Verzweifelte der Haushaltsbeauftragte an der Realitätsverweigerung seiner Senatorin?
Frage an Radio Erwin: Verursacht eine eingeschränkte Wahrnehmung der Realität Schmerzen? Antwort: Im Prinzip ja. Es sei denn, man schließt die Augen und/oder: Genossen halten Händchen. Liebe Leserschaft, Bremens wichtigste, aber leider erfolglose Bildungssenatorin Sascha Aulepp (SPD), müsste eigentlich häufig vor Schmerzen stöhnen. Verstöße gegen Haushaltsrecht, Aufbegehren von eigenen Mitarbeitern, Haushaltsloch, verstolperte Umzugspläne ganzer Schulen (am Brill), Brutalst-Kritik des ZentralElternBeirates – was hält die Psyche eines einzelnen Menschleins denn noch alles aus? Selbst, wenn der Bürgermeister – wider heftige Fakten – zu einem steht.
Die Einzelteile des Aulepp-Puzzles sind bekannt, aber dass Gesamtwerk kann dem Betrachter schon den Atem rauben. Die Krönung steuerte jüngst der „BfH“ des Ressorts für Kinder und Bildung bei. Jedes Senatsressort muss laut Landeshaushaltsordnung, Paragraf 9, einen „Beauftragten für den Haushalt“ – BfH – benennen.
Dieser hatte in einem internen Vermerk für Aulepp expressis verbis aufgeschrieben: „… wird nach jetzigem Stand spätestens im Monat Oktober die absolute Zahlungsunfähigkeit erreicht“.
Damit seine Chefin die alarmierenden Wörter auch bei flüchtiger Betrachtung wahrnehmen konnte, hatte es der BfH (so, wie von mir wiedergegeben) gefettet.
Was sagt das über die Fähigkeit der Senatorin aus, Fakten an sich heranzulassen?
In öffentlichen Haushalten gibt es den Begriff „Zahlungsunfähigkeit“ nicht. Der Staat kann nicht pleite gehen. Er ist immer kreditwürdig. Der „BfH“ hat das Wort wohl aus purer Verzweiflung gewählt, damit die Ressortchefin aufgeschreckt wird und endlich die Augen für die Realität öffnet.
Der Satz mit dem Begriff Zahlungsunfähigkeit steht übrigens in einem 42-seitigen Controllingbericht. Diese Unterlage wurde den Mitgliedern des parlamentarischen Haushalts- und Finanzausschusses (HaFa) erst kurz vor dessen Sitzung am vorigen Freitag, um 14.30 Uhr, vorgelegt.
Dies allein, ist eine unverfrorene Frechheit. Wer soll in einer halben Stunde eine derartige Fach-Unterlage lesen und erfassen?
Zuvor hatte sich das Ressort stets gedrückt, konkrete Defizit-Zahlen zu nennen. Erst waberte die Zahl von 101 Millionen Euro an Miesen durch Bremen, dann 80, jetzt angeblich „nur“ 45 Millionen Euro. Zum Ende ihrer Befragung teilte Aulepp dann noch verwirrend mit, 13 Millionen Euro seien versehentlich doppelt gebucht worden. Was immer dies nun wieder heißen soll.
Fest steht: Das Bildungsressort hat von Beginn an mit Zahlen operiert, damit der eigene Haushalt „irgendwie“ in den Gesamthaushalt des Senates passte – leider fern der Realität.
Bürgermeister Dr. Andreas Bovenschulte ist seiner Genossin dafür offenbar so dankbar, dass er sich blindlings vor Sascha Aulepp stellt. Der Regierungschef brachte sogar die Chuzpe auf, am Freitag, eine halbe Stunde nach Beginn der HaFa-Sitzung seine „Bürgermeister News“ zu veröffentlichen. Kern dieser Botschaft aus dem Rathaus: Der Bildungshaushalt sei „auf Kante genäht“. Wörtlich: „Da kann es vorkommen, dass es mit der eigenen Kalkulation eng wird.“
Aha, ganze fünf Wochen nach Verabschiedung des Etats im Parlament.
Vorschlag: Bremische Behörden führen mittlerweile elektronische Akten. Der HaFa könnte mal sein Recht zur Akteneinsicht nutzen. Und zwar durchaus Einblick für den Zeitraum ab Haushaltsaufstellung verlangen, ab Juli/August vergangenen Jahres. Dann könnte der Ausschuss herausfinden, ob Aulepp möglicherweise bereits damals Hinweise auf ein 2024 drohendes Defizit von 140 bis 160 Millionen hatte. Der HaFa könnte auch mal der Frage nachgehen, ob Beamte des Bildungsressorts gegen unrealistische Planungen und Handlungen der politischen Spitze „remonstriert“, also schriftlichen Protest eingereicht haben – Beamte dürfen ja nicht einfach die Arbeit verweigern. Hat es möglicherweise sogar Fälle gegeben, in den Aulepp-Mitarbeiter aus der Verantwortung geflohen sind?
