Dokumentation: Große Anfrage der FDP-Bürgerschaftsfraktion zur Bahnwerkstatt
Hier wieder ein Goodie für jene Leserinnen und Leser, die sich umfassend informieren wollen. Nachfolgend dokumentiere ich die FDP-Anfrage zum Thema Bahnwerkstatt.
Text der Großen Anfrage der FDP Bürgerschaftsfraktion an den Senat:
„Angebunden oder abgehängt? Wie bewertet der Senat die Auswirkungen der geplanten EBN-Bahnwerkstatt auf die Auslastung und Kapazitäten des Schienenknotens Bremen?
Sachverhalt:
Der Bau des sogenannten EBN-Servicecenters in Bremen-Oslebshausen stößt aktuell vor Ort auf Widerstand, u.a. aufgrund von Bedenken hinsichtlich der Lärmbelastung im Quartier. Daher sind Klagen wahrscheinlich, welche die ohnehin nicht mehr pünktliche Inbetriebnahme des dringend benötigten Servicecenters weiter verzögern könnten.
Ebenso bestehen Bedenken, dass durch die Standortwahl zusätzlich verursachte Verkehre das Schienennetz am Logistikstandort Bremen noch weiter überlasten würde. Die damalige Verkehrssenatorin erklärte am 26. Januar 2023 in der mündlichen Fragestunde im Landtag der Bremischen Bürgerschaft, dass auch die Schienenkapazitäten im Planfeststellungsverfahren abgeprüft würden. Inzwischen heißt es, dass der Nachweis der Leistungsfähigkeit des Bahnknotens Bremen nicht Teil der von der Firma Alstom vorzulegenden Unterlagen zur geplanten Bahnwerkstatt und insoweit auch nicht Gegenstand des Antrags auf Planfeststellung sei.
Nach Aussagen des Senats habe der Antragsteller für das Planfeststellungsverfahren über ein sogenanntes Testat der DB Netz AG vom April 2020 nachgewiesen, dass die für das EBN-Servicecenter prognostizierten zusätzlichen Verkehrsmengen von der vorhandenen Gleisinfrastruktur aufgenommen werden können. Ebenso wird auf eine aktuelle Fortschreibung des Testats von der DB InfraGO AG verwiesen, welche diese Aussage bestätige. An der Aussagekraft dieser nur wenigen Seiten umfassenden Erklärungen werden allerdings erhebliche Zweifel laut, insbesondere weil bis heute keinerlei Grundlage für die dort veröffentlichten Berechnungsergebnisse offengelegt wurde.
Angesichts der hohen Bedeutung des Schienenverkehrs für den Logistikstandort Bremen ist es notwendig, dass der Senat transparent darlegt, wie es um die Auslastung des Schienenknotens in Bremen bestellt ist, um die Bedenken gegen die Standortwahl in Bremens Bevölkerung und Wirtschaft auszuräumen.
Wir fragen den Senat
- Wie bewertet der Senat die aktuelle und zukünftige Leistungsfähigkeit des Bremer Bahnknotens angesichts der prognostizierten Verkehrszunahme im Güter- und Personenverkehr bis 2051 laut Verkehrsprognose des Bundesministeriums für Digitales und Verkehr (BMDV)?
- Welche konkreten Maßnahmen planen der Senat sowie der Bund und die DB InfraGo, um die Resilienz und Effizienz des Bahnknotens Bremen zu erhöhen und dabei unnötige Komplexitäten zu vermeiden, und welchen Umsetzungsstand haben diese Maßnahmen?
- Warum wurde die Betrachtung des Bremer Bahnknotens (insbesondere der Strecken 1401 und 1740 als europäische Güterverkehrskorridore sowie der Annex-Strecke 1422) trotz der am 26.01.2023 im Landtag gegebenen Zusage der ehemaligen Verkehrssenatorin Dr. Maike Schaefer nicht im Planfeststellungsverfahren des EBN-Servicecenters berücksichtigt?
- Inwieweit sieht sich der Senat in Verantwortung, im Zuge von Beteiligungsverfahren übergeordneter Ebenen oder in eigener Planungs- und Genehmigungshoheit dafür Sorge zu tragen, dass der Bahnknoten nicht durch zusätzlichen Verkehr überlastet wird?
- Vor dem Hintergrund der gewünschten Transformation der Stahlwerke hin zu einer dekarbonisierten Produktion und einer erwarteten Zunahme auf 40 und mehr tägliche Fahrten: Wie gedenkt der Senat, den zusätzlichen Verkehr auf der bereits jetzt stark belasteten eingleisigen Strecke 1422 zu bewältigen, um Rückstaus im Bahnknoten Bremen, insbesondere auf den Strecken 1401 und 1740, zu vermeiden?
- Die Hafenbahn rechnet bis 2034 mit einer Verdoppelung ihrer Zugverkehre. Welche Auswirkungen hat das auf die Gesamtbelastung des Bahnknotens? Wie will der Senat sicherstellen, dass diese Zuwächse ohne negative Folgen für den bestehenden Verkehr abgewickelt werden können?
- Welche Brückenbauwerke der Strecken 1401 und 1740 sowie der Strecke 1422 gibt es im Land Bremen und welche Zustandskategorien haben diese gemäß der Typisierungssystematik der DBInfraGoAG?
