Werder: Keine Zensur – unterschiedliche Reaktionen auf SVW, Kirchen und Sparkasse
Liebe Leserschaft, mein voriger Beitrag „Linke Hetze im Weserstadion – Bremens seltsames Gesellschafts-Puzzle“ hat extrem unterschiedliche Reaktionen hervorgerufen. Leider fast nur persönlich an mich gerichtet, nicht aber offen für jedermann lesbar. An einem Extrakt der Mails, Anrufe und Einträgen bei Facebook möchte ich Sie teilhaben lassen. Ferner: Der SV Werder Bremen hat sich zur Handhabung von Bannern im Stadion geäußert.
Fangen wir mit dem SVW an. Ich habe die Grün-Weißen gefragt, wer bei Werder für Banner auf den Tribünen zuständig sei und ob der Verein Banner wie „Feuer und Flamme den Abschiebebehörden“ genehmige? Außerdem wollte ich erfahren:
„Wie passen solche Gewalt-Aufrufe zur Begründung des SVW für den Ausstieg bei X („Hate-Speech“)?“
Darauf antwortete Werders Pressechef Christoph Pieper umgehend:
„In der Regel werden uns Banner und deren Inhalte vor den Spielen angekündigt und uns zur Kenntnis gebracht. Wir untersagen in der Regel nur Banner mit strafbarem oder beleidigendem Inhalt. Inhaltlich üben wir keine Zensur aus, auch wenn wir manche Aussage als grenzwertig erachten und ihren Inhalt häufig nicht teilen. Wir lassen uns nicht mit den Inhalten identifizieren, tolerieren aber die Meinungsfreiheit.“
Nach dieser Feststellung frage ich mich allerdings, weshalb Werder im Frühjahr (siehe Blog vom 24.3.24) Banner in der Fan-Kurve mit menschenverachtenden Sprüchen wie „All Cops are Bastards“ (acab, oder: „1312“) zulassen konnte.
Während ich viele zustimmende Anrufe und persönliche Mails zum Stück „Linke Hetze im Weserstadion“ erhielt, erfuhr ich auch von der Verärgerung unter Sparkassen-Kunden, die sich über die Spende des Bremer Marktführers an den Verein „Flüchtlingsrat“ empörten. Ein Blog-Leser schrieb ließ mich wissen:
„Dieser sog. Rat ist „links“ unterwandert und hat sich in der Frage des Kirchenasyls sehr fragwürdig und gesetzeswidrig verhalten.“ Als Kunde der Sparkasse wolle er den „Flüchtlingsrat“ auch nicht indirekt unterstützen.
Telefonisch bekam ich häufiger – zusammengefasst – zu hören: „Danke, dass Sie die Zusammenhänge zwischen Flüchtlingsrat, Kirche, Sparkasse und auch den Werder-Ultras aufgezeigt haben.“
Ein anderer Leser schrieb mir: „Sie haben es gut getroffen. Auch mir ist es unbegreiflich, wie Werder Aufrufe zu Gewalt zulassen kann. (…) Wir dürfen dabei nicht vergessen, dass Hubertus Hess-Grunewald, der Chef des Aufsichtrates im SV Werder, als SPD Bürgerschaftsabgeordneter zum Beispiel auch im Rechtausschuss des Bremer Parlaments sitzt.“
Zum Schluss will ich keineswegs verhehlen, dass der Beitrag „Linke Hetze im Weserstadion…“ von einigen auch äußerst kritisch gesehen wurde. Einer warf mir (ebenfalls leider nicht öffentlich) vor:
Ich (der Blog-Autor) würde mich mit einem „penetranten und stets rechthaberischen rechtspopulistischen Sound an den rechten Rand aller Debatten katapultieren“.
Liebe Leserschaft, ich finde die Themen des vorigen Beitrages so wichtig, dass ich Ihnen einen Ausschnitt der Reaktionen nicht vorenthalten mochte. Gerne lese ich dazu Ihre Meinungen im Kommentarfeld auf der Website.
Mein Wunsch für 2025 lautet: Möge sich das gesellschaftliche Klima bessern, so dass jeder und jede offen und ohne Angst vor befürchteten/tatsächlichen eigenen Nachteilen seine Meinung kundtue.
Munter bleiben!
