Die Sicht von Innensenator Mäurer auf Auswüchse des Kirchen-Asyls
Was denkt sich eigentlich so mancher Pastor? Dass er und „die gute Sache“ über dem gültigen Recht stehen? In der Nacht auf Dienstag haben rund 100 Personen und der Pastor der Zions-Gemeinde verhindert, dass ein Somalier – nach geltendem Recht – in sein „Einreiseland“ Finnland überstellt wird. Als Ergänzung zu der Berichterstattung können Sie hier die Erklärung von Innensenator Ulrich Mäurer (SPD) nachlesen – um sich ein eigenes Bild zu machen. Am Ende des Textes noch ein Spontan-Gedanke…
Nachfolgend Mäurers erklärender Text.
ZITAT Anfang:
Kirchenmitglieder und Vermummte verhindern Dublin-Rücküberstellung eines Somaliers nach Finnland
„Am frühen Dienstagmorgen (3. Dezember 2024) haben bis zu 100, teilweise vermummte Personen in Wohnräumen einer Kirche in der Bremer Neustadt die Rücküberstellung eines Somaliers nach Finnland verhindert. Dazu Innensenator Ulrich Mäurer: „Mit der Aktion wird gegen eine gültige Vereinbarung verstoßen. Staat und Kirchen müssen darüber dringend reden.“
Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) hatte in dem Fall nach intensiver Prüfung entschieden, dass der Mann nach Dublin-Regeln nach Finnland zurückkehren muss. Danach hat die Kirche eine weitere Überprüfung (Dossier-Verfahren) beantragt.
Innensenator Ulrich Mäurer: „Das BAMF hat den Fall erneut geprüft und ist bei seiner Rechtsauffassung geblieben, dass es sich nicht um einen Härtefall handelt und dem Mann in Finnland nichts passieren wird. Diese Entscheidung haben wir und auch die Kirchen zu akzeptieren.
Dass die Kirchengemeinde nach erfolgreicher Verhinderung auch noch mitten in der Nacht die Glocken läutete, ist an Zynismus nicht zu übertreffen und sicherlich auch nicht im Sinne der meisten Bremerinnen und Bremer.“
Die Kirche halte sich nicht mehr an eine 2015 abgeschlossene Vereinbarung, so Mäurer. Er erklärt, was bisher galt: „Die Kirchen können Menschen, die das rechtsstaatliche Verfahren schon durchlaufen haben, in besonderen Härtefällen Asyl gewähren. Diese Fälle werden dann noch einmal vom BAMF geprüft. Erkennt das BAMF die Einwände nicht an, muss der Betroffene das Kirchenasyl verlassen. Geschieht das nicht, stellt die Kirche unseren Rechtsstaat grundsätzlich infrage.“
Der konkrete Fall:
Der Betroffene ist somalischer Staatsangehöriger und über Russland zunächst nach Finnland geflohen. Dort wurde er innerhalb der Europäischen Union erstmals registriert (Dublin-Fall). Nach knapp drei Monaten in Finnland ist er dann über die skandinavischen Länder nach Deutschland weitergereist und hat hier einen Asylantrag gestellt. Im Rahmen der BAMF-Anhörung erklärte er, in Deutschland keine Familie zu haben. Aufgrund der Registrierung in Finnland ist dieses Land zuständig, über den Asylantrag des Mannes zu entscheiden. „Deshalb muss er zur Durchführung seines Asylverfahrens nach Finnland zurück.“ so Mäurer.
Kirchenasyl in Bremen – Tendenz steigend
„Die Zahl der Kirchenasyl-Fälle ist in Bremen in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen. Von 16 im Jahr 2021 auf über 100 allein in diesem Jahr“, so Mäurer. „Alle Beteiligten haben sich jahrelang an die Verabredungen gehalten. Ich stehe mit den Kirchen im permanenten Austausch und habe auf die Risiken hingewiesen, die entstehen, wenn dieses System aus dem Ruder läuft. Jetzt ist eingetreten, was ich befürchtet habe. Wir haben vom BAMF unter Angabe einer Frist die Aufforderung bekommen, den Mann zurückzuführen. Dem müssen wir jetzt Folge leisten, das ist Bundesrecht. Wir haben den Betroffenen deshalb in den letzten Tagen aufgefordert, das Kirchenasyl zu verlassen und ebenso die Kirche gebeten, ihn zum Verlassen der Räumlichkeiten aufzufordern.“
Die Steigerung der Kirchenasylfälle ist bundesweit zu verzeichnen. Die Innenministerkonferenz wird sich deshalb ab Mittwoch mit diesem Thema beschäftigen. Mäurer: „Meine Position ist dabei eindeutig: Die letzte Entscheidung bei Dublin-Fällen hat der Staat und sie darf nicht von den Kirchen allein getroffen werden.“
ZITAT Ende
Die Bremer Grünen und LINKEN tragen Mäurers Anwendung des Bundesrechtes nicht mit. Während die Fraktionschefs m/w dieser Regierungsparteien klar gegen den Einsatz der Polizei wetterten, verschlug es der SPD-Bürgerschaftsfraktion die Sprache. Über Wirtschaftssenatorin Kristina Vogt (Linke) hieß es gestern, sie habe sich mit Bürgermeister Dr. Andreas Bovenschulte (SPD) über den Polizeieinsatz gestritten. CDU, FDP und BD stützten übrigens Mäurers Auffassung.
