Lob: Senat tritt auf die Personal-Bremse / Aber WK im Schlaf der Selbstgerechten

22.11.2024 6 Von Axel Schuller

Liebe Leserschaft, Achtung, bitte festhalten: Ich muss heute den Senat mal loben. Ernsthaft. Nach jahrelanger chaotischer Personalpolitik – ich sage nur: rund 2.000 zusätzliche Stellen im öffentlichen Dienst seit 2018 – hat sich die Landesregierung endlich auf eine Personal-Bremse verständigt. Was ein drohender Sparkommissar des Bundes doch so alles bewirken kann! Außerdem: Die Grüne Umweltsenatorin ist offenbar dabei, die Umzugsträume ihres Ressorts zu beerdigen.

Ich will mich wirklich nicht wiederholen. Aber es muss mal wieder sein: Unsere sich selbst großartig fühlende Lokalzeitung ist erneut im Schlaf der Selbstgerechten versunken.

Das Blatt hatte ja erfreulicherweise sowohl auf den ungebändigten „Personalaufwuchs“ in Behörden als auch auf den geplanten sündhaft teuren Umzug der Umweltbehörde hingewiesen. Aber dann – dann kam nix mehr.

Also mal wieder selbst recherchieren.

Beispiel Stellenvermehrung im öffentlichen Dienst.

Der Senat hat nach früheren erfolglosen Bitten von Finanzsenatoren diese Woche endlich eine „Kommission für zentrale Personalbedarfsplanung“ eingesetzt. Ihr gehören an: Bürgermeister Dr. Andreas Bovenschulte (SPD), Finanzsenator Björn Fecker (Grüne) und Wirtschaftssenatorin Kristina Vogt (LINKE). Sie sollen künftig darüber wachen, dass die Fachsenatoren nicht mehr wie in der Vergangenheit munter neue Stellen schaffen – und keiner weiß, wovon die neuen Mitarbeiter künftig bezahlt werden.

Hört sich für Sie nicht so prickelnd an? Beim Weiterlesen werden Sie den Sprengstoff erkennen, der diesem Senatsbeschluss innewohnt. Wobei man sagen muss, dass es am Ende nicht um die Kürzung der absoluten Beschäftigtenzahl geht, sondern um ein Einfrieren derselben. Aber in Bremen wird man mit der Zeit ja genügsam…

Genug des Vorspiels, hier das Zitat aus einer Senatsmitteilung vom 19.11.2024:

„Die Senatskommission hat das Ziel, den Personalbestand in der öffentlichen Verwaltung ab 2025 konstant zu halten. Ausgenommen sind davon die Polizei, Justiz, Steuerverwaltung sowie Schulen und Kitas. (…) Das notwendige Wachstum einzelner Aufgabenbereiche soll durch Abwuchs in anderen Verwaltungsbereichen ausgeglichen werden. Um das zu erreichen, wird für die Personalmenge in der Kernverwaltung eine quotale Einsparung in Höhe von 1,45 Prozent eingeführt. Das entspricht rund 80 Stellen pro Jahr. Diese 80 Stellen stehen zur Verfügung, um auf unabweisbare Mehrbedarfe reagieren zu können und die bürgernahen Dienste zu stärken. Die Ressorts müssen ihre Bedarfe anhand einheitlicher Vorgaben begründen. Die Senatskommission beschließt über die Verteilung der Stellen.“

Fecker hatte sich mehrfach ein fehlendes Vetorecht bei Stellenschaffungen beklagt. Jetzt kriegt er es zumindest im Rahmen einer neuen „Dreier Bande“.

Der Bremer Etat fürs kommende Jahr wird dadurch nicht zwangsläufig besser. Aber die Regelung lässt hoffen, dass sich der Öffentliche Dienst nicht mehr amöbenmäßig vermehrt.

Das zweite (Halb-)Lob gebührt Umweltsenatorin Kathrin Moosdorf (Grüne). Sie hat sich offenbar eines Besseren besonnen, will ihre Behörde womöglich nicht mehr im schicken, aber teuren Wesertower unterbringen. Womöglich, schauen wir mal.

Der WK hatte zwar über die schaurig teuren Pläne berichtet. Aber nicht, wie es nach Moosdorfs zweiten erfolglosen Vorstoß im Senat weiterging.

Dem Rechercheur ist bekanntlich nix zu schwör. Also Anfrage an die Pressestelle der Umweltbehörde: „Hallo Frau.., hat sich an den Umzugsplänen Ihres Ressorts inzwischen etwas geändert? Ich hörte, dass das Thema nicht zum dritten Mal im Senat war.“

Antwort: „Wir prüfen derzeit, wie eine gute Lösung für die Mitarbeiten hinzubekommen ist.“

Für Optimisten klingt das nach: Umzug in ein nahezu doppelt so teures Bürogebäude ist abgeblasen. Jetzt werden andere, günstigere Räume gesucht.

Liebe Leserschaft, bitte sehen Sie mir noch einen (vorerst letzten) Hinweis auf unserer – zumindest wegen der Todesanzeigen – begehrten Lokalblattes nach.

Das Interview der Chefredakteurin Silke Hellwig mit Bildungssenatorin Sascha Aulepp (SPD) am vorigen Wochenende eignet sich für die Journalisten-Ausbildung – wie man’s nicht macht. Die Fragen waren mitfühlend, teilweise geradezu liebedienerisch. Sozialdemokraten mögen vor Rührung dahingeflossen sein. Leserinnen und Leser mit analytischem Verstand und Wissen um die Wirklichkeit aber eher verständnislos mit dem Blatt gehadert haben. Frau Aulepp durfte Maßnahmen ernsthaft als etwas Besonderes preisen, die in Hamburg seit Jahren erfolgreich angewendet werden. Beispiel: jeden Tag in der Schule vorlesen und lesen.

Mit diesem Interview hat die Redaktionschefin sich selbst, ihrem Verlag und der schreibenden Zunft keinen Gefallen getan. Bin mal gespannt, ob die Kollegin die Größe aufbringt, etwaige negative Leserbriefe zu veröffentlichen (einer liegt mir vor).

Munter bleiben!

Herzlichst

Ihr Axel Schuller

P.S.: Damit Sie meine Kritik an dem Aulepp-Interview inhaltlich besser nachvollziehen können, dokumentiere ich den (bislang vom WK unveröffentlichten) Leserbrief eines ehemaligen Bremer Spitzenbeamten (Senatsdirektor) in einem Extra-Stück. Prädikat: Sehr lesenswert.