Bleibt das Bremer Stahlwerk nur solange wie die Hochöfen durchhalten?
Wird das Bremer Stahlwerk von ArcelorMittal in den nächsten Jahren tatsächlich auf die umweltfreundliche Produktion mit Wasserstoff umgestellt? Oder halten die beiden Hochöfen – bei guter Pflege – noch 10 bis 15 Jahre durch? Und dann? Wird dann womöglich doch das Ende eingeleitet? Die zahlreichen persönlichen Reaktionen, die mich auf das vorige Blog-Stück zu ArcelorMittal erreicht haben, lassen mich (leider) am dauerhaften Fortbestand der Hütte an der Weser zweifeln.
Liebe Leserschaft, ich habe mit mir gerungen, ob noch einen zweiten Beitrag zum gleichen Thema veröffentliche. Mach ich aber, denn: Die Situation erinnert mich ein wenig an den Niedergang der AG „Weser“ Werft.
Haben Sie die ruhm- und traditionsreiche AG „Weser“ im Sinn? Die befand sich dort, wo man heute in der Waterfront shoppen geht.
Eine mögliche Parallele zwischen Werft und Hütte sehe ich in dem politischen Vor-Geplänkel. Es hat den Anschein, als würden sich viele Beteiligte schon mal vorsorglich in Position bringen.
Alle möchten (natürlich) am liebsten, dass das Stahlwerk der superreichen indischen Familie Mittal so schnell wie möglich auf Wasserstoff umgerüstet wird. Schon deshalb, weil allein dieses Werk mit seinen 3.500 Mitarbeitern jährlich 5 Millionen Tonnen CO2 in die Umwelt bläst. Auch wollen natürlich alle, dass möglichst viele Arbeitsplätze (mit guten Löhnen) erhalten bleiben.
Aber wie?
ArcelorMittal ist mit 68,5 Millionen Tonnen weltweit zweitgrößter Stahlproduzent. Die Klöckner-Werke AG hatte das Bremer Werk 1957 an der Weser gegründet. Es gilt als modernes Werk. Hat aber wie fast alle Stahlwerke das Manko, dass es noch mit Kohle und Koks arbeitet.
Auch nach Umstellung auf Wasserstoff werden Unmengen an Strom gebraucht, um ein transformiertes Werk zu betreiben. Der Bremer Wirtschaftswissenschaftler Prof. Jochen Zimmermann hat jüngst vorgerechnet, dass für nur zwei (statt bislang 3,5) Millionen Tonnen Stahlherstellung zwischen 6.000 und 9.000 Gigawattstunden Strom notwendig seien.
Und das bei den deutschen Strompreisen. ArcelorMittal verfügt allein in nächster Nachbarschaft über drei Stahlwerke – zwei in Frankreich und eines in Belgien. In beiden Ländern wird Großabnehmern Atomstrom zu Preisen von 3,5 bis 4 Cent pro KWh regelrecht „hinterher geschmissen“.
Keine guten Aussicht für Bremen und „seine“ Hütte. Oder wollen Bremen bzw. Deutschland den Strompreis für Massen-Verbraucher runtersubventionieren?
By the way: Mein „Kronzeuge“ im vorigen AM-Stück, Geert van Poelvoorde, kennt sich – wie ich jetzt erfuhr – in Bremen bestens aus. Er hat früher im hiesigen Werk zunächst als Abteilungsleiter und dann als Vorstand Technik gewirkt! Heute ist er Europa-Boss für den Stahlbereich von ArcelorMittal.
Sie erinnern sich, was er dem Fachdienst „hydrogeninsight“ gesagt hatte? Die Nutzung des viel zu teuren Wasserstoffes „würde uns aus dem Markt katapultieren“.
Vermutlich fragen Sie sich jetzt: Wo ist die Parallele zur AG „Weser“?
Als die Werft pleite ging, marschierten die Werftarbeiter zu Bürgermeister Hans Koschnick vors Rathaus, damit er die Werft mit ihren zuletzt 2.800 Arbeitsplätzen retten möge. Dabei hatte der Krupp-Konzern als Eigentümer über das Ende entschieden.
Weder der Senat noch erst recht nicht Hans Koschnick. Dem blutete 1979 das Herz, schließlich war er in Gröpelingen aufgewachsen.
Und jetzt? Weder der Weltkonzern ArcelorMittal, noch die europäische Zentrale, sondern der Bremer Werks-Vorstand hat den Antrag auf Zuschüsse zur Transformation gestellt. Bund und Land haben bereits 800 Millionen Euro zugesagt – aber das Werk will erst im nächsten Jahr 2025 alle notwendigen Detailpläne für den kostspieligen Umbau fertigstellen und einreichen. Erst dann können die öffentlichen Gelder fließen.
Zumindest als Laie fragt man sich doch, weshalb AM nicht alles soweit vorbereitet hatte, dass bereits alle notwendigen Unterlagen fertig waren, als der Antrag auf die Wahnsinns-hohen Zuschüsse gerstellt wurde.
Bürgermeister Dr. Andreas Bovenschulte (SPD) ahnt vermutlich, dass das Projekt fehlschlagen könnte. Deshalb beteuert er der Belegschaft gegenüber voller Inbrunst: „Wir sind an eurer Seite“. Aber: Was bedeutetet das? Außer moralischem Beistand?
Auch keilt der Sozialdemokrat gegen Frei- und Christdemokraten, die ganz oder teilweise am Gelingen der Transformation zweifeln.
Treibt Bovenschulte etwa schon heute die Sorge um, die Stahlarbeiter könnten dereinst wie bei Koschnick vorm Rathaus stehen?
Sollte es zutreffen, dass die beiden Hochöfen noch 10 bis 15 Jahre durchhalten und produzieren, müsste sich Bovenschulte keine Sorgen machen. Dann wird er nach Adam Riese wohl nicht mehr im Rathaus sitzen.
Munter bleiben!
Herzlichst
Ihr Axel Schuller
Lieber Axel Schuller,
nichts davon ist neu, nur jede Menge Spekulation und ein Blog, den ich als schlechtreden bewerte. Kein Meisterstück
Hervorzuheben ist Ihr Schlusssatz: Egal wie runtergerockt Wirtschaft und öffentliche Finanzen Bremens bis dahin sein sollten, für die Pensionszahlungen an verdiente MdBBs, Senatoren und alles was dranhängt, wird es, muss es immer reichen. Spricht aus mir der Sozialneid? Ja, dass die Folgen meines Handelns, vor allem meine Fehlschüsse, existentiell so folgenlos für mich bleiben wie für unsere politische und verbeamtete Elite, habe ich mir Zeit meines Lebens auch gewünscht.