Rekommunalisierung der Müllabfuhr treibt Preise und sorgt für Verdruss

14.07.2024 6 Von Axel Schuller

Nicht auszudenken, in Bremen aber Realität: Die Bremer Stadtreinigung (DBS) will seit einem Jahr 9 Mitarbeiter m/w einstellen, darf es aber nicht. Weil der Personalrat es nicht will. Folge: Wir Bürger m/w „dürfen“ notfalls mit unserem Gedöns wie Grünabfällen, „Sperrmüll“ etc. von der Grün- und Recycling-Station wieder nach Hause fahren. Toll. Die „Rekommunalisierung“ der Müllabfuhr 2018 sollte uns Verlässlichkeit, Gebührenstabilät und was nicht noch alles bescheren. Ergebnis: teilweise das Gegenteil.

Den Oberklopfer vor dem Hintergrund geschlossener und nur teil-geöffneter Recyclinghöfe liefert die Pressestelle der DBS. Sie erklärte diese Woche wörtlich: 

Kommunalisierung aus Sicht von DBS ein Erfolg:

Seit der Kommunalisierung im Jahr 2018, die auch die Recycling-Stationen betraf, hat sich die Situation für die Mitarbeitenden auf den Stationen deutlich verbessert – von der Arbeitssicherheit über die Vergütung bis hin zu den Arbeitsbedingungen. Auch der Service für die Bremer*innen wurde durch den Ausbau der geeigneten Stationen erweitert und modernisiert. Die Öffnungszeiten wurden zum Beispiel an Samstagen um 1 Stunde verlängert. Die Kommunalisierung ist aus Sicht von DBS daher positiv verlaufen.“

Na prima. Wenigstens aus Sicht der DBS ist die Rekommunalisierung also ein Erfolg. In den Augen der Bürger, liebe DBS, kann das freilich durchaus anders erscheinen. 

Während früher die Firma Nehlsen AG (zwischen 1998 und 2018)  nicht ein einziges Mal die Gebühren erhöht hatte, „erfreute“ uns die DBS bereits zweimal (2022 und 2024) mit höheren Forderungen. Ein Recyclinghof wurde geschlossen, die anderen 15 wurden – wie Insider schätzen – um rund 20 auf 90 Stellen aufgestockt. Auf dem Papier. Aktuell fehlen Mitarbeiter m/w wegen Urlaub, Krankheit und Nicht-Besetzung.

Aktuell verweigern Gewerkschaft und Personalrat die Einstellung neuer Kräfte für die Recyclinghöfe. Klingt widersinnig, ist aber so. Die Belegschaftsvertreter wollen mit diesem Boykott durchsetzen, dass Berufseinsteiger sofort nach Tarifklasse 4 statt 3 bezahlt werden. Vorher gibt’s keine Zustimmung. Peng.

Die Pressestelle der DBS Stadtreinigung veröffentlicht dazu Details:

„Konkret geht es um die Eingruppierung der (ungelernten) Mitarbeitenden auf den Recycling-Stationen von der Entgeltgruppe 3 in die Entgeltgruppe 4. Die Verhandlungen zur Eingruppierung (Lohngruppenverzeichnis Bremen) werden vom Kommunalen Arbeitergeberverband Bremen e. V. und ver.di geführt – die letzte Sitzung dazu fand am 23.01.2024 statt.“

Liebe Leserschaft, man fragt sich: Was ist seit dem 23.1.24 geschehen. Ist es den Verhandlern völlig schnurz, dass der Konflikt zulasten der Kunden – also uns Bürgern – ausgetragen wird? 

Nun ein Blick in besagten Tarifvertrag: Die Gruppe 3 der „Entgelt-Tabelle TVöD-E (Tarifvertrag öffentlicher Dienst-Entsorgung), gültig ab 1.3.2024, bedeutet im ersten Jahr brutto 2.762,69 Euro. Klasse 4 entspricht in der Eingangsstufe 2.802,62 Euro.

Laut Betriebsverfassungsgesetz (BVG), Paragraf 2, sollen „Arbeitgeber und Betriebsrat zum Wohl der Arbeitnehmer und des Betriebs zusammenarbeiten.“

Leider gilt das BVG nicht für die Müllabfuhr. Denn Bremen hat  2018 eine „Anstalt öffentlichen Rechts“ gegründet, unter deren kommunalen „Dach“ sich die Abfall Logistik Bremen um die Müllabfuhr kümmert. An dieser GmbH ist die Stadt mit 49,9 Prozent beteiligt, die alten „Müllkutscher“ der Nehlsen AG halten (noch) 50,1 Prozent

Die DBS ist nach dieser Konstruktion wie der öffentliche Dienst zu behandeln. Und dort gilt das Bremische Personalvertretungsgesetz mit „der Allzuständigkeit“ des Personalrates. Deshalb muss die Arbeitnehmervertretung allen Entscheidungen des DBS-Vorstandes zustimmen. Wenn nicht, bedeutet dies: Blockade. Der Senat hat ein Letztentscheidungsrecht. Aber: Welcher Amts- oder Betriebsleiter will mit seiner Tagesarbeit ständig den Senat belämmern?

Zwischendurch mal was zum Lachen/Weinen. Als die LINKE, Verdi und schließlich auch die SPD 2014 für die komplette Rekommunalisierung der Müllabfuhr kämpften, behauptete Verdi laut Weser-Kurier vom 28.7.2014 ernsthaft, die Rückführung der Müllabfuhr in die Obhut der öffentlichen Hand sorge jährlich für Einsparungen in Höhe von 8,2 Millionen Euro. Haha.

Dabei war schon damals klar, dass die Personalkosten steigen würden. Denn der Tarif der privaten Entsorger  (galt für die Nehlsen AG) lag seinerzeit etwa ein Drittel unter dem des öffentlichen Dienstes.

Zwischen 2014 und der Neugründung der DBS im Jahr 2018 bekamen einige Sozialdemokraten übrigens kalte Füße und sorgten schließlich dafür, dass Nehlsen für weitere 10 Jahre an der Abfuhr-Firma beteiligt bleibt.

Bleibt abzuwarten, ob die Stadt vor dem Hintergrund der für die Bürger nicht immer erfreulichen Begleiterscheinungen (wie höhere Gebühren) -Entwicklung die Müllabfuhr ab 2028 komplett unter das öffentliche Dach holt, oder einen privaten Akteur im Boot behält.

Munter bleiben!

Herzlichst

Ihr Axel Schuller