Bremen: Zuschuss zum Pflegeheim / Sozial System vor dem Crash?
Es ist der „nackte Wahnsinn“. Die sozialen Sicherungssysteme unseres Landes drohen auf Sicht zu implodieren. Politiker auf Bundes- und Landesebene wissen dies. Statt das mathematisch zwingende Fiasko abzuwenden, wird klein-klein herumgedoktert. Gleichzeitig kommen ständig weitere Belastungen hinzu. Aktuell plant die Bremer Koalition, die Kosten für Pflegeheim-Bewohner „zu deckeln“. Im Prinzip richtig, aber: Wer soll das bezahlen?
Ich weiß, klingt heute (zusätzlich zum Ampel-Ende in Berlin) schwer nach Untergangs-„Prophet“. Bin ich nicht. Aber wir sind schnurstracks dabei, unseren Enkelkindern einen Staat zu hinterlassen, der an den von uns ungelösten Finanzproblemen kaputtgehen kann.
Es sei denn, wir bringen die Kraft auf, selbstverständlich gewordene Errungenschaften teilweise radikal zu ändern.
Das jetzige Rentensystem wird absehbar kollabieren. Zu wenige Einzahler müssen für zu viele Rentenempfänger aufkommen. In der Folge werden die Beiträge von Arbeitnehmern und -gebern steigen und: Der Staat muss immer mehr in diese Kasse einzahlen, um das System am Laufen zu halten.
Der Bundesrechnungshof warnt davor, das noch von SPD, Grünen und FDP ausgehandelte Rentenpaket zu beschließen.
Die Kassenkontrolleure haben ausgerechnet, dass der Staat allein bis 2045 rund 507 Milliarden Euro aufbringen muss, damit die Rentner bis 2045 maximal 48 Prozent vom Arbeitslebens-langen durchschnittlichen Lohn (maximal von der Beitrags-Bemessungsgrenze in Höhe von 7.550 Euro) erhalten können. Für viele Arbeitnehmer bedeutet dies dennoch Altersarmut. Die durchschnittliche Rente beträgt aktuell 1.769,40 Euro – abzüglich Steuern, Kranken- und Pflegeversicherung.
Gleichzeitig halten die Politiker am Pensionssystem für Beamte und sich selbst im Bundestag und in den meisten Landtagen (außer z.B. Bremen) fest:
Kein Beamter, kein Politiker zahlt (anders als Arbeiter und Angestellte der „Privatwirtschaft) auch nur einen Euro in das System ein, erhält nach 40 Dienstjahren aber eine Pension von 71,75 Prozent vom letzten „Gehalt“.
Ergo:
- Solange in Deutschland „normale“ Arbeitnehmer in ein System einzahlen, das für viele am Ende trotzdem Altersarmut bedeutet
- solange Beamte und Politiker keinen Cent in das Pensionssystem einzahlen
- solange Selbstständige überwiegend privat vorsorgen (und im Alter notfalls doch auf Stütze/Bürgergeld angewiesen sind)
- solange wir kein System haben, in das alle (ohne Beitrags-Bemessungsgrenzen) einzahlen und damit alle eine Rente erhalten, die – gemessen an den heutigen Renten – höher sein wird, die Pensionen aber deutlich absenkt und Selbstständige in diese Gesamtkasse mit einzahlen,
solange trudelt unser Sozial-System (wegen Unbezahlbarkeit) dem Abgrund entgegen.
Und das, liebe Leserschaft, ist nur ein Teil des drohenden Crashs. Unsere Gesellschaft wird durchschnittlich so alt, dass die Pflege die „Vorräte“ des einzelnen wie Geld, Wertpapiere und Immobilien „aufzufressen“ droht.
Auch hier gibt es wieder zwei „Versorgungswelten“: Normalrentner müssen für die irre teure Pflege am Lebensende meist mehr zahlen als sie an Rente erhalten. Deshalb müssen sie bis auf einen „Schonbetrag“ von 10.000 Euro alles hergeben, bevor das Sozialamt die Kosten des Pflegeheims übernimmt.
Bei Pensionsempfänger ist das nicht der Fall: Dort übernimmt der Staat generell den Betrag, der über die Pension hinausgeht über die sogenannte Beihilfe. Das Vermögen bleibt komplett erhalten.
Und in Bremen? Die rot-grün-rote Koalition hat sich vorgenommen, die Alten in Heimen vor dem totalen Eigentumsverlust zu bewahren. SPD, Grüne und LINKE wissen freilich, dass sie dies – auch aufgrund vieler unnützer und übertriebener Landesausgaben – finanziell nicht wuppen können. Deshalb vermeiden sie in ihrem Dringlichkeitsantrag für die Bürgerschaft das Wesentliche: Zahlen. Sie fordern einfach, der Senat solle auf Bundesebene dafür sorgen, die Pflegekosten zu deckeln.
Dazu passt ein Antrag bei SPD-Landesparteitag am kommenden Sonnabend. Die mittlerweile 82-jährige Ex-Bürgerschaftsabgeordnete Gisela Fröhlich will dort für mehr Würde im Alter kämpfen.
