Prämien für gesunde Busfahrer / Bremens öffentlicher Dienst bei Krankheitstagen vorn

29.10.2024 7 Von Axel Schuller

Bremens öffentlicher Dienst „liegt“ bundesweit vorn: Die Krankheitsquote beträgt 8,4 Prozent – im Bundesschnitt sind es dagegen 7,5%. Nachdem mehrere Konzernchefs öffentlich über den deutschen Hang zum „Blaumachen“ geklagt haben, kommt eine wichtige Debatte in Gang. Die Kieler Verkehrsbetriebe belohnen mittlerweile gesunde Busfahrer mit Geldprämien.

An der „Arbeitsfront“ geht es gerade heftig zu. Der Markt hat sich total gewandelt. Arbeitgeber suchen händeringend Fach- und Hilfskräfte, um den Laden irgendwie am Laufen zu halten. Arbeitnehmer, die wissen, was sie können und mit Selbstbewusstsein gesegnet sind, holen raus, was geht. Einige „normale“ Arbeitnehmer (ohne Führungsaufgabe) verlangen in Bewerbungsgesprächen eine Vier-Tage-Woche bei vollem Lohn und obendrein einen Dienstwagen fürs Private.

Im SPIEGEL haderte kürzlich Mercedes-Benz-Vorstandschef Ola Källenius: Ihm fehle jedes Verständnis dafür, dass der Krankenstand in den deutschen Werken des Konzerns nahezu doppelt so hoch sei wie in den anderen europäischen Fabriken – obwohl an allen Standorten vergleichbare Arbeitsbedingungen vorherrschten. Allianz-Chef Oliver Bäte hatte zuvor im Handelsblatt geklagt, in Deutschland ließen sich deutlich mehr Mitarbeiter als in den USA oder der Schweiz krankschreiben. Und Telekom-Boss Tim Höttges mahnte: „Wir müssen alle wieder mehr arbeiten.“

Woran kann es liegen, dass „unser“ Krankenstand den anderer Länder so sehr übertrifft?

Corona und manch schlimme Folge-Erkrankungen können dafür nicht verantwortlich sein. Corona war schließlich überall. Und Chefs ohne Führungsqualitäten, die Mitarbeiter m/w zunächst in die innere Emigration und im schlimmsten Fall in die Krankheit treiben, gibt’s vermutlich ebenfalls überall auf der Welt.

Sind Deutsche für Depressionen anfälliger als andere Europäer? Wäre überraschend.

Oder verhalten sich deutsche Kunden dem Personal gegenüber so viel aggressiver, womöglich sogar rabiater als in anderen Ländern? Eher unwahrscheinlich.

Noch eine Erklärungsvariante: Seitdem Ärzte Patienten telefonisch krankschreiben können, ist die Krankenquote gestiegen. Hausärzte wollen an dem System festhalten. Dafür führen sie aber eher praxistechnische als medizinische Gründe an.

Die Kieler Verkehrsbetriebe versuchen dem Problem zu vieler krank-gemeldeter Busfahrer m/w aktuell auf unkonventionelle Art zu begegnen: Wer sich in einem Quartal nicht krankgemeldet hat, bekommt als Prämie 250 Euro – im Jahr also maximal 1.000 Euro.

Die BSAG-Pressestelle vermochte gestern nicht zu sagen, ob man dauerhafte Gesundheit mit Geld oder freien Tagen honoriere. Zur Erinnerung: In einem meiner früheren Stücke über die überbordenden Kosten des Staatsunternehmens BSAG hatte ich über Krankenquoten von bis zu 20 Prozent berichtet – übrigens widerspruchslos.

Das Medienportal „The Pioneer“ von Gabor Steingart hat jüngst erschreckende Zahlen zu Krankenständen in Deutschland zusammengetragen. Während Arbeitgeber 2022 in Deutschland für durchschnittlich 24,9 Krankheitstage von Arbeitnehmern finanziell aufkommen mussten, waren es in Dänemark 10,9, in Großbritannien sogar nur 5,7 Tage.

Von Januar bis September 2024 fielen in Deutschland durchschnittlich 5,9 Prozent der gesetzlich Krankenversicherten im Job aus. Im Corona-Jahr 2020 waren es bloß 4,3 Prozent.

Der öffentliche Dienst liegt bundesweit mit 7,5 Prozent an der Spitze der Krankheits-Ausfallzeiten. Am unteren Ende der „Tabelle“ stehen Mitarbeiter von Banken und Versicherung mit 4,5 Prozent.

Bremens öffentlicher Dienst reißt auf dem Feld der Krankenquote den Bundesschnitt (7,5%). Der Senat teilte auf Anfrage der FDP mit, 2023 habe die Arbeitsunfähigkeitsquote im Land Bremen bei durchschnittlich 8,4 Prozent gelegen.

Noch brutaler: Im BürgerServiceCenter fehlt jeder Mitarbeiter m/w im Schnitt 43 Tage pro Jahr.

Wäre mal interessant, die Fehlzeiten in Vollzeitstellen umzurechnen. Ich vermute, die Bremer Krankheitsquote von 8,4 Prozent dürfte mehreren tausend Arbeitsplätzen entsprechen – an denen rund ums Jahr nicht gearbeitet wird.

Zum Schluss die Frage eines alten, weißen, bloggenden Mannes: Sind wir in Deutschland vielleicht an einem Punkt angekommen, dass bei uns offiziell zwar von den Vorzügen der „work-life-balance“ gesprochen wird, einige zuweilen aber doch eher eine ganz spezielle „life-work-ballance“ anstreben?

Liebe Leserschaft, ich freue mich auf Ihre Kommentare – außer auf Schmähschriften:-) .

Munter bleiben!

Herzlichst

Ihr Axel Schuller

P.S.: Bitte lassen Sie sich nicht durch die gewerkschaftsfreundliche Darstellung von so mancher Tageszeitung zur Thematik verwirren. So führen die Kollegen gerne geringere Krankheitszeiten in Schweden unter anderem auf den dort geltenden „Mindesturlaub von 25 Tagen“ zurück. Ein Blick in die Manteltarifverträge für Redakteure, für Öffentlich Bedienstete oder – weil’s gerade aktuell ist – VW-Mitarbeiter zeigt: Dort beträgt der Jahresurlaub jeweils 30 Tage. Und das Kollegen-Mimimi, Arbeitnehmer litten unter Arbeitsverdichtung, dem Arbeitgeberwunsch nach dauernder Erreichbarkeit sowie Konkurrenzdruck intern und extern – kann sein. Aber: Ist das in anderen Ländern, mit deutlich niedriger Krankheitsquote, tatsächlich anders?