Ohnehin hohe Gehälter – was soll der unnötige Warnstreik bei Radio Bremen?
„ButenunBinnen“ am Donnerstag? Fehlanzeige. Freitag? Auch nix. Reguläres Radio-Programm? Na ja. RB-Online – kannste knicken. Was ist los? Bei Radio Bremen läuft noch bis Sonntag, 0.15 Uhr, ein Warnstreik. Zur Rettung des Senders? Nee. Zur Verteidigung der Pressefreiheit? Auch nicht. Nein, die Beschäftigten verlangen sage und schreibe 10,5 Prozent mehr Lohn. Was soll das? Immerhin gibt es für den SWR bereits eine Einigung – mit geringerer Lohnsteigerung.
Erinnern wir uns. Der Öffentlich Rechtliche Rundfunk (ÖRR) hat in den vergangenen Jahren an Vertrauen und Ansehen verloren. Und zwar aus eigenem Verschulden. Die Öffentlich Rechtlichen haben es einfach zu doll getrieben. Einige wollen uns erzählen, wie wir zu reden haben, was political correct ist und was nicht. (Wenigstens das Gendern hat sich Radio Bremen verkniffen). Und dann ist da die häufig einseitige Ausrichtung der Programme. Viele Hörer und Zuschauer werden allmählich ungeduldig und ungnädig.
Radio Bremen „glänzte“ jüngst mit dem Einklinker „Warnmeldung“ (statt „Eilmeldung“) zur Nominierung von Thomas Röwekamp zum Bundestagskandidaten der CDU. Trotz des offensichtlichen Flüchtigkeitsfehlers brach im Netz kurzzeitig ein Sturm gegen „die“ Öffentlich-Rechtlichen los.
Das sollte den Kolleginnen und Kollegen zu denken geben.
Der ÖRR ist halt nicht mehr so unumstritten wie noch vor 20 oder 30 Jahren.
By the Way: Damals hatte die „andere Seite“ der Gesellschaft auch noch eine „eigene“ Sendung: Gerhard Löwenthal verlieh den Konservativen wenigstens ab und zu eine öffentliche Stimme. Aber heute…
Zurück zum „Warnstreik“ bei Radio Bremen.
Verdi hatte für alle ÖRR gefordert, die Gehälter um 10,5 Prozent zu erhöhen. Beim SWR haben sich Arbeitgeber und -nehmer bereits am 18.11. auf einen Kompromiss geeinigt. 4,7 Prozent im ersten Jahr der Laufzeit, 1,2 Prozent im zweiten Jahr.
Jetzt raten Sie mal, was Radio Bremen seinen Arbeitnehmern angeboten hat? 4,71 im ersten und 1,23 Prozent im zweiten Jahr der Laufzeit. Und das, obwohl die oberen Finanzermittler aller Öffentlich-Rechtlichen für die geplante Gebührensteigerung gerade mal jeweils 2,71 Prozent für 2025 und 2026 eingeplant hatten.
Aber die Arbeitnehmervertreter an der Weser machen trotzdem weiter Rabatz. Wieso, weshalb, warum?
Sind sich die Mitarbeiter des kleinsten ARD-Senders eigentlich ihrer besonderen Stellung bewusst? Die Anstalten öffentlichen Rechts mussten – meines Wissens – noch nie betriebsbedingte Kündigungen aussprechen. Grund: Sie sind – auch in Bremen – in der Verfassung abgesichert. Also, würde RB insolvent, müsste der Staat einspringen.
Man kann auch sagen: Diese Arbeitsplatzsicherheit entspricht der des öffentlichen Dienstes. Sie müsste regulär als Lohnabschlag bewertet werden.
Die Gehälter der ÖRR entsprechen aber keineswegs denen des Öffentlichen Dienstes. Die Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs – KEF – stellt alle paar Jahre fest, der ÖRR habe sich deutlich vom ÖD entfernt.
In der aktuellen Tarifauseinandersetzung bei Radio Bremen fordern die Gewerkschaften aber ähnlich viel, wie der Öffentliche Dienst voriges Jahr eingesackt hat. Die Staatsdiener und Pensionäre wurden (übermäßig) mit nahezu 11 Prozent plus Einmalzahlung belohnt.
