Regierungschef holzt wie ein breitbeiniger Partei-Soldat herum
Liebe Leserschaft, das Warten hat ein Ende. Geduldig hatte ich gehofft, dass wenigstens ein Lokal-Medium das unglaubliche Interview unseres Bürgermeisters mit dem Weser-Kurier mal einordnen würde. Aber nix. Kein Kommentar, kein Leitartikel. Dr. Andreas Bovenschulte kann sich in diesem Ländchen offenbar alles erlauben. Die von ihm frontal angegriffene Opposition wurde im WK mit einer Mini-Replik abgefertigt. Dabei hat Bovenschulte eindeutig Grenzen überschritten. Das schlimmste: Er hat sich nicht wie ein Regierungschef aller Bremer m/w, sondern sich wie ein breitbeiniger Partei-Soldat benommen.
Sie erinnern. Der Bürgermeister hat in dem Interview der FDP „Sabotage“ am Stahlwerk, beziehungsweise dessen Umrüstung, vorgeworfen. Auf die Idee muss man erst mal kommen. Eine fünf-Prozent-Partei „sabotiert“ die Umstellung von ArcelorMittal auf Wasserstoff-gestützte Fertigung. Welch ein Hohn. Ist dem Bürgermeister entfallen, dass sich die indischen Eigentümer bis heute nicht zur Umstellung im Bremer Werk geäußert, oder gar verpflichtet haben? Die Familie Mittal beobachtet vermutlich die in Deutschland noch immer viel zu hohen Stromkosten…
Die CDU hatte Bovenschulte wegen ihres berechtigten Misstrauensvotums gegen die Bildungssenatorin kurzerhand eines „Sommertheaters“ bezichtigt. Noch heftiger: Er macht “sich da fast ein bisschen Sorgen um die inhaltliche Qualität unserer Opposition“.
Frecher geht’s kaum. Da klang schon fast die triefende Überheblichkeit eines Sonnenkönig Ludwig XIV durch.
Konsequente, gar hartnäckige Nachfragen gab es im Interview nicht. So konnte Bovenschulte die Opposition unwidersprochen abledern.
Es ist ein Unding, dass ein „Landesvater“ Parlamentarier in dieser Form herunterputzt.
So etwas kann mal in einer erregten Debatte, aber nicht in einem Interview passieren, das Bovenschulte üblicherweise zum Autorisieren erhalten haben dürfte. Dieses Verfahren lässt keine sprachlichen Ausrutscher zu.
Die SPD von Andreas Bovenschulte hat bei der vorigen Bürgerschaftswahl mal gerade 29,9 Prozent der Stimmen erhalten. Seine Aufgabe ist es, alle Bremer m/w zu vertreten. Seine überheblichen Gebärden in dem WK-Interview entsprechen dieser Anforderung an einen Ministerpräsidenten in keiner Weise.
Dabei hat der Bürgermeister wahrlich genug Themen auf dem Zettel: Bremen ist inzwischen eine Kriminalitäts-Hochburg. Man muss sich das mal vorstellen: Menschen meiden innerstädtische Orte wie den Hillmannplatz aus Angst vor Überfällen. Die Sparkasse will dort eine aufwändig renovierte Immobilie aus Sorge um ihre Kunden und Mitarbeiter aufgeben! Bei der Bildung ist Bremen bei allen Vergleichen stets am Ende. Bei der Integration von Ausländern hakt es an vielen Ecken. Bremens Verwaltung stellt sich regelmäßig selbst ein Armutszeugnis aus. Apropos Armut: Auf diesem Feld liegen wir leider auch an der Spitze. Die Stadt ist viel zu dreckig.
Herr Bürgermeister Bovenschulte, wie können Sie angesichts dieser Tatsachen bloß so selbstzufrieden sein?
Die Rolle des parteilichen Einpeitschers nehmen in normalen Bundesländern (mit funktionierenden Parteistrukturen) die Landesvorsitzenden, wenn’s sein muss, auch die Fraktionschefs der jeweiligen Parteien wahr – aber doch nicht der Regierungschef.
By the way: Will sich der Bürgermeister mit diesem miesen Stil auf alle Zeit an Grüne und LINKE ketten? Sein jüngstes Verhalten dürfte jedenfalls Kontakte zu einem irgendwann doch denkbaren Koalitionspartner CDU schwer belasten.