Liebe Kirchen-Leute, wo soll Ihre Art der Auslegung des Rechtes enden? Eine Rückkehr nach Finnland (dieser Staat gehört der EU und der NATO an) gilt Ihnen als zu unsicher. Wie verhält es sich aus Ihrer Sicht, wenn ein Migrant zunächst in Spanien registriert wurde, sich bis Deutschland durchgeschlagen hat und nach der „Dublin-Regel“ zum regulären Asylverfahren nach Spanien gebracht wird? Ist Spanien auch zu unsicher?
Zur Erinnerung: Die EU hat sich mühsam darauf geeinigt, dass Asylanträge dort bearbeitet werden, wo Flüchtlinge erstmals in der EU registriert wurden. So will man verhindern, dass eine übermäßige Zahl direkt nach Deutschland weiterreist.
Spontan-Gedanke: Wenn Kirchengemeinden sich in sogenannten Dublin-Fällen bewusst über EU- und Bundesrecht stellen, sollten sie auch überlegen, künftig die daraus resultierenden Kosten zu übernehmen.
Munter bleiben!“
Herzlichst
Ihr Axel Schuller
Offensichtlich möchte SPD Innensenator Mäurer (73) sich im beginnenden Wahlkampf durchschaubar nunmehr als Hardliner profilieren, um SPD-Wählerpotential zurückzugewinnen, das aus der kleinbürgerlichen SPD Wählerschaft Richtung rechte Parteien abgewandert ist. Da er tatsächlich kriminelle Migranten aber nicht abgeschoben bekommt, weil die Herkunftsländer sie verständlicherweise nicht zurück haben wollen, setzt er nun bei den Schwächsten unter den Flüchtlingen an, weil: politische Erfolge müssen her. Dass Herr Mäurer sich bei verschiedenen politischen Themen mal auf das Bundesrecht bezieht und sich je nach Bedarf eigene Landesregeln bastelt, ist bezeichnend und richtungslos. Herr Mäurer sollte endlich zurücktreten, statt nun wahlkämpferisch schon wieder billig den Populisten zu geben. Wichtig wäre und ist es, wenn Opposition und Kirche sehr deutlich Position gegen diese durchschaubare Politik betreibt. Um es klar zu sagen: Gegen die Abschiebung krimineller Migranten hat niemand etwas. Im Gegenteil. Die haben ihr Schutzrecht verwirkt. Das ist bei diesem Flüchtling aber absolut nicht der Fall. Blick nach Bayern: »Am 23. November 2021 fasste der Bayerische Landtag auf Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen einen Beschluss, in dem festgestellt wurde, dass das Kirchenasyl „als Ausprägung der Gewissensfreiheit“ angesehen werde. Es wurde der „verfassungsrechtlich hohe Rang“ der Kirchen, insbesondere in Fragen der Glaubens- und Gewissensfreiheit betont. Der Landtag forderte zudem, dass „die wichtige humanitäre Schutzfunktion des Kirchenasyls als letzter Ausweg für Menschen in Not“ respektiert werde und stellte fest, dass die asylgebenden Kirchengemeinden „im Rahmen der grundrechtlich garantierten Glaubens- und Gewissensfreiheit“ handeln. Dennoch wies auch der Landtag unmissverständlich darauf hin, dass die Kirchen an Recht und Gesetz gebunden seien. Doch durch ihr Handeln ermöglichen sie „in besonderen Härtefällen eine nochmalige Überprüfung der Fluchtgründe des Einzelnen beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge“. Zudem forderte er die Staatsregierung dazu auf, Bericht über die strafrechtlichen Ermittlungsverfahren im Bereich des Kirchenasyls zu erstatten und dem Landtag aufzuzeigen, „wie sich eine einheitliche, die besondere Stellung der Kirchen berücksichtigende, staatsanwaltschaftliche Tätigkeit, sowohl im Norden als auch im Süden Bayerns, erreichen lasse“.[53] Der rechtspolitische Sprecher der grünen Landtagsfraktion und Mitinitiator des Antrags Toni Schuberl wertete dies als deutliches Statement des Landtags gegen die Verfolgungspraxis der Staatsanwaltschaften im Freistaat.[54]« https://de.wikipedia.org/wiki/Kirchenasyl
In einem freiheitlichen Rechtsstaat wie Deutschland (mit u.a. 3 juristischen Instanzen nach einem Verwaltungsverfahren) ist der Verstoß gegen dt. und europäisches Recht m.E. nicht akzeptabel! Hier wird z.B. keine Afghanin nach Kabul und keine Syrerin nach Aleppo abgeschoben, sondern im Rahmen der Dublin-Regeln ein Asylant ins ebenso freie und rechtsstattliche Finnland zurückgeführt. Wenn wir in diesem Fall der Evan. Kirche z.B. in Bremen eigene Rechtsregeln im Widerspruch zum gültigen und verfassungsgemäßen staatlichen Recht zugestehen, würden wir der muslimischen Glaubensgemeinschaft auch das Recht auf Anwendung der Scharia und die bereits öffentlich mit Nachdruck z.B. in Hamburg geäußerte Forderung nach einem Kalifat durchgehen lassen?