An sich müssten diese und weitere Fragen von einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss geklärt werden. Doch diesen Mega-Aufwand scheuen Bürgerschaftsabgeordnete, auch oppositionelle.
Die von mir bereits eingangs angesprochene heftigen Abrechnung des ZentralElternBeirates des Landes Bremen finden Sie in einem Extra-Stück. Titel: „Dokumentation: Brutalo-Kritik der organisierten Elternschaft an Aulepp und Bovenschulte”
Munter bleiben!
Herzlichst
Ihr Axel Schuller
P.S.: Deutschlandweit gibt es mehr Ausbildungsplätze als Lehrstellen-Suchende. Die Zahlen für den Arbeitsamtsbezirk Bremen (Bremen, Bremerhaven und OHZ): Die Unternehmen haben 5.224 Lehrstellen gemeldet, es gibt aber nur 4.715 Bewerber.
Unser glorreicher Senat hält dennoch an seinem Plan zur Einführung einer Landes-Ausbildungs-Zwangsabgabe fest. Diese soll im Kern dafür sorgen, dass die Wirtschaft zusätzliche Lehrstellen bereitstellt. Für Bewerber, die es heute schon nicht in ausreichender Zahl gibt. Das nennt sich wohl „Bremer Mathematik“.
Der Bremer Senat:
„Zu allem fähig, zu nichts zu gebrauchen.“
Geld schießt Tore. Deshalb haben Fußballvereine mit viel Geld auch größere Chancen auf Titel. Eine gute Bildungspolitik braucht Lehrkräfte. Daran mangelt es. Den Personal kostet viel Geld. Und die Schuldenbremse schiebt der Einstellung von Lehrkräften einen Riegel vor. Auch deshalb hat die Bildungssenatorin das schwierigste Amt in diese Regierung. Deshalb zweifle ich, dass Politikerinnen oder Politiker aus anderen Parteien es besser machen könnten. Zumindest ist mir kein konkreter Vorschlag bekannt, der den Bildungnotstand im Lande Bremen wirkungsvoll angehen könnte. Der handlungsstarke und unheimlich fleißige Willi Lemke wurde 1999 von Henning Scherf als Bildungssenator in den Senat geholt, um bessere Ergebnisse zu erzielen. Er hat sich wie kein anderer bemüht und doch hat auch ihn die Schuldenbremse ausgebremst. Und ich kenne keinen Bremer Politiker mw, von dem ich gehört habe, dass er gerne dieses Amt übernehmen würde.
Natürlich ist es das Recht und die Pflicht von Journalisten, die jeweiligen Regierungfelder kritisch zu beleuchten und die verantwortlichen Personen zu kritisieren. Aber kritische Betrachtungen und konkretes Handeln sind gerade in diesem Feld zwei sehr unterschiedliche Welten.
Ich bleibe an der Sache dran!
Piet Leidreiter
BD Fraktion
Mitglied des Hafa
Die “Ausbildungsplatzabgabe” kann von Frau Aulepp jetzt ja als Gegenfinanzierung eingesetzt werden. Begründng: Herr Bovenschulte wird eine finden. Ich biete eine besonders dreiste an: damit aus Schülern Auszubildende werden, müssen die Klasssenräume beheizt werden. Haltet Ihr für unwahrscheinlich? Warten wir es ab!
Wenn der Gang zu den Bürgerschaftswahlen nichts ändert, vielleicht ändert nicht Wählen etwas?
Ich möchte die Ursache für die schlechte Arbeit nicht (nur) an der Schuldenbremse festmachen.
Umwelt; gefühlt wurden noch nie so viele Bäume in Bremen gefällt wie unter Grüner Regierungsbeteiligung,
Umsetzung Hitzeschutzplan?
Schulpolitik; PISA Ergebnisse waren für Bremen schon immer unterdurchschnittlich. Blick nach Hamburg ist hilfreich.
Zum Kommentar von Helmut Hafner:
Is klar, wieder mal sind die anderen Schuld.
