Dokumentation: CDU-Positionspapier zur Bremer Bildung

04.09.2024 0 Von Axel Schuller

Liebe Leserschaft, die Bremer CDU hat sich (endlich) umfassend Gedanken zur Bildung in Bremen gemacht und diese Überlegungen und Forderungen in einem Positionspapier aufgeschrieben. Ich vermute, dass andere Bremer Medien dieses nicht komplett veröffentlichen. Deshalb dokumentiert bremensogesehen die Analysen und Vorschläge der Union in gewohnter Manier an dieser Stelle.

BEGINN des CDU-Positionspapiers:

„BILDUNG FÜR BREMEN

Auf die Basis kommt es an: Lesen, Rechnen, Schreiben!

Ein bildungspolitisches Positionspapier der CDU-Bürgerschaftsfraktion

Bremen im August 2024

Bildung ist unsere Basis. Sie ist nach wie vor der Garant für gesellschaftliche und soziale Teilhabe. Sie eröffnet individuelle Aufstiegsmöglichkeiten und stellt den besten Schutz vor Armut dar. Doch die aktuellen Ergebnisse1 2 3 belegen, dass die Leistungen – insbesondere der Grundschüler – in den Basiskompetenzen deutlich zurückgegangen sind. Die Ergebnisse der verfehlten Bildungspolitik in Bremen lassen sich an folgenden Zahlen auf- zeigen:

  • Bald jedes zweite Kind im Kitaalter hat einen Sprachförderbedarf (Bremen 43,5 %, Bremerhaven 57 %)4
  • 31 Prozent der Viertklässler können nicht richtig lesen (verfehlen den Mindeststandard)
  • Die Lernausgangslagenuntersuchung in Klasse 5 (LALE 5) bestätigt, dass an sozial her- ausgeforderten Schulen mitunter 44 Prozent der Kinder den definierten Mindeststan-
    dard verfehlen und damit über den Lernstand der Klasse 2 verfügen
  • 24 Prozent der Neuntklässler erreichen nicht die Mindeststandards beim Lesen5
  • Jeder zehnte Schüler verlässt die Schule ohne Abschluss6
  • Der Bildungserfolg hängt in Bremen nach wie vor massiv vom familiären Hinter-grund/Wohnort ab7
    Dies macht deutlich, dass die politisch Verantwortlichen seit Jahrzehnten nicht in der Lage sind, die richtigen Schlüsse aus den Ergebnissen zu ziehen. Fehlende Einsicht, ein Mehr vom Gleichen und ideologiegetriebene Entscheidungen verschlechtern die Bildungschan-cen unserer Kinder nachweislich.
    1 https://www.iqb.hu-berlin.de/bt/BT2021/Bericht/
    2 https://www.pisa.tum.de/pisa/pisa-2022/
    3 https://www.kmk.org/themen/qualitaetssicherung-in-schulen/bildungsmonitoring/internationale-schulleis- tungsvergleiche/pirlsiglu.html
    4 chrome-extension://efaidnbmnnnibpcajpcglclefindmkaj/https://sd.bremische-buerger- schaft.de/sdnetrim/UGhVM0hpd2NXNFdFcExjZXuyZ6A_FdddFb0U25ql16yQiXzQtNra2R-kczy2gq- 9/Land_TOP_6_Primo-Testung_Einschulungsjahr_23_24_-_Anlage.pdf
    5 https://www.iqb.hu-berlin.de/bt/BT2022/Bericht/
    6 chrome-extension://efaidnbmnnnibpcajpcglclefindmkaj/https://sd.bremische-buerger- schaft.de/sdnetrim/UGhVM0hpd2NXNFdFcExjZTPr2UZDoFVEj_lcbkx12WXn_M6OrrR- GclNcxJzYpNi/Land_TOP_5_Bericht_AbgOhne_Abschluss_-_Anlage.pdf
    7 https://www.iqb.hu-berlin.de/bt/BT2021/Bericht/ ab Seite 151.

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Grundfähigkeiten sind der Schlüssel in unsere Gesellschaft

Bildungschancen sind Lebenschancen: Was die Kinder und Jugendlichen in Bremerhaven und Bremen brauchen, ist eine bildungspolitische Trendwende, die bei der gezielten Ver- besserung der Basiskompetenzen unserer Schülerinnen und Schüler ansetzt. Hierbei steht für uns das Erlernen der deutschen Sprache besonders im Fokus. Wir sind überzeugt, dass Sprachverständnis das Fundament darstellt, auf dem individueller Kompetenzerwerb und schulischer Bildungserfolg maßgeblich gründet. Ohne ausreichende Sprachkenntnisse sind und bleiben die Startchancen in unserer Gesellschaft ungleich verteilt. Neben der Sprache müssen die Basiskompetenzen für das tägliche Leben erlernt werden. Dazu zählen vor allem Lesen, Rechnen und Schreiben.