Die IG Metall hat in der aktuellen wirtschaftlichen Anspannung dagegen viel gefordert, aber maßvoll bei 2 im ersten und 3,1 Prozent im zweiten Laufzeitjahr abgeschlossen.
Radio Bremen-Mitarbeiter bestehen dagegen weiterhin auf 10,5 Prozent. Der ohnehin zur Hälfte von anderen Rundfunkanstalten finanzierte Sender bietet – wie gesagt – insgesamt fast 6 Prozent.
Bevor doch noch Mitgefühl mit den RB-Kollegen aufkommt, möchte ich Ihnen, liebe Leserschaft, ein paar Zahlen an die Hand geben.
Nur wer das Ausgangsniveau der Gehälter kennt, kann die Forderungen einordnen und beurteilen.
Also, Redakteure bei Radio Bremen erhalten laut Eigendarstellung des Senders zwischen 4.651 und 8.108 Euro Monatslohn. An Sekretäre bzw. Sachbearbeiter m/w werden beispielsweise zwischen 3.056 und 5.431 Euro gezahlt.
Die von-bis-Angaben beziehen sich auf Berufseinstieg und Laufbahn-Ende. Die reguläre Gehaltstabelle reicht bis Stufe XII, in der Endstufe bedeutet dies 9.802,59 Euro. Solche Gehälter beziehen „Hauptabteilungsleiter“. Dazu gehören wohl Chefredakteure m/w und der Chef von ButenunBinnen.
Alles was darüber hinaus geht – wie Programmchefs – findet sich in der Tabelle der Außertariflichen wieder. Endstufe bei Radio Bremen: 12.887,44 Euro – plus Familienzuschlag, Beihilfe, Vermögenswirksame Leistung, Essensgeld – so steht es auf der RB-eigenen Seite.
So, liebe Leserschaft, nun können Sie sich vielleicht ein besseres eigenes Bild machen, worum es geht.
Ich versage es mir, die teilweise deutlich niedrigen Gehälter deutscher Tageszeitungen dagegen zu stellen. Das wäre der Solidarität der Journalisten untereinander vermutlich abträglich.
Munter bleiben!
Herzlichst
Ihr Axel Schuller
Ich habe absolut nichts vermisst. 🙂
RTL / SAT1 haben auch Regionalprogramme bei denen es an nichts fehlt.
Von mir aus könnten die den GESAMTEN RADIO und TV Betrieb DAUERHAFT einstellen. Die guten Leute sind schnell wieder bei anderen Sender im Job.
Moin Herr Schuller
Als regelmäßiger Buten un Binnen Zuschauer und Bremen eins Hörer bemerke ich den Streik auch.
Am ersten Streiktag war ich ärgerlich und habe wie sie gedacht, beamtenähnliches gut bezahltes Arbeitsverhältnis und unverschämt hohe Intendantengehälter. Alles GEZ finanziert und ein sicheres Einkommen.
Dann habe ich meine täglichen Informationen aus dem Netz bezogen und mich über mein Zeit Abo gefreut. Auch ohne Radio Bremen muss ich nicht hungern und frieren.
Das Streikrecht ist ein hart erkämpftes Recht, das aus meiner Sicht für ein kleinwenig Gleichgewicht zwischen Kapital und Arbeit sorgt.
Bei den Lohnverhandlungen kommen sicherlich alle Argumente auf den Tisch. Da sollte sich kein Außenstehender einmischen.
Thema sollte mehr die Qualität des öffentlich-rechtlichen Rundfunks sein.
Nette Grüße
Moin Axel! Was meinst Du mit der „häufig einseitigen Ausrichtung der Programme“? Und wünscht Du Dir allen Ernstes einen Hetzer wie Gerhard Löwenthal zurück?
Das Recht zu Streiken ist hart erkämpft, und ein hohes Gut.,
Das sollte nicht vermischt werden mit der Qualität dessen, was der Steuerzahler dafür bekommt.
Wir haben schon lange aufgehört Buten und Binnen, oder die Bremer Radiosender einzuschalten, nach dem wir am eigenen Leib erfahren haben, wie einseitig hier berichtet wird. Uns hat nichts gefehlt, also, gerne einstellen, das Geld können wir uns sparen.
