Dürfen Verwaltungsrichter so weltfremd sein, dass es wehtut? / „Zions“ finnischer Basar…

11.12.2024 8 Von Axel Schuller

Deutsche Richter schweben (nach meinem Empfinden) zuweilen so fern über der rauen Wirklichkeit, dass es schon wehtut. Ja, ich weiß, „Richterschelte“ ist in unserem Land verpönt. Warum eigentlich? Das Handeln der Damen und Herren in den schwarzen Roben und weichen Sesseln darf nicht sakrosankt sein. Die jüngste Entscheidung des Bremer Verwaltungsgerichts zum Fall des somalischen Kirchen-Flüchtlings wirkt so weltfremd, dass ich an mich halten muss…

Falls Sie es nicht im WK gelesen haben: Das Bundesamt für Ausländer und Flüchtlinge (Bamf) hatte das Bremer Migrationsamt angewiesen, den flüchtigen somalischen Kirchenasylanten in der Zions-Gemeinde zu ergreifen und nach Finnland zu überführen. Das Verwaltungsgericht hatte diese Aktion nicht nur erlaubt, sondern sogar angewiesen. Deshalb war die Polizei in der Nacht zum Dienstag voriger Woche (3.12.) mit dem richterlichen Bescheid in der Neustadt-Gemeinde erschienen.

Die Aktion scheiterte, weil etwa 100 Menschen passiven, aber robusten Widerstand leisteten.

Die Polizei entschied sich zum Rückzug, um keine offene Konfrontation mit der Bremischen Evangelischen Kirche zu riskieren und um einen Aufstand zu vermeiden. Dabei hätte es sich gelohnt, beispielsweise Mitglieder der laut Verfassungsschutz „gewaltorientierten Basisgruppe Antifaschismus“ herauszugreifen.

Nunmehr hat das Verwaltungericht (9. Dezember) eine zweite Entscheidung getroffen. Sie widersprach dem Antrag des Bamf, die Frist zur Überführung des Somaliers nach Finnland zu verlängern (um ihn doch noch in den EU-Staat zu bringen).

Seit dessen Einreise nach Deutschland sind sechs Monate vergangen, so dass er seinen Asylantrag nunmehr in Deutschland stellen darf. Die vom Bamf beantragte Fristverlängerung zur Überführung lehnten die Richter mit der erstaunlichen Begründung ab, die Polizei hätte ja bis 7. Dezember Zeit gehabt, den Kirchenasylanten doch noch zu ergreifen

Ich zitiere die Richter laut Weser-Kurier-Berichterstattung:

„Selbst wenn sich I. in den kirchlichen Räumen des Gemeindezentrums aufgehalten hätte, wäre dies „kein rechtliches Hindernis für die Überstellung gewesen„, auch nicht bei Anwendung von Zwangsmitteln.“

Man stelle sich vor: Die Polizei wäre erneut in der Kirche erschienen. Hätte die Gemeinde den Mann freiwillig herausgegeben (wie in begründeten Fällen zwischen Staat und Kirche vereinbart)? Nein. Wären erneut zahlreiche Gutmenschen zum Schutz des Kirchenasyls aufmarschiert? Mit großer Wahrscheinlichkeit. Woher hätten die das (wie beim ersten Versuch) gewusst? Fast alle Asylbewerber lassen sich anwaltlich vertreten. Diese Juristen haben das Recht auf Akteneinsicht, sind also stets über alle behördlichen Schritte im Bilde. Behalten die das für sich? Unwahrscheinlich, wenn man erlebt, dass vor Kirchen Menschenketten gebildet werden – exakt zum Zeitpunkt einer geplanten Polizeiaktion.

Richter, die meinen, die Polizei könne ihrer Arbeit unter solchen Bedingungen einfach nachgehen, wissen offenbar nicht, was außerhalb ihres Gerichtsgebäudes los ist.

In diesem Zusammenhang: Die neue, von rot-grün-rot eingesetzte, „Polizeibeauftragte des Landes“ hat in ihrem ersten Jahresbericht – so die Medien – dargelegt, dass sie Zweidrittel der an sie herangetragenen Fälle durch „Information und Beratung“ lösen konnte. Der WK zitiert die Beauftragte mit den Worten: „Das sind vor allem Fälle, wo wir erklären mussten, warum die Polizei so handelt, wofür die Polizei da ist, wofür sie zuständig ist, aber eben auch, was nicht mehr Polizeiarbeit ist.“

Früher hätte so etwas eine simple Beratungsstelle übernommen – aber garantiert nicht nach B2 (Grundgehalt: 9.080 Euro) besoldet.

Aber, das arme Bremen hat für die wirklich wichtigen Anliegen des Staates offenbar doch noch genug Geld. 🙂

Eines habe ich der Berichterstattung übrigens nicht entnommen: Nämlich, dass die Polizeibeauftragte sich in ihrem Bericht etwa über zunehmende Beleidigungen und körperliche Attacken gegen Polizisten gegrämt hätte.

Ich befürchte, dass sich Polizisten manchmal nur noch wie Bürger zweiter Klasse fühlen könnten.

Munter bleiben!

Herzlichst

Ihr Axel Schuller

P.S.: Nachträglich wurde am Mittwoch Nachmittag eine Meldung aus dem Veranstaltungskalender der Zions-Gemeinde bekannt, die ich Ihnen nicht vorenthalten mag. Das Teil ist ein echter Brüller. Während die Gemeinde (wirklich alle Mitglieder?) den Somalier vor der Überführung nach Finnland bewahren wollte, hat am 7. Dezember von 12 bis 17 Uhr in der Gemeinde der traditionelle Finnische  Basar stattgefunden. Demnach hat sich das Gemeindezentrum „in ein kleines Paradies für in Bremen lebende Finnen und für Finnland liebende Bremen*innen verwandelt“. Und weiter hieß es auf der Zions-Website: „Als Gemeinde freuen wir uns sehr und unterstützen den finnischen Basar von großem Herzen.“ Da kann man nur hoffen, dass der somalische Flüchtling, der ins grausame Finnland zurückgebracht werden sollte, diesen fröhlichen finnischen Basar ausweichen konnte… Leute, manchmal schreibt das Leben Geschichten, die sich der begabteste Drehbuchautor wohl nicht ausdenken kann.

P.P.S.: Danke für die veröffentlichten und die vielen persönlichen Glückwünsche zum 400. Stück in meinem Blog. Immerhin oder vielleicht doch seltsamerweise: Ich habe nicht eine Schmähschrift erhalten.