Wir fordern:
1. Verpflichtende Sprachtests ab dem 4. Lebensjahr

2. Die Einführung einer verpflichtenden Vorschule für Kinder mit Sprachförderbedarf

3. Eine zusätzliche Deutschstunde in der Grundschule

4. Schulen, die durch erhebliche Sprachdefizite innerhalb der dortigen Schülerschaft besonders herausgefordert werden, gezielt mit zusätzlicher personeller Ressource für Sprachfördermaßnahmen zu stärken

5. Die Einführung von Vergleichsarbeiten in Mathematik und Deutsch in Klasse 4, als verpflichtendes Element bei der Empfehlung der weiterführenden Schule

6. Einen obligatorischen längeren Verbleib und damit zusätzliche Lernzeit in der Grundschule, wenn noch kein erfolgversprechendes Kompetenzniveau erreicht ist

7. Keine private Nutzung von Handys an Grundschulen

8. Sprachapps auf Schul-iPads

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Konkret

Verpflichtende Sprachtests ab dem 4. Lebensjahr

Der Staat muss sicherstellen, dass jedes Kind eine gerechte Chance auf gute Bildung hat. Wir brauchen Chancengerechtigkeit beim Start in das Schulleben – insbesondere sollen alle Kinder bei Schulbeginn Deutsch können. Wir wollen dafür frühzeitige Sprachtests ab dem 4. Lebensjahr einführen. Nur so können wir Sprachförderbedarf rechtzeitig erkennen und dafür sorgen, dass entsprechende Kenntnisse zusätzlich zum Schulbeginn vermittelt werden.

Einführung einer verpflichtenden Vorschule für Kinder mit Sprachförderbedarf

Allein ein Sprachtest wird aber nicht reichen, um dieses Ziel zu erreichen. Es ist die Auf- gabe des Staates, so früh wie möglich bei der Sprachförderung anzusetzen. Daher fordern wir ein verpflichtendes Vorschuljahr für die Kinder, bei denen ein durch Sprachtest nach- gewiesener Sprachförderbedarf besteht, um die Basis für einen gelingenden Übergang und Start in der Grundschule zu legen.

Eine zusätzliche Deutschstunde in der Grundschule

Wir wissen, dass wir nicht von heute auf morgen allen Kindern zum Schulstart ausreichende Fertigkeiten in der deutschen Sprache beibringen können. Dem Thema „Spracherwerb“ muss daher auch in der Grundschule konsequent zusätzliches Gewicht verliehen werden. Die Anzahl an Wochenstunden gemäß Stundentafel im Fach Deutsch, die an Grundschulen im Land Bremen erteilt werden, muss daher um eine Stunde erhöht werden.

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Schulen, die durch erhebliche Sprachdefizite innerhalb der dortigen Schülerschaft besonders herausgefordert werden, gezielt mit Lehrkräften stärken

Es ist kontraproduktiv und nicht hinnehmbar, dass Grundschulen in Sozialstufe 5 in der Vergangenheit mitunter mit einem Personalversorgungsgrad von unter 80 Prozent arbeiten mussten. Hier muss die senatorische Behörde viel schneller und beherzter steuernd aktiv werden, anstatt Schulen derart im Stich zu lassen. Wir fordern, dass die Abordnung und Versetzung von Lehrkräften an Bedarfsschulen, im Zweifel auch ohne vorheriges Ein- vernehmen, zukünftig nach einem standardisierten Verfahren erfolgt.

Einführung von Vergleichsarbeiten in Mathematik und Deutsch in Klasse 4

Um Eltern aber auch Lehrkräften eine zusätzliche Orientierungshilfe bei der wichtigen Wahl der weiterführenden Schule zu geben, wollen wir Vergleichsarbeiten in Deutsch und Mathematik in Klasse 4 heranziehen. Ziel ist es, eine fundierte verpflichtende Schul- laufbahnempfehlung aussprechen zu können, damit jedes Kind den bestmöglichen Über- gang zur weiterführenden Schule erhält.

Verpflichtend längere Lernzeit in der Grundschule (Grundschulbrückenjahr)

Wer nach der vierten Klasse noch kein erfolgversprechendes Kompetenzniveau in den Bereichen Schreiben, Lesen und Rechnen aufweist, dem wollen wir durch verbindlich wahrzunehmende individuelle Förderung in zusätzlicher Lernzeit eine erfolgreiche Bil- dung in weiterführenden Schulen ermöglichen. Die bestehende Regelung der Bremer Grundschulverordnung8 ermöglicht schon jetzt eine Verweildauer von fünf Jahren. Wir werden zukünftig mehr Kindern, die dies nachweislich benötigen, aktiv zusätzliche Lern- zeit in der Grundschule eröffnen.

