Profi Bovenschulte lullt alle ein / Koalitionsende – eher unwahrscheinlich

15.12.2024 3 Von Axel Schuller

Bei aller berechtigten Kritik an Bürgermeister Dr. Andreas Bovenschulte (SPD) – eines muss man dem Mann lassen: Er versteht sich darauf, die Öffentlichkeit immer wieder einzulullen. Im Interview mit dem Weser-Kurier spielt er die in Wahrheit vorhandenen Probleme des gerade verabschiedeten Haushaltes für 2025 gekonnt herunter. Außerdem schlüpft er erneut in die Rolle des Moderators zwischen SPD, Grünen und Linken. Das Dollste aber: Er kommt damit in der Öffentlichkeit auch noch durch.

Das hat auch – sorry – mit den Medien zu tun, mit dem Zustand der bremischen Opposition, aber auch mit Bovenschulte selbst.

Der Bürgermeister ist seinen Unterstützern und vor allem seinen parlamentarischen Kritikern inzwischen soweit enteilt, dass ihm über kurz oder lang nur einer gefährlich werden kann: er selbst. Der Mann bürdet sich ein Arbeitspensum auf, das auf Dauer keiner durchhält.

Zum Haushalt 2025: Der Bruch der Berliner Ampel und folglich gerade eine wenig stringente Finanzpolitik des Bundes erweist sich für den Senat als wahrer Glücksfall. Statt Bremen nach dem übermäßigen Stellenzuwachs und für Polit-Kinkerlitzchen wie die „Freikarte“ an die Kandare zu nehmen, schloss der Bund noch einmal eine Sanierungsvereinbarung mit dem höchst verschuldeten Bundesland.

Dazu kommt die an sich unglaubliche Tatsache, dass Bremens Bevölkerung – zuvor unbemerkt! – so sehr gewachsen ist, dass Bremen ab 2025 (und rückwirkend) insgesamt 197 Millionen Euro aus der Bundeskasse erhält. So viel Glück musst du erst mal haben.

Dazu gesellen sich meist freundlich begleitende Medien.

Da wird schnell mal vergessen, dass in den Haushalten für Stadt und Land insgesamt 62 Millionen Euro als „globale Minderausgaben“ eingestellt sind. Dies ist eine Finanzlücke, die noch durch hartes Sparen oder durch Einnahme-Erhöhungen geschlossen werden muss.

Der Griff in die „Rücklagen“ in zweistelliger Millionen-Höhe sind in Wahrheit bislang nicht in Anspruch genommene Kredit-Ermächtigungen.

Außerdem: Bei den geplanten Steuereinnahmen ist unzureichend berücksichtigt, dass es mit der Wirtschaft allmählich abwärts geht – was im Verlauf des Jahres mit rückläufigen Steuereinnahmen einhergehen wird.

Die Etats für Soziales und Bildung, die 2024 bereits wenige Monate nach Beschlussfassung durchs Parlament aus dem Ruder gelaufen sind, werden jetzt zwar jeweils um rund 100 Millionen Euro verstärkt.

Haushaltsexperten rechnen dennoch damit, dass die Etatansätze auch in diesem Jahr nicht reichen werden.

Beispiel Sozialeressort: Dort gibt es offenbar noch immer kein professionelles Verfahren, wie Bremen Geld von unterhaltssäumigen Vätern zurückholt, das der Staat den alleinstehenden Müttern vorgestreckt hat.

Das Bildungsressort will zwar mehr Geld für das Mittagessen der Schüler einnehmen – im Haushaltsgesetz ist diese Mehreinnahme indes nicht zu finden

Die erhöhten Parkgebühren an den Straßenrändern sollen zusätzlich 1,4 Millionen Euro bescheren – nicht wissend, ob künftig noch mehr Menschen lieber in die Einkaufszentren mit kostenfreien Parkplätzen fahren.

Die Grunderwerbssteuer will die Regierung um 0,5 auf 5,5 Prozent erhöhen – und damit satte 10 Millionen Euro zusätzlich einnehmen. In Zeiten der Bauflaute weiß jedoch kein Mensch, ob dies eine Wunschzahl bleiben, oder Realität werden wird.

