Bremer Verwaltung – Rumgemurkse an Mahnmälern, 25.000 Euro für einen Schulleiter

12.09.2024 4 Von Axel Schuller

Was ist bloß mit Bremens Verwaltung los? Gründlichkeit vor Schnelligkeit? Dies wäre ja noch eine halbwegs befriedigende Erklärung für den Schlendrian, der – seit Jahren! – in zu vielen Beamtenstuben vorherrscht. Hier ein paar Beispiele für Un- oder noch immer Gutgläubige: Unendliche Entstehungsgeschichte eines Mahnmals, Strafversetzung eines Schulleiters ohne ordentliches Verfahren und mehr.

An die Endlos-Schlangen vor Melde-, Pass- und Führerschein-Stelle, an die Warteschleifen beim Wohngeld etc. haben sich Hartgesottene ja fast schon gewöhnt. Auch an die unverschämt langen Wartezeiten auf Baugenehmigungen.

Mit vor Erstaunen offenem Mund kann man freilich nur noch das „Werden“ des „Arisierungs-Mahnmals“ an der Wilhelm-Kaisen-Brücke verfolgen. Nach jahrelangem Hin und Her würgt das Kulturressort nun ebenfalls seit über einem Jahr (!) an der Beschriftung desselben herum.

In der Zwischenzeit wird dieser Guck-Kasten im Brückenpfeiler – an sich eine kluge Konstruktion, aber zu klein und unscheinbar – im besten Fall übersehen, im schlechtesten jedoch von „Hirnis“ beschmiert.

Die Kulturbehörde des Bürgermeisters Dr. Andreas Bovenschulte (SPD) sucht nun ihr Heil in Beschriftungstafeln. Dafür benötigt man in einer Bremer Behörde über 12 Monate – vielleicht ja auch noch länger.

Dummerweise hatte diese Bürgermeister-Behörde es zwischendurch ganz aus dem Blick verloren, wessen man dort gedenken wollte: den von den Nazis beklauten Juden. Die waren bei der Erstellung des Gedenktafel-Textes jedoch zunächst glatt vergessen worden.

Erneut ein Fall für das NDR-Satire-Magazin Extra3

Nun wird an dem Text der Gedenktafel herumgeschraubt.

Egal wie gelungen oder missraten dieser ausfallen wird: Das Mahnmal – in Wahrheit eine gegen die direkt benachbarte Zentrale von Kühne+Nagel gerichtete Kritik – wird auch mit Text nicht besser. Der Inhalt des Guck-Kastens ist nämlich so unscheinbar und somit kaum zu erkennen.

Zu klein, zu konturlos. Dass dies so ist, liegt auch an der Entstehungsgeschichte. Die Initiatoren – ein taz-Redakteur und ein paar linke Bremer m/w – wollten 2015 Kühne+Nagel möglichst nah auf die Pelle rücken. Davor hatte der Senat aber Schiss. Immerhin baute der Hamburger Klaus-Michael Kühne gerade an der Weser eine neue Firmenzentrale. In Bremen! Da wollte man den eigensinnigen, älteren Herren nicht zu sehr verärgern. Am Ende kam das zu kleine Werk im Brückenpfeiler an den Weser-Arkaden heraus, statt ein größeres nahe der Jugendherberge.

Mal sehen, ob die irgendwann an-zu-bohrende Mahntafel womöglich in kräftigen Neonfarben für mehr Aufmerksamkeit sorgen wird – angesichts des Themas Arisierung ist damit aber eher nicht zu rechnen.

Herrn Bovenschultes Top-Kulturverwaltung hat aktuell – nun ja, eigentlich seit der Koalitionsbildung 2019 – ein weiteres Mahnmal in der Mache.

Für den 2005 im Polizeigewahrsam umgekommenen Laye Condé. Der abgelehnte, aber geduldete Asylbewerber aus Sierra Leone hatte bei einer Polizeirazzia offenbar rasch Kokain-Verkaufskügelchen runtergeschluckt, welche die Polizei unter Einflößen von Brechmitteln ans Tageslicht befördern wollte. Tragischerweise starb der Mann einen Tag später – am Ertränken und möglicherweise an einem zuvor unbekannten Herzfehler.

Die LINKE bestand bei der Koalitionsvereinbarung 2019 darauf, für Laye Condé und alle Opfer polizeilicher Brechmittel-Einsätze ein Mahnmal zu errichten.

Die Kulturbehörde teilte bremensogesehen auf Anfrage mit: Mit der Realisierung des Gedenkortes am Gerhard-Marcks-Haus werde im Sommer 2025 gerechnet. Immerhin schon 20 Jahre “danach”…

Bürgerinnen und Bürger, die sich in der Vergangenheit eher ein Mahnmal für die hunderten oder gar tausenden Drogentoten statt für einen vermeintlichen Dealer und andere Brechmittel-Geschädigten gewünscht hätten, dürfen angesichts der Bremer Kassenflaute möglicherweise damit rechnen, dass nunmehr vielleicht das Geld für die Realisierung fehlen wird. Vorgesehen waren 60.000 Euro. Den ersten Platz bei der Ausschreibung für die Gestaltung des Gedenkortes hat übrigens eine Dame aus Südafrika gewonnen.

Zurück zum Zustand der Bremischen „Verwaltung“. Speziell die im Bildungsressort ist – leider – beständig für immer neue Kapriolen „gut“. Jüngst, so berichtete „ButenunBinnen“, entschied das Verwaltungsgericht (rechtskräftig), ein von der Behörde zwangsversetzter Schulleiter (ehrverletzend ausgerechnet in die Bildungsbehörde) habe Anrecht auf 25.000 Euro Entschädigung. Die Richter beschäftigten sich nicht mit dem Auslöser der Strafversetzung (der Direx hatte offenbar einen Teil seines Kollegiums gegen sich aufgebracht) sondern mit einer klitzekleinen, aber doch entscheidenden Formalie: Die Behörde, an deren Spitze ein Senator m/w steht, hatte den Mann laut „Bubi“ – ratzfatz – ohne jeden Ansatz eines disziplinar- oder beamtenrechtlichen Verfahrens zwangsversetzt. Dies verstieß gegen die “Fürsorgepflicht” des Dienstherren.

Im beschriebenen Fall galt damals offenbar: Schnelligkeit vor Gründlichkeit.

Bevor jetzt (zu Recht) die immer zahlreicher werdenden Kritiker von Bildungssenatorin Sascha Aulepp frohlocken – falsch, sie war es nicht. Die Strafversetzung erfolgte 2017. Da war noch Claudia Bogedan Chefin der Bildungsbehörde.

Munter bleiben!

Herzlichst

Ihr Axel Schuller

P.S.: Liebe Leserschaft, Ihnen immer wieder ans Herz gelegt, weil lohnend: Beachten Sie bitte die vielfältigen Leser- und Leserinnen-Kommentare, beispielsweise zu den Stücken zur “Andreas Bovia”, zur Bildungskatastrophe, zur Bahnwerkstatt.