Domsheide – umsteigen fast „im Kreis“ / Kompromiss-Vorschlag eines Stadtplaners
Für Normalbürger ist es unfassbar, wie lange es dauert, bis in unserer Stadt etwas gebaut oder umgestaltet wird. Der BSAG-Umsteige-Knotenpunkt Domsheide ist so ein Fall. Dort wird jetzt schon so lange an neuen Haltestellen herumgeplant, dass die BSAG mit dem Einbau neuer Weichen nicht länger warten kann. Später muss erneut für viel Geld gebuddelt werden, um die Haltestellen zu versetzen. Gegen den aktuellen Senatsplan laufen Behinderte Sturm. Der pensionierte Stadtplaner Bernhard Lieber (80) hat einen Kompromiss-Vorschlag ausgearbeitet. Den heutigen Blog „schenke“ ich Bernhard Lieber, damit seine Ideen eine breitere Öffentlichkeit erlangen können.
Ein Text von Bernhard Lieber, pensionierter Stadtplaner:
„Zehn Jahre mindestens geht die Diskussion um die künftige Gestaltung der Domsheide schon. Eine Lösung gibt es immer noch nicht. Typisch Bremen, könnte man sagen, die Achseln zucken und sich abwenden. Das wird der Stadt, die so viel Potenzial hat, aber nicht gerecht. Warum kriegt es Bremen, richtigerweise müsste es natürlich heißen, der Senat nicht hin, städtebauliche Überlegungen mit verkehrspolitischen, kulturellen und Anforderungen an die Barrierefreiheit zu verbinden? Beim Städtebau geht es doch darum, den historischen und städtebaulichen Gegebenheiten einer Stadt ebenso gerecht zu werden wie den Anforderungen des Alltags der hier lebenden Menschen.
Die Domsheide ist über die Zeit hinweg zu einem Verkehrsknotenpunkt geworden, an dem täglich ca. 50.000 Menschen ankommen, umsteigen, weiterfahren. Da braucht es eine intelligente Lösung, wenn der Platz als solcher wieder nutzbar werden und begrünt werden soll.
Angeblich sind ca. 15 Varianten geprüft worden. Die bezogen sich allerdings nur auf Haltestellentypen und Gleisführung. Städtebaulich begründete Alternativen wurden von vornherein gar nicht in Erwägung gezogen. Im Rennen sind jetzt lediglich noch zwei Vorschläge:
Der eine heißt 2.3 und wird vom Senat eindeutig bevorzugt. Dieser Vorschlag belässt die Haltestelle für die Linien 2+3 etwa vor der Alten Post, geringfügig zum Kirkeby-Turm verschoben, und sieht eine in gerader Linie 75 Meter lange sogenannte Doppelhaltestelle für die Linien 4,6,8 an der Balgebrückstraße vor, die so weit Richtung Weser verschoben werden soll, dass eine gefahrlose Kreuzung für Fußgänger und Radfahrer von der Dechanat- zur Marktstraße möglich wird. Der heute gut gelegene Platz neben dem Kirkeby-Turm bleibt danach als Haltestelle unbenutzt. Dadurch würden sich die Umsteigewege insbesondere für Menschen mit Behinderung unzumutbar verlängern, im schlechtesten Fall auf ca. 200 Meter. Deshalb lehnen die Behindertenverbände die bevorzugte Lösung des Senats klar ab und drohen mit Klage. Und wieder ziehen dann Jahre ins Land und nichts verändert sich zum Positiven. Weder für die Menschen, noch für die Stadt! Na, herzlichen Glückwunsch!
Der zweite Vorschlag heißt 5.1 und wird von den Behindertenverbänden bevorzugt und vom Beirat Mitte ebenso unterstützt. Er sieht für die Linien 4, 6+8 eine Doppelhaltestelle mit 75m langem, geradem Bahnsteig unmittelbar vor dem Glocke-Eingang vor, und zusätzlich die Haltestelle für die Linien 2+3 direkt vor der Alten Post, wie heute. Aus städtebaulicher Sicht nicht eben eine angemessene Lösung, weil das Konzerthaus, für dessen Erweiterung viel Geld aus Berlin nach Bremen fließen soll, eine kulturelle Hauptattraktion der Stadt ist und auch viele Besucher von außerhalb anzieht. Für Aufenthalt oder Außengastronomie auf der Domsheide bliebe dann kein Quadratmeter Platz mehr übrig.
Fazit: Es scheint also unmöglich, einen Verkehrsknotenpunkt mit den Bedingungen eines funktionierenden Stadtplatzes unter einen Hut zu bringen.