Das Bau– und Mobilitätsressorts hat mindestens zwei Mühlsteine am Hals hängen. Alle Bremer Weser-Brücken sind marode. Voll beladene Müllwagen müssen von „links der Weser“ über die A1 oder die B75 zur Müllverbrennung fahren.

Grüne Bausenatoren m/w haben die Weser-Querungen in 16-jähriger Zuständigkeit total vernachlässigt. Kein Mensch weiß, ob die für die Sanierung eingeplanten Gelder tatsächlich ausreichen werden.

Das gilt auch für die BSAG. Der Senat verlangt eine deutliche Senkung des Defizits. Doch für 2025 wird ein „Loch“ von 115 Millionen Euro eingeplant.

Eine Folge: Der Senat musste die Verdichtung des Fahrplanes aus finanziellen Gründen schieben. In Wahrheit weiß derzeit kein Mensch, ob die städtische BSAG mit den zugebilligten 115 Millionen überhaupt auskommt.

Erstens stehen bereits die nächsten Tarifverhandlungen vor der Tür. Und zweitens: Eine weitere, kostensenkende Vergabe von Buslinien an private Busunternehmen stößt an ihre Grenzen. Denn es  gilt ein alter Vertrag, wonach maximal 10 Prozent der Fahrleistung „nach draußen“ gegeben werden dürfen. Außerdem: Die Deutsche Bahn kauft aktuell den „Markt“ mit viel Geld leer. Während der vielen Gleiserneuerungen heuert die DB bundesweit private Busunternehmen für die notwendigen „Schienenersatzverkehre“ an. Folge: Diese Busse und Fahrer m/w fehlen auf dem Markt, die Preise steigen.

Zurück zum Haushalt: Christdemokrat Jens Eckhoff hat dem Senat während der Etatberatungen den Spiegel vorgehalten. Demnach spart Bremen im Vergleich zu 2024 lediglich 0,45 Promille ein.

Berlin kürzt seine Ausgaben währenddessen um 7 Prozent.

Zwei Stadtstaaten, zwei Landeshaushalte, zwei Zahlen – finde den Fehler.

Bürgermeister Andreas Bovenschulte hält den Bremer Etat dennoch für gelungen. Und für einen Beleg, dass SPD, Grüne und Linke weiter miteinander klarkommen.

Nach den Streitereien übers Kirchenasyl, die Bezahlkarte für Flüchtlinge, die Absenkung der Bremer Bauvorgaben auf Bundesniveau, hat ein Ende der Koalition im Raum gestanden. Auch dies hat Bovenschulte väterlich weggelächelt. Streit komme schließlich in den besten Familien vor…

Bislang gab es Spekulationen, Rot-Grün-Rot werde spätestens nach der Bundestagswahl am 23. Februar auseinanderfliegen. Mittlerweile nehme ich eher an, dass die drei bis zum regulären Bremer Wahltermin 2027 durchhalten werden.

Nicht, weil sie so gut zusammenpassen. Sondern, weil die Bremer CDU in einem schlechten Zustand ist. Landeschef Heiko Strohmann und Fraktionschef Frank Imhoff kämpfen um die Vormachtstellung, mancher Fachsprecher der Fraktion haut unkoordiniert irgendwelche Vorschläge raus. Dies törnt die SPD vermutlich noch mehr ab als realitätsfernes Gerede von Grünen und Linken.

Außerdem: Würde sich die SPD in Bremen tatsächlich mit der Union Anfang 2025 zusammentun, müsste die CDU genau überlegen, was sie innerhalb der verbleibenden zwei Jahre erreichen kann, um 2027 überzeugend vor die Wählerinnen und Wähler zu treten.

Also wird die bestehende Bremer Koalition wohl die Zähne zusammenbeißen und ihr Ding durchziehen. Egal, ob dies gut für Bremen ist.

Munter bleiben!

Herzlichst

Ihr Axel Schuller