Liebe Leserschaft, der finanzpolitische Sprecher der CDU, Jens Eckhoff, hat auf Bovenschultes unseriöse Attacke eine Antwort formuliert, von der jedoch nur Bruchteile veröffentlicht wurden.
Ich dokumentiere diese in einem Extra-Stück unter dem heutigen Blog. Und weil ich ja kein teures Papier damit bedrucken muss, hänge ich die Reaktion der FDP ebenfalls an. So können Sie sich selbst ein Bild machen.
Munter bleiben!
Herzlichist
Ihr Axel Schuller
P.S.: In einem Punkt muss ich Andreas Bovenschulte übrigens Recht geben. Mehrere CDU-Fachpolitiker haben in der Vergangenheit staatliche Gelder für Nonsens, etwa für Public-Viewing zur EM, gefordert, für die Bremen nun wirklich kein Geld hat.
Außerdem möchte ich Sie erneut ermuntern, die Kommentare zu den vorigen Blog-Stücken nachzulesen. Immer wieder lohnend!
Worum geht es? https://www.weser-kurier.de/bremen/politik/interview-bremer-buergermeister-staerkt-bildungssenatorin-den-ruecken-doc7wjrp1o7zw6483rsox6#commentsModule Es ist übrigens nicht ganz richtig, das der WK das Interview nicht hat kommentieren lassen. Es gab zahlreiche eindeutige Kommentare; allerdings in der Tat nicht als Meinungsbeitrag von JournalistInnen, sondern von den LeserInnen online in den Kommentaren. Siehe auch: https://www.weser-kurier.de/bremen/politik/bremen-interview-mit-bovenschulte-opposition-reagiert-mit-empoerung-doc7wkd34jxprprlqmdhii Am besten trifft es folgender Kommentar: »Arroganz ist ein Zeichen von Überforderung und Versagen.«. Abgesehen davon: Das Interview hat ein zweite Ebene. Es ist neben placeboartiger Beschwichtigung der Bevölkerung zugleich primär intern an die eigenen Partei adressiert. Nach dem Motto: Seht mal, wie ich es der Opposition zeige, die ich gar nicht erst nehme. Ich bin für die Bremer SPD für den Regierungserhalt unverzichtbar, was übrigens auch richtig ist.
Das Handeln Bovenschultes und sein Umgang mit Kritik machen den erschreckenden Mangel an Selbstreflexion deutlich, mit dem man es hier zu tun hat. Alle anderen sind schuld, nur diejenigen, die die Macht und die Verantwortung haben nicht. Aber, wie heißt es so trefflich, der Fisch fängt am Kopf an zu stinken.
Zu: >> Die SPD von Andreas Bovenschulte (CK: genannt Bovenschulden) hat bei der vorigen Bürgerschaftswahl mal gerade 29,9 Prozent der Stimmen erhalten. << Anders nachgerechnet könnte es heißen: Die amtierende, linke Bremer Dreier-Koalition hat zusammen ca. 28 % der Stimmen der seinerzeit in 05/23 insgesamt Wahlberechtigten (!) erhalten; d.h. umgekehrt, sie ist von rd. 72 % der zur Bremer Wahl Zugelassenen eben nicht legitimiert worden! Spiegelt dies noch politische Mehrheiten wider? Die alte Forderung des Kölner Kabarettisten Jürgen Becker ist m.E. richtig, dass der Prozentsatz der bewussten Nichtwähler von den zur verteilenden Sitzen in der Bürgerschaft/den Parlamenten abgezogen werden müsste. Diese wollen einerseits offensichtlich nicht parlamentarisch vertreten sein und die restlichen, verbleibenden Parlamentarier könnten andererseits die dortigen Aufgaben auch mit weniger Abgeordneten bewerkstelligen. Dies sieht man ja z.B. an den ständig nur höchstens halbvollen Bundestagssitzungen.
Mal wieder ein echter “Bovenschulte”. Nichts zu sagen in Bremen (keine Richtlinienkompetenz!) und trotzdem große Sprüche klopfen. Herr Bovenschulte werden Sie deutlich demütiger! Dann dürfen Sie auch wieder für alle Bremer sprechen.
A. Bovenschulte:
Zu allem fähig, zu nichts zu gebrauchen.