Ist das wirklich so?
Als Dipl.Ing. und Stadtplaner im Ruhestand sage ich klar und deutlich: NEIN. Es geht auch anders. Ich habe 32 Jahre lang im Bremer Stadtplanungsamt gearbeitet, bin also fachlich qualifiziert für so eine Kritik und kenne das „Geschäft“ auch von innen bestens.
Meinen Alternativ-Vorschlag verstehe ich als Kompromisslösung, um die oben beschriebenen gegensätzlichen Aspekte in Einklang zu bringen. Ich lege ihn vor, weil die Zukunft der Domsheide als nutzbarer Stadtplatz für die Attraktivität Bremens von immenser Bedeutung ist.
Unter den jetzigen Gegebenheiten mit einer wenig genutzten „Fahrradautobahn“ am Wall für mehr als 3 Millionen Euro Steuergeld, ist eine Veränderung in der Straßenbahnführung mit dem Ziel einer weitgehend straßenbahnfreien Innenstadt kaum noch zu realisieren.
Dabei hätten sich Altenwall, Tiefer und Martinistraße für eine alternative Linienführung der Straßenbahn sehr gut geeignet. Als direkte Folge hätte eine straßenbahnfreie Haupteinkaufs-/Obernstraße den weiteren Niedergang der Altstadt stoppen und damit sowohl die Wiedergewinnung der öffentlichen Räume als auch damit verbunden die Verbesserung ihrer Aufenthaltsqualität gewährleisten können.
Keine Sorge, ich komme Ihnen jetzt nicht mit einer Neuauflage der sowieso falsch gestellten Frage nach Obern- oder Martinistraße.
Auch jeder andere Vorschlag zu einer veränderten Straßenbahnführung, zum Beispiel, die Linien 2 und 3 auf der schon jetzt als Ausweichstrecke genutzten um das Landgericht herum zur Violenstraße und dann weiter zum Schüsselkorb zu führen, wo es vor Kopf des Domshofes (neben Alex) viel Platz für eine großzügige Haltestelle mit gegenüberliegenden Gleisen und vollständiger Barrierefreiheit geben würde, wurde abgelehnt.
Gegen die Weiterführung über Am Wall, Bürgermeister-Smidt-Straße zum Brill und dann in die Faulenstraße wurden technische Probleme ins Feld geführt, ohne sich mit deren Überwindung zu beschäftigen. Auch eine öffentliche Debatte über diesen Vorschlag wurde nicht erwogen.
Dabei liegen die Vorteile klar auf der Hand, weil nur noch die Linien 4, 6 und 8 die Domsheide queren müssten, beide Seite der Gleistrasse begrünt werden könnten und plötzlich viel Platz z.B. für Gastronomie vor der Glocke und vor dem unteren Teil der Alten Post entstehen könnte. Die Domsheide könnte wieder ein Platz mit Aufenthaltsqualität werden, und wäre durch diese Umgestaltung für eine positive Entwicklung der Innenstadt zurückgewonnen.
Auch ein anderer ähnlicher Vorschlag wurde kommentarlos ignoriert. Dabei handelt es sich um eine modifizierte Lösung für die Nord-Umfahrung der Innenstadt, die ebenfalls den Umsteigepunkt von der Domsheide zum Schüsselkorb verlegen würde, aber dann über Knochenhauerstraße, Papenstraße zur Hutfilterstraße und zum Brill geführt hätte, wobei die geplante Neuordnung des Bereichs Parkhaus Mitte ebenfalls hätte integriert werden können.
Hintergrund dieser Idee sind die breiten Straßenräume, die bei der Wiederaufbauplanung nach dem Kriege zur Herstellung eines inneren Autostraßenrings festgesetzt wurden (neben Balgebrück- und Violenstraße, auch Knochenhauer-, Papen- und Pieperstraße). Anstatt für Autos hätte man so den Platz für den öffentlichen Nahverkehr nutzen können, um das Zentrum von der Straßenbahn frei zu halten.
Auch wenn jetzt so getan wird, als ob es keine lohnenswerten Alternativen zu den sich unversöhnlich gegenüberstehenden Vorschlägen gäbe, stimmt dies nicht. Es fehlt nur der politische Wille, im Sinne einer zukunftsfähigen, funktionierenden Stadt weiterzudenken. Das Anliegen, eine Aufwertung der beschädigten öffentlichen Räume vorzunehmen, hat der Senat ohne Not erkennbar aufgegeben. Auch die neue Senatorin für Stadtentwicklung, Bau und Mobilität ficht das Thema leider nicht an.