Hier konkret gehen die Befürworter des Kirchenasyls eindeutig zu weit; dagegen hat der Bremer Innensenator mit dem Gewaltmonopol des Rechtsstaates zielführend vorzugehen. Die Verantwortlichen handeln m.E. ohne Vorbildcharakter und verantwortungslos!
Das lässt sich auch nicht mit Humanität rechtfertigen.
Unter den 100 Demonstranten in der Zions-Gemeinde, die für den Verbleib des Somaliers in Deutschland votierten,
vermute ich doch eher Teilnehmer aus dem linken Spektrum. Ob das alles Christen sind bezweifele ich. Aber Finnland ist wohl zu kalt für einen Somalier; also muss er hier bleiben.
Wenn die Zions-Gemeinde dann die dauerhaft die Kosten für Unterbringung und Verpflegung übernehmen würde, wäre ja alles in Ordnung und Herr Mäurer könnte wohl zustimmen.
Wie gelangen Somalier an die russisch-finnische Grenze, tausende Kilometer von Somalia entfernt? Dieser Hintergrund erfordert bereits kritische Aufmerksamkeit, weil es ein durchschaubares Manöver von Putin darstellt, um die EU zu destabilisieren. Diese Menschen werden benutzt, haben aber auch Eigeninteressen. Die EU-Regelungen sind eindeutig und strikt zu beachten sowie die deutschen Gesetze, welche zumeist extensiv zugunsten zahlreicher oftmals illegal eingereister Personen angewendet werden.
Und nun kursiert in den Kreisen der sogenannten Flüchtlingshelfer das Kirchenasyl als letztes Hilfsmittel. Diese Leute kümmern offenbar keine staatlichen Vorgaben, sondern werden letztlich als Putins Gehilfen tätig, obgleich ihnen das nicht unbedingt bewusst sein muss. Ganz anders verhält es sich mit den hiesigen Parteifunktionären der Linken und den Grünen, die über den Tellerrand hinaus Denken und Handeln mögen, die trotz Kenntnissen der politischen und gesetzlichen Gegebenheiten, es wagen den Innensenator heftig zu kritisieren, gar seinen Rücktritt zu verlangen.
Eigentlich absurd, hat aber Methode, denn es sollen nicht staatliche Regeln sondern moralbasierte Weltanschauungen gelten. Regierungsbeteiligung als interne Opposition erfolgt nicht nur auf Bundesebene, wird in Bremen vielfach praktiziert und oft letztlich akzeptiert – oder?
Achtung, dies ist ein Kommentar von Karl H. Grabbe, dem es leider nicht gelungen ist, seine Sätze via Kommentarfeld auf der Blogseite zu platzieren.
