Warum macht die Bremerin das, ohne „echte“ Verwaltungserfahrung?
Stahmann genießt in Bremen den Ruf als tatkräftige, emotionale und empathische Frau. Will Paus sie künftig einsetzen, um Probleme (wie in Bremen) wegzulächeln? Oder kritische Politiker und Verbandsvertreter mit ihrer ausgeprägt emphatischen Ader zu umgarnen?
Wie schwer der Wechsel vom politischen Amt eines Senators auf den Stuhl des beamteten Staatssekretärs ist, hat vor Stahmann ein anderer Bremer erfahren müssen: Dr. Ulrich Nußbaum. Der parteilose Bremerhavener Jurist und Unternehmer war zuerst Bremer Finanzsenator, dann Chef der Finanzbehörde des Berliner Senats. 2018 schließlich heuerte ihn der damalige Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) als beamteten Staatssekretär an. Es ist überliefert, dass Nußbaum niemals zuvor so viele Themenfelder gleichzeitig „beackern“ musste wie in diesem Ministeriums-Job.
Deshalb zahlt der Bund seinen Staatssekretären m/w übrigens monatlich soviel, wie die Länder ihren Senatoren und Ministern: B 11, etwa 16.084 Euro. Bundesminister erhalten mit 21.450 Euro (1,3faches B 11) nicht überragend mehr.
Also, warum nur tut sich Stahmann einen derart verwaltungslästigen Job an? Mit (seit gestern) 57 Jahren muss sie noch etwas für ihre Versorgung tun. Die zwölfjährige Amtszeit als Senatorin bringt ihr zwar eine hübsche Pension ein, die sie aber frühestens mit 63 (mit Abschlägen) erhält. Aktuell bezieht sie seit ihrem Rücktritt aus dem Senat 71,45 Prozent ihres Regierungsgehaltes als Übergangsgeld. Diese würde ihr bis zu zwei Jahre nach dem Austritt aus dem Senat zustehen. Also bis Mai 2025.
Hält sie bei Paus für ein Jahr durch/hält die Ampel bis September 2025, steht ihr anschließend ein Übergangsgeld des Bundes zu.
Die Bremer Grüne hat in finanzieller Hinsicht übrigens Pech. Bis 2017 sah der Bremer Gesetz keinerlei Verrechnung von Übergangsgeldern des Landes mit Einkommen beispielsweise im Bund vor. Dieser Irrsinn ist zum Glück an der Weser geändert worden…
Stahmanns heutiger Wechsel nach Berlin bietet für sie die Chance, sich selbst und anderen zu beweisen, dass sie Verwaltung und knallhartes Regieren im Berliner Haifischbecken mit den anderen Staatssekretäre doch kann. Und er bedeutet, dass Bremen auf diese Weise ein Jahr lang Übergangsgeld spart.
Munter bleiben!
Herzlichst
Ihr Axel Schuller
P.S.: Nicht vergessen: Zweites Stück von heute, Skandal in Bildungsbehörde.
Von Max Liebermann stammt folgendes
Zitat: „Ich kann gar nicht so viel fressen, wie ich kotzen möchte.“ Genauso geht es mir, wenn ich an Frau Stahmann denke. Je unfähiger man ist, desto höher wird man weggelobt.