Dokumentation: Gedanken von Weser-Kurier-Lesern zum Krieg in der Ukraine
Liebe Leserschaft, Sie haben bereits hinlänglich Erfahrungen mit meiner Denke gesammelt. Ich wünsche mir so sehr, dass unsere Medien Themen aus unterschiedlichen Blickwinkeln betrachten. Beim Krieg gegen die Ukraine geschieht dies häufig nicht. Der Weser-Kurier hat in seiner Wochenendausgabe eine Ausnahme gemacht. Na ja, nicht die Redaktion, aber einige Leserinnen und Leser konnten sich äußern. Immerhin.
Ich dokumentiere hier einige Leserzuschriften, die vom journalistischen Mainstream deutlich abweichen. Die Leserinnen und Leser setzen sich darin kritisch mit der Meinung des WK-Autoren Markus Peters auseinander.
Erste Zuschrift:
„Es gehört zu den schlechtesten Angewohnheiten unserer Zeit, abweichende Meinungen als „Verschwörungserzählungen“ abzutun, um über unbequeme Gegenargumente möglichst nicht reden zu müssen oder um das Gegenüber zu diskreditieren. Markus Peters schreibt, die Ukraine habe überhaupt erst seit dem Überfall Russlands eine Perspektive innerhalb der Nato und die Nato-Osterweiterung generell wenig mit dem Ukrainekrieg zu tun.
Zur Erinnerung: 2008 wurde auf dem Nato-Gipfel in Bukarest offiziell erklärt, dass die Ukraine Nato-Mitglied werden solle. Putin sagte im Anschluss ganz klar, dass Russland die Nato-Mitgliedschaft der Ukraine als direkte Bedrohung seiner Sicherheit betrachte, und drohte mit ernsten Konsequenzen, sollte das weiter verfolgt werden.
Und diese Sichtweise ist ja nun auch nicht so weit hergeholt – man stelle sich nur einmal vor, Russland würde seine Raketen beispielsweise im Golf von Mexiko platzieren. Nicht auszudenken, wie die USA auf so etwas reagieren würden. Für eine ungefähre Vorstellung: vergleiche Kuba-Krise.
Markus Peters kann natürlich anderer Ansicht sein, aber die meines Erachtens sehr fundierte Sichtweise, dass die drohende Nato-Erweiterung sogar sehr viel mit dem Einmarsch russischer Truppen in der Ukraine zu tun hat, mal eben so als Verschwörungserzählung abzutun ist schon, vorsichtig ausgedrückt, sportlich.“
Zweite Zuschrift:
„Am Abend des 24. März 1999 habe die Nato den ersten Krieg in ihrer Geschichte begonnen, schrieb die Neue Zürcher Zeitung (NZZ) 20 Jahre danach in einem Rückblick. Ziel sei es gewesen, die jugoslawische Armee zum Abzug aus dem Kosovo zu zwingen. Weiß der Autor des Kommentars nichts von diesem völkerrechtswidrigen Angriffskrieg der Nato unter deutscher Beteiligung? Oder meint er, das sei gar kein Krieg gewesen? Vielleicht eine „militärische Spezialoperation“?
Eine kürzliche Forsa-Umfrage kommt zum Ergebnis, dass eine knappe Mehrheit der Bundesbürger gegen die Konfrontationspolitik gegenüber Russland ist. Eine knappe Mehrheit wünscht sich Diplomatie statt Eskalation. Warum spiegelt sich das nicht in der Zeitung wider? Warum werden fast nie die Militärs zitiert, die die Nato-Politik für brandgefährlich halten? Arbeiten die Medien daran, dass künftig immer weniger Menschen Kriegsgegner sind? Warum? Liegt es daran, dass 80 Prozent der Mittel, mit denen die großen transatlantischen Thinktanks finanziert werden, von den weltweit führenden Rüstungskonzernen kommen?“
Dritte Zuschrift:
„Es ist eben nicht, wie Markus Peters behauptet, nur eine weit verbreitete Verschwörungserzählung unserer Zeit, dass der Krieg in der Ukraine eine Reaktion Russlands auf die immer weiter in den Osten vordringende Nato sei, sondern eine Tatsache. Dafür gibt es glaubwürdige Zeugen wie William J. Burns, ehemals US-Botschafter in Moskau und heute CIA-Chef unter Präsident Biden. Er verweist in seinem Buch „The Black Channel“ auf die Mitverantwortung des Westens für die heutige Lage.“
Vierte Zuschrift:
„Wieder einmal bin ich erschrocken über die Art der Bewertung von geschichtlichen Ereignissen, um die Ursachen des Ukrainekrieges zu beschreiben und dies als Begründung dafür zu benutzen, dass der Konflikt nur mit noch mehr kriegerischen Mitteln gelöst werden kann. Zum Thema Stationierung Mittelstreckenraketen empfehle ich das Buch „Nationale Interessen“ von Klaus von Dohnanyi, der als mitwirkender Zeitzeuge beim Nato-Doppelbeschluss die nationalen Interessen vor allem der USA beschreibt und dass das Risiko in Kauf genommen wurde, dass Deutschland zum Schauplatz eines Atomkrieges wird.