Ich lege deshalb der interessierten Öffentlichkeit einen Kompromissvorschlag vor, der die Schwächen der jetzigen beiden Vorschläge entschärft und auch die Anforderungen der Behindertenverbände an die Barrierefreiheit, wie auch die Wiedergewinnung des Platzes vor dem Konzerthaus jedenfalls deutlich besser als jetzt umsetzt.
Mein Vorschlag: Die Doppelhaltestelle für die Linien 4, 6 und 8 wird aufgegeben und durch zwei kurze Haltestellen (Flächen im dunkleren Gelb) ersetzt. Eine für die Linie 6 und Busse im oberen Teil der Balgebrückstraße nahe Kirkeby-Turm, und eine zweite für die Linien 4+8 auf der Domsheide vor der Volksbank. Dann muss die Haltestelle für die Linien 2+3 in den Bereich zwischen McDonalds und Kapitel 8 verlegt werden, wo heute bereits eine Bedarfshaltestelle bei Umleitungen besteht. Die 3 Haltestellen würden also nahezu im Kreis angeordnet und die Umsteigewege sind nicht länger als 20 bis 30 Meter, jedenfalls deutlich kürzer als die bis zu 200 Meter langen Umsteigewege gemäß Senatslösung 2.3.
Der Senat will aber keinen Kompromiss, sondern seinen untauglichen Vorschlag 2.3 auf Biegen und Brechen durchsetzen. Immer schön an den Bedürfnissen der Bevölkerung vorbei und immer weitere und höhere Kosten produzierend. Bremen hat’s ja offensichtlich. Der Senat handelt frei nach der Maxime: „Wer was will, sucht Wege, wer nichts will, sucht Gründe.“ (Harald Kostial)
Dieses Handeln des Senats schadet der Stadt auch auf andere Weise. Die BSAG wird wie angekündigt im Sommer 2025 die schadhaften drei Weichen austauschen, ohne bereits nach einem neuen Plan die beabsichtigten Flüsterschienen bauen zu können, weil dieser noch gar nicht existiert.
Das bedeutet: zweimal zahlen – einmal jetzt für die neuen Weichen und irgendwann erneut für die endgültige Neugestaltung – der Domsheide, die bereits unter Bürgermeister Carsten Sieling erfolgen sollte!“
Bernhard Lieber
ZITAT Ende
Liebe Leserschaft, ich hoffe, dass die Diskussion jetzt an Fahrt aufnimmt und intensiv geführt wird, damit endlich g e b a u t werden kann.
Munter bleiben!
Herzlichst
Ihr Axel Schuller
P.S.: Ich kündige bereits jetzt an, dass ich mich im nächsten Blog-Eintrag mit einem zunehmend strittigen Thema beschäftigen werde – der Rolle der Medien.
Die Domsheide ist zur Zeit ein Ort in Bremen, den man am besten meidet. Das ist insofern sehr schade, als dass hier der Eingang Richtung Schnoor und Richtung Innenstadt gleichermaßen stattfindet. Wer an der Domsheide aussteigt, tut gut daran, so schnell wie möglich diesen ungastlichen Ort zu verlassen. Das ist auch schade für die wenigen Einzelhändler vor Ort.
Im Jahr 2015 gab es eine intensive Diskussion darüber, ob man die Straße „Am Wall“ für zusätzliche Parkflächen durch Untertunnelung der Straße und den Bau einer Tiefgarage nach Münchner oder Salzburger Vorbild nutzen könnte. Der BFW hat die Diskussion gemeinsam mit dem Bauindustrieverband und einigen anderen Verbänden sowie der IHK Bremen intensiv befeuert und sogar eine Machbarkeitsstudie in Auftrag gegeben. Von offizieller Seite (des Senats) wurde dieser Impuls aber nie aufgenommen oder kommentiert.
Der Vorschlag für den Umbau der Domsheide scheint mir sehr sinnvoll zu sein, zumal hier einer Begrünung der Kopfsteinpflasterwüste viel Raum gegeben würde und gleichzeitig die Wege für die Menschen, die umsteigen oder aussteigen, kurz gemacht werden würden. Ein echter Vorschlag mit viel Wissen aus der Praxis und damit für den Bremer Senat wohl nicht diskussionswürdig. Leider.
PS.: Es gibt dort Außengastronomie – bei McDonalds.
Dank an Bernhard Lieber, der es noch nicht aufgegeben hat, der politischen Engstirnigkeit in Bremen etwas entgegen zu setzen.