Diesmal sind es beispielsweise diejenigen, die nicht den Beruf als Lehrerin oder Lehrer aufnehmen wollen. Nein, doch nicht so richtig. Es liegt am fehlenden Geld. Sicher? Die Schuldenbremse eignet sich inzwischen wunderbar als Projektionsfläche für alles Mögliche. Hier soll sie nun herhalten für grottenschlechte Bildungspolitik. Sieh da, sieh da. Damit wird unterstellt, dass mehr Geld auch zu besseren Ergebnissen führt. Das ist wirklich sehr einfach, Herr Hafner. Wie können Sie da so sicher sein? Es kommt – wie bei vielen anderen Themen auch – auf die Priorisierung an. Aber wenn Premiumrouten und diverse Verkehrsversuche wichtiger sind als die Zukunft unserer Kinder und Enkel, dann darf man sich nicht wundern! Erschwerend kommt hinzu, dass die Spitzen der Bildungsbehörde offenbar nicht einmal die Grundrechenarten beherrschen. Wie sonst ist zu erklären, dass die Übersicht über die vorhandenen Mittel eine nicht lösbare Aufgabe darstellen und ganz überraschend festgestellt wird, dass das vorhandene Geld nicht reicht? Möglicherweise liegt bei den handelnden Personen wegen fehlender Kompetenz der Hase im Pfeffer und nicht beim angeblich fehlenden Geld. Sonst wäre ja Bayern München auch wieder Meister geworden und nicht Bayer Leverkusen.
Es sei ein schwieriges Amt, das niemand gerne machen möchte. Aber: Wer eine schwierige Aufgabe übernimmt, weiß das vorher und sollte bereit sein, sich tief in die Materie einzuarbeiten. Wer feststellt, dass es zu schwierig ist und es immer und immer wieder von außen bestätigt bekommt, sollte aufhören mit nichtssagendem Politikersprech, sondern zurücktreten, damit überhaupt eine Chance auf einen Neuanfang besteht. Aber ein Geradestehen für das, was man anrichtet, ist aus der Mode gekommen. Persönliche Konsequenzen sind nicht mehr en vogue. Es geht, Herr Hafner, auch nicht darum, ob jemand fleißig ist oder nicht, das waren sowohl Frau Bogedan als auch Herr Lemke. Es geht um Strukturen und Fachkompetenzen, die bei den Vorgenannten absolut vorhanden waren, nicht aber um Quoten!
Und schließlich geht es auch nicht darum, handelnde Personen zu kritisieren um des Kritisierens Willen, sondern um etwas viel viel Wichtigeres. Wir dürfen es uns als Gesellschaft nicht leisten, Einzelpersonen zu schützen und ganze Generationen von Kindern und Jugendlichen ohne die nötigen Fähigkeiten ins Leben zu schicken. Die mangelnde Ausbildungsfähigkeit der Schulabsolventen wird immer deutlicher und lauter von den Betrieben bemängelt. Die Betriebe, die händeringend ausbildungsfähige Schulabsolventen suchen, mit einer Ausbildungsabgabe zu belegen, ist politischer Nonsens, weil sie ja gerne ausbilden würden, wenn’s denn genügend Bewerber gäbe.
Ich plädiere dafür, diejenigen, die sich so einen Job wie Bildungssenator oder Bildungssenatorin zutrauen, an ihren Ergebnissen zu messen. Im aktuellen Fall, naja, Sie wissen schon… Aber wenn das eigene Reflexionsvermögen nicht ausreicht, müssen sich die Betroffenen und Leidtragenden eben wehren und zwar heftig!!!
Wie gute Bildungspolitik geht, zeigt Hamburg sehr erfolgreich!
Da wächst das Geld auch nicht an Bäumen, aber rechnen muss man eben auch können!
Frau Aulepp und auch Herr Bovenschulte (auch wenn Sie in Bremen viel zu sagen, aber nichts zu bestimmen haben):
Der Begriff von Scham gegenüber der kommenden Generation(en) scheint Ihnen vollends abhanden gekommen zu sein. Sie denken ganz offensichtlich nur noch an sich und Ihre Diäten / Pensionen. Anders ist Ihr Verhalten nicht mehr nachzuvollziehen. Als Bremer Bürger sage ich Ihnen beiden, schämen Sie sich für die Zukunft der Kinder und Jugendlichen in diesem Bundesland. Das einzige, was mich etwas beruhigt ist, dass es immer mehr beunruhigte Eltern in die Peripherie von Bremen ziehen lässt (was Ihnen Herr Bovenschulte angesichts Ihrer früheren großmundigen Aussagen aus Weyhe besonders zu denken geben sollte!) oder die Kinder auf Privatschulen schicken. Es wird nicht mehr lange dauern, dass der Anteil von Migranten-Schülern in Bremen die 75%-Hürde überschreitet. Scheint wohl so gewollt.