Da sitzen bei Radio Bremen sehr gut bezahlte Mitarbeiter im goldenen Schaukelstuhl und streiken trotzdem. Radio Bremen Ist ein Produkt der Nachkriegszeit und längst überflüssig
Allerdings nicht für die Bovenschulte-Koalition, deren Hofberichterstattungen Radio Bremen übernimmt
Nachdem VERDI bei den Tageszeitungen nichts mehr zu sagen hat´, muss der ÖRR herhalten
Möglicherweise läuft es ja auch so, wie früher schon: Mitarbeiter, die dann 10% mehr Gehalt bekommen, werden bei nächster Gelegenheit outgesourced, und arbeiten am alten Arbeitsplatz weiter- weil sie als Free-lenzer wieder – für mehr Geld – eingestellt werden. Kommt nur aus dem andern Topf. Ein paar Leute werden dabei hinten runter fallen. Aber was schert das die Gewerkschafter. Als Selbstständige sind diese Leute ja ohnehin keine Mitglieder mehr, sondern gehören zur „anderen Seite“! 🙄
Preisfrage: wie weitsichtig sind die Streikenden!!!
Es bleibt so. Arbeitnehmerrechte sind nicht so Ihres, Herr Schuller. Sich einerseits auf die Verfassung zu beziehen und andererseits das Streikrecht in Frage zu stellen, offenbart eine gewisse Doppelmoral. Die Sekretärin oder der Herr am Empfang dürfte dabei kaum Einfluss auf die Programmqualität haben und diese kann deshalb noch weniger als Argument gegen den Streik herangezogen werden.
Vermutlich ist es der demografischen Leserstruktur des Blogs geschuldet, dass ein entscheidendes Problem aussen vor bleibt: keiner unter 30 schaut mehr fern. Weder ÖR noch irgendwelche peinlichen Privatsender.. Zeitungen sind von gestern. Man wird sich verändern und einige auch weichen müssen. Daran ändern auch moderate Tarifabschlüsse nichts mehr.
Streikrecht natürlich ok. Aber vor dem Hintergrund der vielen tausend Menschen, die derzeit um ihren Arbeitsplatz bangen müssen ist dieser Komfortstreik schlichtweg miserabel.
Lieber Eckhard Stengel,
Löwenthal war wohl ein Hetzer. Da bin ich doch froh, dass wir inzwischen so großartige Journalisten wie Anja Reschke und Georg Restle haben. Ganz zu schweigen von so großartigen Unterhaltungskünstlern wie Jan Böhmermann und die unglaublich witzige Carolin Kebekus.
Manchmal frage ich mich wirklich, ob meine Ex-Kollegen den Hang zum Realismus komplett verloren haben. Um es in der Sprache meiner 20jährigen Tochter auszudrücken. „Der ÖRR ist lost“. Leider.
Einen Dieter Nuhr kann ich auch auf YouTube schauen
Moin Herr Schuller,
habe sie schlecht bzw überhaupt nicht recherchiert oder die Fakten schlicht ignoriert?
Bei dem Streik geht es nach dem Abschluss bei anderen Sendern weniger um die Entgelterhöhung. Sondern es geht um die unterschiedliche Bezahlung für gleiche Arbeit.
Da verlangen die Gewerkschaften eine Angleichung.
Es gibt bei Radio Bremen Unterschieden zwischen festen und freien Mitarbeitern und es gibt bei Bremedia Einkommensunterschiede von 30% zwischen Mitarbeitern mit einem alten Radio Bremen Vertrag und Mitarbeitern, die bei Bremedia eingestellt wurden. Gerechtigkeit ist der Kern der Auseinandersetzung und nicht „Maßlosigkeit“, wie aus ihrem Artikel zu lesen.
@Herrn Stahmann: die von Ihnen beschriebenen Unterschiede gibt es in vielen Branchen, u.a. Auch bei Mercedes zwischen Stammbelegschaft und Leiharbeitern. Allen – auch den Betriebsräten – ist insgeheim bewusst, dass die hohen Entgelte der Stammbelegschaft nur dadurch zu halten sind, dass man diese Unterschiede im Wege einer Mischkalkulation aufrecht erhält.
Moin,
welche Laus ist Ihnen denn schon wieder über die Leber gelaufen? Das Streikrecht wird jetzt abhängig gemacht von der Höhe der Forderungen? Oder ist nur etwas für Beschäftigte, die in der unteren Gehaltsgruppe sind? Was ist denn das für ein Verständnis? Da ist der Schritt ja nicht mehr weit, beispielsweise einem Busfahrer ein höheres Gehalt zu verweigern, weil ja dann die Fahrpreise erhöht (oder die Mitfinanzierung durch den Steuerzahler) steigen würde.