Dank auch für den Einsatz und die Alternativ-Bebauungsvorschläge für das Klinikum Bremen Mitte, um den größt-möglichen Baumbestand zu erhalten. Auch diese hat die grün geführte Behörde jahrelang ignoriert, mit dem Ergebnis, dass drei Viertel der reifen und größtenteils gesunden Bäume als „alternativlose Lösung“ weichen mussten, obwohl auf mehreren Bannern mit dem „grünen Hulsbergviertel“ geworben wird.
Was auf diesem Gelände passiert, wäre auch eine Recherche/einen Blogeintrag wert. Dort wird gerade die alte Augenklinik für eine vergleichsweise geringe Summe an Investoren verkauft, danach von der Stadt zur Benutzung für die Schule an der Lessingstrasse Straße zurückgeleast (die aus allen Nähten platzte, aber das wusste man vor dem Verkauf „natürlich“ nicht) und auf Steuerzahlerkosten unter Denkmalschutzauflagen renoviert. Kosten, im Vergleich zum Gewinnerlös, konnte man auf Nachfrage nicht nennen, da sich dieses Projekt über mehrere Haushaltsbudgets hinziehe, und diese erst zusammengerechnet werden müssten…
Ein idealer Kompromissvorschlag! Die Wege beim Umsteigen würden kürzer statt länger (und das freut nicht nur Behinderte); die Kosten wären überschaubar; die Arbeiten könnten schnell beginnen; und die lauten Straßenbahnen hätten weiterhin etwas Abstand zur „Glocke“. An der neuen Haltestelle vor McDonalds (bisher immerhin schon eine Ausweichhaltestelle) würde es zwar etwas eng – aber das wäre weniger schlimm als die weiten Fußwege beim Umsteigen, wie sie beim Senatsvorschlag nötig wären. Hoffentlich greifen Akteure wie der Landesbehindertenbeauftragte, die Handelskammer, die City-Initiative, die Verkehrsverbände und vielleicht auch die BSAG diesen Vorschlag auf und unterstützen ihn öffentlich. Dann würden hoffentlich auch die lokalen Medien breiter darüber berichten, und dem Senat fiele es schwerer, seine bevorzugte Variante durchzuboxen.
Ja, Bürgermeister Sieling hat einst die Domsheide zur Chefsache erklärt, aber die Stadtplanung oblag dem grünen Senator und der grünlichen Stadtbaudirektorin. Auch Bürgermeister Bovenschulte musste das grüne Personal akzeptieren, insbesondere die sehr spezielle Senatorin für „Klimaschutz, Umwelt, Mobilität, Stadtentwicklung und Wohnungsbau“ mit den seit 2007 grün dominierten Beamten und Angestellten dieser Behörden. Die neue Fachsenatorin (SPD) kommt aus Kiel und vollendet die bisherigen Planungen.
Was meint nun Chefsache? Hat der gut durchdachte Vorschlag von Bernhard Lieber eine Chance aufgegriffen, diskutiert und zügig realisiert zu werden?
Da können jede Menge guter und sehr guter Lösungen für die Domsheide kommen: der Senat ist PLEITE !! Nicht nur finanziell sondern auch bei dem Auffinden guter Ideen. Man diesen Senat nur noch ablösen.
Eine Ergänzung: Die Fahrradroute könnte Dechanatstraße – Marktstraße – Marktplatz (vor der Bürgerschaft und zwischen Rathaus/Dom) sowie vor der Handelskammer (wie bisher) verlaufen.
Dank und Anerkennung an Herrn Lieber für diesen Entwurf, den ich nicht nur inhaltlich – ich bin Laie – unmittelbar plausibel, sondern überdies auch zeichnerisch – ich kann mir sofort was darunter vorstellen – sehr gelungen finde. Ich befürchte, dass er den Weg vieler guter Vorschläge in Bremen nehmen und ignoriert werden wird. Bei meinem früheren amerikanischen Arbeitgeber nannte man das Syndrom, unter dem Bremer Senat und Verwaltung heftig leiden, das „Not invented here“-Syndrom. Sehr hartnäckig und schwer zu bekämpfen. Beweis: Bremen kann in der schulischen Bildung, noch ungleich wichtiger als die Glocke, noch nicht einmal bei den eigenen Genossen in Hamburg abgucken und Rezepte übernehmen.
Herrn Lieber zunächst herzlichen Dank für seine fachlich und sozial sehr durchdachte Domsheide-Lösung, trotz des allseits zitierten
Bremer Sisyphos-Syndromes. Es leitet sich hieraus doch die einfache Frage ab:Ist der Bremer Senat bereits auf der Suche nach einem neuen Volk oder muss man die Frage andersherum stellen?