Die Geschichte lehrt uns, dass es am Ende jeden Krieges zu Verhandlungen kommt. Es gab noch eine Zeit der Drohgebärden Putins – Manöver an der ukrainischen Grenze – vor Beginn des Krieges. Friedliebenden Menschen, die Gespräche mit Putin einforderten, wurde unterstellt, sie wären auf seine Narrative hereingefallen.. Es war auch häufig zu hören, dass Putin nur die „Sprache der Härte“ (Norbert Röttgen, 2020) versteht! Am 22. Februar 2022 sind russische Truppen in den Donbass einmarschiert. Welche Entwicklung wäre möglich gewesen, wenn man Putin ein Gesprächsangebot zum Thema Nato-Osterweiterung und zur Einhaltung des Minsker Abkommens gemacht hätte?“
Fünfte Zuschrift:
„Der Ukrainekrieg ist auch ein Konflikt zwischen den Nato-Staaten und der Atommacht Russland. Bisher haben viel zu viele Ukrainer ihr Leben verloren. Um einen Weg zu einer nicht rein militärischen Lösung des Konflikts zu finden, wäre es hilfreich, wenn in der öffentlichen und veröffentlichten Meinung die geopolitischen Interessen und Sicherheitsbedürfnisse der beteiligten Staaten nicht tabuisiert würden.
Auch in diesem Kommentar wird der Eindruck erweckt, dass die Nato-Staaten sich erst nach Beginn des Ukrainekriegs im Februar 2022 militärisch in der Ukraine engagiert hätten. Das Gegenteil ist der Fall. Dass dies keine Verschwörungserzählung ist, belegt ein Blick auf die Internetseite der Landeszentrale für politische Bildung Baden Württemberg. Dort ist unter anderem zu lesen, dass die Nato-Ukraine-Charta vom Juli 1997 die Grundlage der Zusammenarbeit zwischen der Nato und der Ukraine bildet. Mit der Änderung der Verfassung im Februar 2019 hat die Ukraine die Mitgliedschaft in der EU und in der Nato zum Staatsziel mit Verfassungsrang erhoben. Seit 2021 gehört die Ukraine ferner zu jenen Ländern, die im Rahmen des „Individual Partnership Action Plan“ von der Nato Unterstützung erhalten. Bereits zwischen 2014 und Februar 2022 hat allein die USA nach einem Bericht der Neuen Zürcher Zeitung von 2022 der Ukraine 2,7 Milliarden Dollar Militärhilfe zugesprochen.“
Sechste Zuschrift:
„Man ist also ein Verschwörungsanhänger, wenn man der Meinung ist, dass die Osterweiterung der Nato einen Einfluss auf diesen Krieg hatte? Es ist in meinen Augen naiv, wenn man denkt, es hätte keinen Einfluss gehabt.
Jede Supermacht hat ihre rote Linie. Die USA, China und natürlich auch Russland. Diese roten Linien mag keiner, aber sie sind Fakt und können durch Kriege verschoben werden oder durch eine umsichtige Diplomatie und schrittweise Annäherung.
Im September 2021 hat die Nato mit 6000 Soldaten in der Ukraine eine Militärübung durchgeführt. Vor der Haustür Russlands und vor dem Hintergrund des bereits andauernden Krieges mit den pro-russischen Separatisten in der Ostukraine. Das hat nichts zu tun mit Diplomatie, sondern heißt, Öl ins Feuer zu gießen.
China und die USA haben keinerlei Interesse daran, diesen Krieg zu beenden. Dieser Krieg schwächt ihren größten Konkurrenten im geopolitischen Machtkampf in Asien und vor allen Dingen in Afrika. Nur Europa hat ein wirkliches Interesse daran, hier eine baldige Lösung herbeizuführen, und anstatt Milliarden Euro für den Krieg auszugeben, sollten wir nach anderen Lösungen suchen.
Dafür bedarf es allerdings erfahrener Diplomaten und Diplomatinnen mit Rückgrat und Beziehungen und keiner selbstverliebten Politiker und Politikerinnen, die sich in ihrem Selbstverständnis noch in der Kolonialzeit wähnen.“
ENDE der zitierten Briefe.
Ich bedanke mich beim Weser-Kurier, dass er diese Meinungen aus seiner Leserschaft veröffentlicht hat. Ich bringe sie als Doku in meinem Blog, weil ich als Zeitungs-Redakteur früher häufig die Erfahrung gemacht habe, dass Leserbriefe nur von einem Bruchteil der Leserschaft wahrgenommen wurden.
Herzlichst
Ihr Axel Schuller
Es tut gut zu wissen, dass auch WK-Leser dieselbe Überzeugung haben, wie ich und sie auch sehr gut begründen und belegen können!
Eine knappe MEHRHEIT ist gegen den Ukraine-Krieg. Ich auch! Nur – wie schaffen wir es, dieses Mehrheitsvotum in politisches Handeln zu gießen?
Übrigens, es schadet nichts, seinen Gegner zu verstehen. Um so besser kann man mit ihm verhandeln! Um so besser könnten die Verhandlungsergebnisse sein. Für BEIDE Kriegs-Parteien!!