So so, der öffentlich-rechtliche Rundfunk „hat in den letzten Jahren an Ansehen und Vertrauen verloren“. Was ist denn dafür nach Ihrer Ansicht die Ursache? Maßgeblich dafür ist sicherlich das Geschwurbel von Corona-Leugnern und Generalskeptikern vom rechten Rand.
Und bevor sie mit der Höhe des Rundfunkbeitrags argumentieren mögen: der Weserkurier ist mehr als doppelt so teuer und bietet weniger Vielfalt auf zahlreichen Hörfunkwellen oder eine solche Vielzahl von Fernsehprogrammen live und in den Mediatheken.
An die Adresse von Frau Karbe: Gerade die freien Mitarbeiter bei den öffentlich.-rechtlichen Sendern sind Mitglieder der Gewerkschaft, weil auch ihre Honorare von Verdi und DJV mitverhandelt werden.
@Herrn Stahmann. Nachfolgende Presseerklärung von Verdi vom vorigen Donnerstag war (u.a.) Grundlage meines Blogstücks:
RADIO BREMEN
ver.di ruft Beschäftigte von Radio Bremen und von Bremedia ab heute 15:00 Uhr Nachmittag zu einem dreitägigen Warnstreik auf
Die Gewerkschaft ver.di erhöht in den Tarifverhandlungen für die Beschäftigten von Radio Bremen und der Tochtergesellschaft Bremedia den Druck auf die Arbeitgeber*innen.
28.11.2024
ver.di ruft Beschäftigte von Radio Bremen und von Bremedia ab heute 15:00 Uhr Nachmittag zu einem dreitägigen Warnstreik auf
Die Gewerkschaft ver.di erhöht in den Tarifverhandlungen für die Beschäftigten von Radio Bremen und der Tochtergesellschaft Bremedia den Druck auf die Arbeitgeber*innen. Die Kolleg*innen, der betroffenen Unternehmen sind zu einem dreitägigen Warnstreik aufgerufen. Die Arbeitskampfmaßnahme beginnt bereits heute, Donnerstag, 28. November, um 15 Uhr. Sie endet am Sonnabend um Mitternacht. Am Freitag ist gegen 12:30 Uhr eine Kundgebung vor dem Sender geplant.
In den bisherigen sechs Verhandlungsrunden seit Mai, ist Radio Bremen, aus Sicht der ver.di-Tarifkommission, seiner Verantwortung gegenüber den Beschäftigten bislang nicht gerecht geworden. Um den Verantwortlichen bei dem Sender den Ernst der Lage vor Augen zu führen, haben sich die Kolleg*innen für den dreitägigen Warnstreik entschieden. „Wir bedauern jeden Programmausfall im essenziellen öffentlich-rechtlichen Rundfunk sehr und hoffen, dass die Geschäftsführung keine weiteren Ausfälle erzwingt“, sagt Markus Westermann von verdi Bremen.
ver.di fordert Gehalts- und Honorarsteigerungen von 10,5 Prozent für dieses Jahr. Damit sollen lediglich die Einkommensverluste aus diesem und in den vergangenen drei Jahre annähernd ausgeglichen werden, in denen Steigerungen von insgesamt 9 Prozent einer Inflation von bisher 19 Prozent gegenüberstehen. Der Sender bietet eine Anhebung der Entgelte um 4,71 Prozent in diesem Jahr und eine mögliche weitere Steigerung um weitere 1,23 Prozent im übernächsten Jahr an, gekoppelt an die Bedingung, nicht vor Mitte 2026 über weitere Entgeltsteigerungen zu verhandeln.
Am Freitag, den 29. November 2024 gegen 12:30 Uhr, ist eine Kundgebung vor dem Sender geplant.
@HH. Fasche und Stein: Ich habe den Beitrag von Herrn Schuller mindestens 5 mal darauf durchgelesen, ob er das Streikrecht in Frage gestellt hat. Bin beim besten Willen nicht fündig geworden. Gefunden habe ich Zweifel an der Berechtigung der Streikgründe. So rein logisch ist das doch was ganz anderes? Finden Sie nicht?