8 https://www.transparenz.bremen.de/metainformationen/verordnung-ueber-die-organisation-des-bildungs- gangs-der-grundschule-grundschulverordnung-im-land-bremen-vom-1-august-2012-175316?asl=bre- men203_tpgesetz.c.55340.de&template=20_gp_ifg_meta_detail_d

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Keine private Nutzung von Handys an Grundschulen

Gerade im frühen Kindesalter ist es wichtig, sich nicht ablenken zu lassen und zu erlernen, für welche Zwecke welche Medien anzuwenden sind. Hierzu gehört aber nicht der private Gebrauch von Handys an Grundschulen. Zudem korreliert die lange Nutzung von Smart- phones mit einem massiven Anstieg psychischer Krankheiten9. Aus diesem Grund werden wir die private Nutzung von Handys in der Grundschule untersagen. Ausnahmen sind möglich, wenn die Mobiltelefone Bestandteil des Unterrichts werden.

Sprachapps auf Schul-iPads

Die Digitalisierung bietet neue Möglichkeiten insbesondere beim differenzierten Lernen. Mit interaktiven Apps können kinderleicht neue Fähigkeiten erworben werden. Deshalb sollen Sprachapps auf Schulgeräten verpflichtend werden, damit auch die Kinder, bei denen der Bedarf am höchsten ist, unabhängig vom Schulunterricht die Möglichkeit ha- ben, ihre Fähigkeiten zu erweitern.

Wir blicken nach vorne

Unsere Forderungen sind ein Anfang und sofort umsetzbar. Nur so kann es uns in der aktuellen Situation mit den aktuellen Mitteln gelingen, unseren Kindern und damit der künftigen Generation entsprechende Sprachkenntnisse zu vermitteln. Die nachgewiesenen Sprachförderquoten10 im vorschulischen Bereich sind in Bremen (47,9 % in 2023) und Bremerhaven (54,7 % in 2022) erschreckend hoch und seit 2013 kontinuierlich gestiegen.

In ganz Bremen haben mittlerweile 58 Prozent der Viertklässler einen Zuwanderungshin- tergrund und damit 20 Prozentpunkte mehr als im Bundesschnitt. Zudem gehören in Bre- men rund 19 Prozent der Viertklässler der ersten Zuwanderergeneration an, was bedeutet,

9 https://jonathanhaidt.com/anxious-generation/
10 chrome-extension://efaidnbmnnnibpcajpcglclefindmkaj/https://sd.bremische-buerger- schaft.de/sdnetrim/UGhVM0hpd2NXNFdFcExjZXuyZ6A_FdddFb0U25ql16yQiXzQtNra2R-kczy2gq- 9/Land_TOP_6_Primo-Testung_Einschulungsjahr_23_24_-_Anlage.pdf

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dass sowohl beide Elternteile als auch das Kind im Ausland geboren sind. Es ist anzunehmen, dass besonders diese in der überwältigenden Mehrheit keine oder allenfalls geringe Kenntnisse der deutschen Sprache mitbringen.

Die erste PISA-Studie 2000 erschütterte die Bildungslandschaft in Deutschland. Vieles sollte danach besser werden. Zahlreiche darauffolgende nationale und internationale Stu- dien bestätigten seitdem vielfach verbesserte Ergebnisse innerhalb der Bundesländer, nur eben nicht in Bremen! Für unser Bundesland, wie für ganz Deutschland, gilt jedoch wei- terhin: Bildung ist unsere wichtigste Ressource. Sie ist nach wie vor der Garant für gesell- schaftliche und soziale Teilhabe. Sie eröffnet individuelle Aufstiegsmöglichkeiten und stellt den besten Schutz vor Armut dar.

Unser Fokus liegt auf der Stärkung der Basiskompetenzen, dazu gehört vor allem das Erlernen der Sprache als Grundvoraussetzung. Zunächst muss der Übergang von KiTa zur Schule gelingen, ebenso müssen die Kinder während der Schullaufbahn so begleitet wer- den, dass ein Schulabschluss erreicht werden kann.

Weiter wollen wir ein Konzept zur Sprachentwicklung, dass aufzeigt, wie die Sprachför- derung von denjenigen Kindern und Jugendlichen gelingen kann, die neu ins Land gekommen sind, aber nicht mehr im Grundschulalter sind.“

ENDE des CDU-Positionspapiers.

Herzlichst

Ihr Axel Schuller