Die Sicht von Innensenator Mäurer auf Auswüchse des Kirchen-Asyls

04.12.2024 9 Von Axel Schuller

Was denkt sich eigentlich so mancher Pastor? Dass er und „die gute Sache“ über dem gültigen Recht stehen? In der Nacht auf Dienstag haben rund 100 Personen und der Pastor der Zions-Gemeinde verhindert, dass ein Somalier – nach geltendem Recht – in sein „Einreiseland“ Finnland überstellt wird. Als Ergänzung zu der Berichterstattung können Sie hier die Erklärung von Innensenator Ulrich Mäurer (SPD) nachlesen – um sich ein eigenes Bild zu machen. Am Ende des Textes noch ein Spontan-Gedanke…

Nachfolgend Mäurers erklärender Text.

ZITAT Anfang:

Kirchenmitglieder und Vermummte verhindern Dublin-Rücküberstellung eines Somaliers nach Finnland

„Am frühen Dienstagmorgen (3. Dezember 2024) haben bis zu 100, teilweise vermummte Personen in Wohnräumen einer Kirche in der Bremer Neustadt die Rücküberstellung eines Somaliers nach Finnland verhindert. Dazu Innensenator Ulrich Mäurer: „Mit der Aktion wird gegen eine gültige Vereinbarung verstoßen. Staat und Kirchen müssen darüber dringend reden.“

Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) hatte in dem Fall nach intensiver Prüfung entschieden, dass der Mann nach Dublin-Regeln nach Finnland zurückkehren muss. Danach hat die Kirche eine weitere Überprüfung (Dossier-Verfahren) beantragt.

Innensenator Ulrich Mäurer: „Das BAMF hat den Fall erneut geprüft und ist bei seiner Rechtsauffassung geblieben, dass es sich nicht um einen Härtefall handelt und dem Mann in Finnland nichts passieren wird. Diese Entscheidung haben wir und auch die Kirchen zu akzeptieren.

Dass die Kirchengemeinde nach erfolgreicher Verhinderung auch noch mitten in der Nacht die Glocken läutete, ist an Zynismus nicht zu übertreffen und sicherlich auch nicht im Sinne der meisten Bremerinnen und Bremer.“

Die Kirche halte sich nicht mehr an eine 2015 abgeschlossene Vereinbarung, so Mäurer. Er erklärt, was bisher galt: „Die Kirchen können Menschen, die das rechtsstaatliche Verfahren schon durchlaufen haben, in besonderen Härtefällen Asyl gewähren. Diese Fälle werden dann noch einmal vom BAMF geprüft. Erkennt das BAMF die Einwände nicht an, muss der Betroffene das Kirchenasyl verlassen. Geschieht das nicht, stellt die Kirche unseren Rechtsstaat grundsätzlich infrage.“

Der konkrete Fall:
Der Betroffene ist
somalischer Staatsangehöriger und über Russland zunächst nach Finnland geflohen. Dort wurde er innerhalb der Europäischen Union erstmals registriert (Dublin-Fall). Nach knapp drei Monaten in Finnland ist er dann über die skandinavischen Länder nach Deutschland weitergereist und hat hier einen Asylantrag gestellt. Im Rahmen der BAMF-Anhörung erklärte er, in Deutschland keine Familie zu haben. Aufgrund der Registrierung in Finnland ist dieses Land zuständig, über den Asylantrag des Mannes zu entscheiden. „Deshalb muss er zur Durchführung seines Asylverfahrens nach Finnland zurück.“ so Mäurer.

Kirchenasyl in Bremen – Tendenz steigend

„Die Zahl der Kirchenasyl-Fälle ist in Bremen in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen. Von 16 im Jahr 2021 auf über 100 allein in diesem Jahr“, so Mäurer. „Alle Beteiligten haben sich jahrelang an die Verabredungen gehalten. Ich stehe mit den Kirchen im permanenten Austausch und habe auf die Risiken hingewiesen, die entstehen, wenn dieses System aus dem Ruder läuft. Jetzt ist eingetreten, was ich befürchtet habe. Wir haben vom BAMF unter Angabe einer Frist die Aufforderung bekommen, den Mann zurückzuführen. Dem müssen wir jetzt Folge leisten, das ist Bundesrecht. Wir haben den Betroffenen deshalb in den letzten Tagen aufgefordert, das Kirchenasyl zu verlassen und ebenso die Kirche gebeten, ihn zum Verlassen der Räumlichkeiten aufzufordern.“

Die Steigerung der Kirchenasylfälle ist bundesweit zu verzeichnen. Die Innenministerkonferenz wird sich deshalb ab Mittwoch mit diesem Thema beschäftigen. Mäurer: „Meine Position ist dabei eindeutig: Die letzte Entscheidung bei Dublin-Fällen hat der Staat und sie darf nicht von den Kirchen allein getroffen werden.“

ZITAT Ende

Die Bremer Grünen und LINKEN tragen Mäurers Anwendung des Bundesrechtes nicht mit. Während die Fraktionschefs m/w dieser Regierungsparteien klar gegen den Einsatz der Polizei wetterten, verschlug es der SPD-Bürgerschaftsfraktion die Sprache. Über Wirtschaftssenatorin Kristina Vogt (Linke) hieß es gestern, sie habe sich mit Bürgermeister Dr. Andreas Bovenschulte (SPD) über den Polizeieinsatz gestritten. CDU, FDP und BD stützten übrigens Mäurers Auffassung.

Liebe Kirchen-Leute, wo soll Ihre Art der Auslegung des Rechtes enden? Eine Rückkehr nach Finnland (dieser Staat gehört der EU und der NATO an) gilt Ihnen als zu unsicher. Wie verhält es sich aus Ihrer Sicht, wenn ein Migrant zunächst in Spanien registriert wurde, sich bis Deutschland durchgeschlagen hat und nach der „Dublin-Regel“ zum regulären Asylverfahren nach Spanien gebracht wird? Ist Spanien auch zu unsicher?

Zur Erinnerung: Die EU hat sich mühsam darauf geeinigt, dass Asylanträge dort bearbeitet werden, wo Flüchtlinge erstmals in der EU registriert wurden. So will man verhindern, dass eine übermäßige Zahl direkt nach Deutschland weiterreist.

Spontan-Gedanke: Wenn Kirchengemeinden sich in sogenannten Dublin-Fällen bewusst über EU- und Bundesrecht stellen, sollten sie auch überlegen, künftig die daraus resultierenden Kosten zu übernehmen.

Munter bleiben!“

Herzlichst

Ihr Axel Schuller