Karl H. Grabbe schreibt:
Kirche und Staat sind getrennt. Auf dem Papier. Trotzdem nehmen Kirchen das Recht in Anspruch, Asyl gegen den Vollzug geltender Gesetze zu gewähren. Gilt das auch für z.B. Moscheen oder Scientology? Haben Geistliche, die straffällig werden, Recht auf Kirchenasyl? Oder ein Imam, der extremen religiöse Ansichten fördert? Und wie ist es mit den öffentlich-rechtlichen Rundfunksendern? Der Zwangsbeitrag als Quasisteuer finanziert, nicht nur jeden Sonntag, zur besten Sendezeit die Propaganda von Kirchen. Als Werbung wären dafür Millionen zu zahlen. Darf der Staat Bürger zwingen, über Zwangsabgaben Religionen zu fördern, wenn diese Bürger denen ablehnend gegenüber stehen? Muss er allen Religionen, gegebenenfalls im Verhältnis zur Mitgliederzahl, gleiche Rechte gewähren? Ist es Trennung von Kirche und Staat, wenn kirchliche Wohltätigkeitsorganisationen Steuergelder erhalten? Oder ist diese indirekte Missionierung ein Verstoss gegen die Trennung von Religion und Staat? Ist es Aufgabe des Verfassungsschutzes, die Einhaltung der Trennung von Religion und Staat sicherzustellen?
Einen wesentlichen Grund für das Kirchenasyl verschweigen sowohl BAMF als auch Innensenator: die vorgetragene Härte in diesem Fall waren mehrfache Puschbacks an der finnisch-russischen Grenze. Finnland hat damit mehrfach gegen Unionsrecht, Genfer Flüchtlingskonvention etc. verstoßen. Diese Pushbacks wurden aber nicht berücksichtigt. So nach dem Motto: Es kann nicht sein, was nicht sein darf.
Würden die Kirchenasyle nach dem Geist der 2015 getroffenen Vereinbarung zwischen Bundesamt und Kirchen geprüft und beschriebene Härten ernsthaft geprüft, hätten wir wahrscheinlich gar keine Probleme. Da das BAMF diese Vereinbarung (bei wesentlich geringeren Kirchenasyl zahlen) mehrfach einseitig geändert hat, haben wir nun diesen Konflikt.
Noch eine Anmerkung zu den geringeren Zahlen 2021: Während der Pandemiezeit gab es kaum Überstellungen. Diese Zahlen mit 2024 zu vergleichen ist wenig aussagekräftig.
In den letzten Tagen erreichte mich oft Anfragen, warum wir Menschen mit Zielüberstellungsländern wie z.B. Spanien, Finnland, Schweden etc. unter kirchlichen Schutz stellen. Diese Länder seinen doch sicher, so eine häufige Aussage. Das ist eben nicht so. Prinzipiell können wir feststellen, dass das europäische Asylsystem dysfunktional ist. Auch in den o.g. Ländern werden von staatlicher Seite regelmäßig Verstöße u.a. gegen Unionsrecht, der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) und Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) begangen. Schutzsuchende sind auch in diesen Ländern menschenrechtwidriger Behandlung durch den Staat oder Dritten ausgesetzt und daher gilt hier das Überstellungsverbot, weil den betroffenen Schutzsuchenden eine Verletzung des Verbots unmenschlicher und erniedrigender Behandlung droht. Würde das Bundesamt ernsthaft die vorgetragenen Härten prüfen und bewerten, würden wir die Auseinandersetzung um die Beendigung der Kirchenasyle nicht haben.
Die immer häufigeren Verstöße gegen die Menschenwürde, Unionsrecht, EMRK, GFK etc. führen auch dazu, dass die Zahlen der Kirchenasyle in den letzten zwei Jahren so stark gestiegen sind. Christ*innen sind aufgerufen, hier helfend und unterstützend einzugreifen, Hilfe und Schutz zu gewähren und zu mahnen.
Interessant, der Spontan-Gedanke: Zitat:
Spontan-Gedanke: Wenn Kirchengemeinden sich in sogenannten Dublin-Fällen bewusst über EU- und Bundesrecht stellen, sollten sie auch überlegen, künftig die daraus resultierenden Kosten zu übernehmen.
Die Kosten zu übernehmen? Sorry, aber wo kommt das „Kirchengeld“ denn her?
Mir reicht es jetzt mit meiner evangelischen Kirche, die sich mehr und mehr als Flüchtlingsorganisation entpuppt. Auf unsere bisherigen Beiträge muss sie nun verzichten. Ich glaubte sie als Bastion unseres christlichen Wertemodells. Kümmern tut sie sich aber scheinbar genau um jene, die damit so gar nichts am Hut haben. 2 Austritte mehr.
@Lars Ackermann: Ws mag ja sein, dass Finnland harte Pushbacks praktiziert hat, im vorliegenden Fall aber offensichtlich nicht. Der betreffende Herr ist ja erfolgreich nach Finnland eingereist und erst einmal dort verblieben. Wollen Sie behaupten, Finnland behandle Geflüchtete nicht regelkonform? Wenn Sie dafür aber keine Belege haben, fällt Ihre ganze Argumentation in sich zusammen.