Bio – man wundert sich, wofür der Staat Geld übrig hat / Tipp: P.S. lesen!

07.07.2024 1 Von Axel Schuller

Bremen ist immer für Überraschungen gut. Erst im Frühjahr hatte der Senat 1,3 Millionen Euro für eine Lehrküche für – Achtung, jetzt kommt’s – Köche rausgehauen. Die sollen dort endlich lernen, wie sie Bio-Produkte verarbeiten können. Haha. Die Uni packt jetzt ein Sahne-Häubchen oben drauf. Das Institut Arbeit und Wirtschaft iaw geht zusammen mit fünf anderen europäischen Instituten der Frage nach, wie man mehr Bio in öffentliche Mensen und Kantinen bugsieren kann. Einziges Glück: Die 3,2 Millionen Euro stammen nicht aus der schwindsüchtigen Bremer Kasse. Die stellt die EU zur Verfügung – oje, fast vergessen, das sind ja auch Steuergelder… 

Schlichte Gemüter wie ich fragen sich:Wie kommt so ein Projekt eines Forschungsinstitutes zustande? Ruft da der Verband der Bio-Bauern an und sagt: Hej Leute, macht mal irgendwas, damit der Staat mehr auf Bio setzt und unser Absatz steigt.

iaw-Projektleiterin Dr. Tina Schreiber bestätigt auf Anfrage, dass es gar keinen ausdrücklichen Auftrag zur Erforschung des Themas gibt. Vielmehr hatte die EU Forscher m/w aller Mitgliedsländer aufgefordert, nach Befragung der „Stadtgesellschaften“ drängende Themen zu identifizieren und diese anschließend zu bearbeiten. In Bremen haben viele Menschen – so Schreiber  – mehrfach gefordert: „Die Nahrung in Mensen und Kantinen muss besser werden.“

Der EU ist die Behandlung solcher Themen insgesamt 3,2 Millionen Euro wert. 400.000 Euro fließen ans iaw, ein gemeinsames Konstrukt von Arbeitnehmerkammer und Universität Bremen. 

Für das iaw ist das natürlich schick, wirft jedoch die Frage auf: Schwimmt die EU entgegen ständiger Beteuerungen vielleicht doch im Geld?

Neben dem iaw gehen Forscher in Norwegen, Polen, Finnland, Estland und Lettland der Bio-Frage nach.

Die Bio-Lage in Bremen muss prekär sein. iaw-Projektleiterin Schneider beklagt: Erstens, dass der Senat in der vorigen Legislatur zwar beschlossen habe, Bremens Kantinen bis 2025 auf Bio-Pfad zu schicken. Aber, so richtig voran sei man dort wohl noch nicht gekommen. Sie berichtet zweitens, dass die Bildungsbehörde am vorbereitenden Workshop nicht teilgenommen habe – obwohl man dort doch Visionen für eine bessere Ernährung entworfen habe.

Einwurf meinerseits: Könnte es sein, dass die Bildungsleute aktuell andere Sorgen haben? Etwa: Wo kriegen wir Lehrer und Sonderpädagogen für die wachsende Schülerschar her? Oder: Wie schließen wir das Millionen-Loch für unsere Energie-Ausgaben? (siehe Blog „Skandal in der Bildungsbehörde… vom 1.7.24).

Immerhin sind die iaw-Forscher zäh und ausdauernd. So laden sie im September erneut zu einem weiteren Workshop ein, um die Bildungsbehörde doch noch ins Boot zu holen.

Am ersten inhaltlichen Workshop zum Bio-Essen hatten sich übrigens betroffene Berufsgruppen wie Köche, Caterer etc. beteiligt – aber keine Eltern. Seltsam, denen liegt ja angeblich so viel an der gesunden Ernährung ihrer Kinder

Frische Biowaren kosten leider mehr als industriell gefertigte Nahrung. Aber, so sagen erfahrenen Kantinenmanager, diese Mehrkosten würden „fast“ dadurch ausgeglichen, dass Bio einen höheren Nährwert habe, man also etwas weniger Ware einkaufen müsse. Außerdem seien die Personal- und Nebenkosten in Kantinen mit 70 Prozent weitaus höher als für den Einkauf der Waren (30 Prozent). 

Doch die Kosten sind für Bremen mit seinem riesigen Schuldenberg von 22,5 Milliarden Euro ein großes Thema. Und nicht zu vergessen: In unserem Bundesland leben  29,1 Prozent „arme Menschen“, die wohl nicht so viel Geld haben, dass sie einen höheren Eigenbeitrag in der Kantine/Mensa aufbringen könnten. 

Eigentlich schade, dass das iaw sich so sehr aufs Schulessen konzentriert. Dort wird ja bereits ne Menge Steuergeld ausgegeben, um Besseres auf die Teller zu zaubern – siehe Lehrküche für Köche.  

Der Grundstein für falsche, ungesunde Ernährung wird häufig im Säuglingsalter gelegt. Eltern, die Chips und in der Mikrowelle gewärmtes Essen für Ernährung halten, sowie Eltern, die Kleinkindern hochgradig zuckerhaltige Flüssigkeiten einflößen, sind nicht unbedingt als Bio-Anhänger zu bezeichnen.

Wie wäre es denn, liebe iaw-Forscherinnen und Forscher, Ideen zu entwerfen, wie man werdenden Müttern und Vätern bereits während der Geburtsvorbereitung Tipps für eine gesunde und bezahlbare Ernährung unterjubelt?

Upps, und schon ist ein neuer Forschungsauftrag formuliert.

Munter bleiben!

Herzlichst

Ihr Axel Schuller  

P.S.: Im vorigen Blog-Stück „Eckhoff geißelt unverschämten Senat…“ habe ich den CDU-Finanzpolitiker Jens Eckhoff zu Wort kommen lassen. Er hatte sich heftig darüber empört, dass das Bildungsressort seine Energiekosten wie Lieschen Müller „kalkuliert“ hatte – einfach viel niedriger als früher, weil die Kasse gerade nicht mehr hergibt. 

Ich empfehle dringend, die Kommentare zu diesem Stück nachzulesen. Ein Leser hat Fragen formuliert, die jeden Bürgerschaftsabgeordneten umtreiben, ja alarmieren müssten; übrigens auch hauptamtliche Journalisten. Die könnten doch glatt mal Senastssprecher Christian Dohle damit “löchern“. Als selbsternannte „vierte Gewalt“ im Staat und so..