ZITAT Gisela Fröhlich:
„Bis 2008 wurden vom Land Bremen die Investitionskosten für Pflegeheimbewohner/innen bezahlt. Weil genug Pflegeplätze vorhanden waren, hat das Land Bremen die Zahlung eingestellt. Die Investoren haben weiterhin Pflegeheime gebaut und die Investitionskosten müssen nun die Heimbewohner monatlich mit ca. 700,- Euro begleichen! Hinzu kommen 620,- Euro für die Unterkunft, 415,- Euro Verpflegung und für den Ausbildungsfonds 107,- Euro!“
Anmerkung von bremensogesehen : Zusätzlich schlägt noch die eigentliche Pflegearbeit – je Pflegegrad – mit 1.900 bis 3.650 Euro zu Buche, so dass die Heimunterbringung monatlich minimum 3.700 Euro kostet. Die Pflegekasse übernimmt im ersten Jahr 15 Prozent der reinen Pflegekosten.
Fröhlich schreibt in ihrem Antrag an den Landesparteitag weiter:
„Wir fordern den Senat auf, wieder die Investitionskosten für Pflegeheimbewohner/innen zu übernehmen oder sich zumindest an den Investitionskosten zu beteiligen. Die Länder (…) müssen endlich wieder die Verantwortung übernehmen und für die Investitionskosten aufkommen, statt sie den Heimbewohner/innen aufzubürden…“
ENDE Fröhlich-Zitat
Was bei der Betrachtung der Sozialkosten noch fehlt: Unser großartiges, aber insgesamt viel zu teures Gesundheitssystem, mit 95 gesetzlichen und 36 privaten Krankenkassen (mit jeweils eigenen Verwaltungen).
Aber, für heute mach ich erstmal Schluss, bevor Sie womöglich denken: Menno, lass uns mit Themen wie Krankheit, Alter und Tod doch in Ruhe… Aber, leider gibt’s kein Entrinnen.
Munter bleiben!
Herzlichst
Ihr Axel Schuller
Was ein „einheitliches“ System bringt, kann man beim britischen „National Health“ System sehen. Das ist also auch keine Lösung.
Lieber Axel Schuller, zuerst einmal vielen Dank für diesen Bericht zu unserem Sozialsystem!
Zum Thema Rente konnte ich die Zahlen nicht nachvollziehen. Nach meiner Kenntnis sieht es leider noch etwas düsterer aus. Demnach beläuft sich die Durchschnittsrente für Männer im Westen 2022 (die DRV unterteilt zwischen alten und neuen Bundesländern) netto vor Steuern auf 1.279,- € ; bei Frauen 789,- €. Das entspricht einem Bruttobetrag von ca. 1480,- € M. / 900,- € Fr., bei Mehrfachrentnern (1) durchschnittlich 1.669,- € (Männer & Frauen ohne KV,PV, aber vor Steuern). Außerdem möchte ich einen wichtigen Aspekt ergänzen, der in den Medien regelmäßig unter den Tisch fällt, denn die Demographische Entwicklung allein macht der Deutschen Rentenversicherung nicht zu schaffen. Ein wichtiger Aspekt sind die sogenannten „Rentenfremden Leistungen“. So hatte die DRV und deren Beitragszahler in 2018 einen erheblichen Überschuß zur Schwankungsreserve entwickelt. Anstatt den Beitragssatz um 0,3 Prozent zu senken verabschiedete Minister Hubertus Heil ein Rentenpaket von ca. dreißig Millarden Euro. Hierbei ging es zum Beispiel um Verbesserungen von Geringverdienern, Erwebsminderungsrenten, Mütterrenten. Ein Teil sollte aus Steuermitteln finanziert werden. Mehr als 11 Milliarden wurden den pflichtversicherten Beitragszahlern überlassen.
Ein weiteres Beispiel ist die Grundsicherungsrente, die früher vom Sozialamt übernommen wurde (Steuern). Auch diese wurde nach meinen Informationen ohne Gegenfinanzierung der Rentenversicherung implementiert (mehrere Millarden). Damit es nicht falsch verstanden wird, ich beurteile nicht ob die Leistungen richtig oder falsch sind, daß ist eine politische Debatte und Entscheidung. Aber die Leistungen belasten aus meiner Sicht einseitig die DRV erheblich und ich halte es für eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Ich könnte noch eine Menge Beispiele benennen, möchte das Forum aber nicht sprengen. Die von mir verwendeten Daten stammen von der Deutschen Rentenversicherung, „Stand 22.11.2023 zur Statistik bis 31.12.2022 Broschüre 2024.“ Nach der Berechnung 2023, bekommt ein Arbeitnehmer/in nach 35 Jahren ununterbrochener Tätigkeit mit einem durchschnittlichen Verdienst (3.595,- € brutto mtl.) 1.316,- € brutto Rentenanwartschaft.
(1) Mehrfachrenten bedeutet: Eigene Altersrente plus z.B. einer Witwen-/Witwerrente DRV
Ps.: Die geburtenstarken Jahrgänge haben ca drei Rentengenerationen finanziert, es darf nicht sein das bei verlängerter Lebensarbeitszeit (faktische Rentenkürzung) eine zusätzliche nominelle Rentenkürzung erfolgt.
Die Redewendung „soziale Gerechtigkeit“ ist vor diesem Hintergrund völlig neu zu bewerten.