- Welche Planungen für Sanierungen, Ertüchtigungen oder Ersatzbauwerke bei diesen Brücken hat die DBInfraGoAG?
- Welche Auswirkungen hätten diese Maßnahmen auf den Bremer Bahnknoten und konkret auf die Anbindung der Stahlwerke ArcelorMittal, der Unternehmen und Häfen in Bremen und Bremerhaven sowie des geplanten EBN-Service-Centers?
- Was ist der Sachstand des erhofften Baus eines dritten Gleises zwischen Bremen Rangierbahnhof und Bremen Burg?
- Wann wird der Bau des dritten Gleises zwischen Bremen Rangierbahnhof und Bremen-Burg nach aktuellem Stand beginnen?
- Welche Auswirkungen wird dieser während des Baus auf den Schienenverkehr haben?
- Wie wird sich der Engpass innerhalb des Bahnknotens Bremen qualitativ verschieben, sobald das Gleis in Betrieb ist?
- Inwiefern wurden die ansässigen Unternehmen in den Industriehäfen sowie Holz- und Fabrikenhafen und die Handelskammer Bremen proaktiv in die Planungen einbezogen und über mögliche Konsequenzen für die Betriebe informiert?
- Haben diese Unternehmen Bedenken oder Einwendungen geäußert, insbesondere was mögliche Einschränkungen ihrer schienengebundenen Erreichbarkeit und daraus resultierende wirtschaftliche Auswirkungen betrifft?
- War dem Senat und den Unternehmen klar, dass sowohl die Industriehäfen als auch der Holz- und Fabrikenhafen nur noch über die eingleisige Strecke 1422 erreicht werden können?
- Warum wurde der östliche Schienenanschluss der Holz- und Fabrikenhafen (Anbindung an die Strecken 1412 und 1500, Hauptgleis Hafenbahn und sogenanntes Kellogg´s-Gleis) abgebunden und zurückgebaut?
- Welche Entscheidungsprozesse und Gremien waren daran beteiligt und wurden dabei die Folgen für die Verkehrsinfrastruktur und die Unternehmen ausreichend berücksichtigt?
- Wie bewertet der Senat den aktuellen Zustand, dass nun alle Verkehre über die Strecke 1422 laufen müssen und ein redundanter Schienenanschluss fehlt, gerade hinsichtlich der Resilienz der Lieferketten und der strategischen Bedeutung dieser Schienenverkehre?
- Hat der Senat das Stahlwerk ArcelorMittal, welches mit 1,1 Mrd. Euro staatlicher Subventionen bei der Transformation unterstützt werden soll, aktiv in die Planungen zum EBN-Service-Center einbezogen und sich transparent zu möglichen Konsequenzen für den Schienenanschluss der Stahlwerke ausgetauscht? Gibt es seitens ArcelorMittal Einwendungen gegen die Vorhaben aufgrund befürchteter negativer betrieblicher und ökonomischer Auswirkungen?
- Genügen die sogenannten „Testate“ der DB Netz AG vom 27.04.2020 („Einschätzung Werkstattfahrten Bremen Hbf – Bremen Inlandshafen / Reitbrake“) und der Deutschen Bahn AG vom 04.06.2024 („Werkstattstandort RE-Kreuz Niedersachsen“) den Anforderungen an eine sorgfältige und umfassende Prüfung der Auswirkungen auf die Belastbarkeit und Resilienz des Bahnknotens Bremen?
- Was genau besagen diese Dokumente?
- Wie wurden sie – auch formal – in die Entscheidungsfindung einbezogen und dokumentiert?
- Auf welchen Zahlen und Berechnungsgrundlagen beruhen diese Testate, liegen dem Senat diese Grundlagen vor und inwieweit ist beabsichtigt, diese Grundlagen offen zu legen?
- Wie hoch ist die aktuelle Verspätungsquote im Bahnknoten Bremen? Bitte differenziert nach Güterzügen mit Verspätungen über 15 Minuten, Personenzügen mit Verspätungen über 5 Minuten und nicht pünktlichen Bereitstellungen von Personenzügen im Bremer Hauptbahnhof, jeweils absolut und prozentual pro Jahr?
- Wie viele Fahrten von Güterzügen nach Bremerhaven werden im Jahr von der Leitstelle der DB InfraGoAG abgelehnt, da eine Trassenzuweisung u.a. aus der sognannten Reserve Capacity(RC) nicht möglich ist?
- Wie viele Züge passieren täglich den Bahnknoten Bremen, aufgeteilt nach Güterzügen, Zügen des Schienenpersonennahverkehrs und des Fernverkehrs sowie nach den Strecken 1401 und 1740 sowie 1422?
- Mit welchen zusätzlichen Zugzahlen wird durch die Transformation der Stahlwerke und den Betrieb des EBN-Service-Centers gerechnet, sowohl bei geplanter als auch bei maximal möglicher Auslastung der Anlagen?
- Bis wann wird nach Prognose des Senats die großräumige Umfahrung Bremens für den Schienengüterverkehr möglich sein, um den Schienenknoten Bremen zu entlasten?
Fynn Voigt, Thore Schäck und die Fraktion der FDP“
Ende der Dokumentation. Ich fand mehrere Details in dieser Anfrage so interessant, dass ich Ihnen diese nicht vorenthalten wollte.
Herzliche Grüße
Ihr as