Herzlichst
Ihr Axel Schuller
P.S.: Der SPIEGEL hat in seiner jüngsten Ausgabe Dr. Martin Hagen, Grüner Staatsrat im Bremer Finanzressort von Björn Fecker – von bremischen Medien leider unbemerkt – zu einem der 100 deutschen Hoffnungsträger ernannt. Sein Verdienst: Er hat den Antrag auf Elterngeld digitalisiert und damit das Verfahren für Eltern vereinfacht.
Bravo, Gratulation!
Drücken wir Martin Hagen die Daumen, dass er nun bei allem Ruhm den großen Bürokratie-Wust nicht aus dem Blick verliert und endlich (beispielsweise) die Online-Anmeldung von Autos voranbringt. Die Sympathie aller Bremer Autohändler wäre ihm so was von sicher…
Karl H. Grabbe schreibt: „In Bezug auf Kritik erlaube ich mir, Prof. Geyer aus Oldenburg (schon vor vielen Jahren) zu zitieren: ‚Der eigene Standpunkt ist ein Gesichtskreis mit dem Radius Null.‘ Oder wie meine Oma sagte: Nicht ärgern, nur wundern. Vor allem, wenn Leute anonym bleiben wollen, wenn sie „mutig“ ihre Überzeugung ausdrücken. In unserer Demokratie drohen doch keine Nackenschläge, wenn man zur Meinungsbildung beiträgt. Oder irre ich mich?“
Meinungsfreiheit im Wesertadion läge aber nur dann vor, wenn jeder berechtigt wäre, die seine in gleicher Form zu äussern. Das ist aber nicht so. Banner und ähnliches sind nur den Fans in der Ostkurve gestattet. Ich könnte meine Meinung auf der Nordtribüne also gar nicht gleichberechtig äussern, selbst falls ich ein Bundesligaspiel dafür geeignet fände, was freilich bislang nicht der Fall war.
Das ist geradezu so, als ob man in einem Spielbericht nur die Tore einer Mannschaft zeigen würde.
Achso, genau das macht Werder ja ohnehin…. Auf den Videotafeln werden tatsächlich keine Tore der Gastmannschaften gezeigt.
Ich komme immer wieder auf die „Schweigespirale“ zurück. https://de.wikipedia.org/wiki/Schweigespirale und hier ein Artikel von Norbert Bolz https://www.theeuropean.de/gesellschaft-kultur/interview-mit-norbert-bolz-viele-haben-angst-ihre-meinung-zu-sagen
Die Frage ist: Die Sparkasse hat ja gute Presse- und PR Mitarbeiter. Versuchen sie zum Beispiel zu ermitteln, wie die Mehrheit ihrer Kunden über diese Themen und über die von ihr geförderten Gruppierungen denkt? Wie die Werder PR-Leute versuchen (!) damit umzugehen, haben wir hier gelesen.
Bremen hat eine sehr laute und aggressive Minderheit, die bestimmte Themen besetzt. Sie wissen sehr gut, die Schweigespirale zu nutzen. Das sieht man auch daran, dass Menschen dem Blogautor persönlich schreiben, sich aber nicht trauen, öffentlich zu äußern. Das ist sehr gefährlich und ich wünsche mir für 2025 einen offeneren, sachlicheren und entpolarisierenden Umgang mit vielen Themen, z. B. auch Migration, Drogenpolitik, Verkehr.
Hat man wirklich normale Familien und Steuerzahler im Blick, deren Kinder in Klassen mit völlig überforderten Lehrkräften unterkommen müssen, weil 90% der Kinder kein Deutsch sprechen? Oder der Schichtarbeiter in der Logistik am Stadtrand, der ein kleines Auto braucht, um zur Arbeit zu kommen und in der Nähe der Wohnung nicht mehr parken kann? Oder ältere Menschen, die sich nicht mehr durch den Findorff Tunnel trauen, weil am anderen Ende die Cracksüchtigen zum Drogenkonsumraum taumeln? Neulich habe ich gelesen, dass NICHT die Bürger politikverdrossen sind, vielmehr sind Politik und Verwaltung bürgerverdrossen. Das stimmt für mein Gefühl für Bremen. Dabei haben viele Menschen, die sich aufgrund der cancel culture sich nicht trauen zu äußern, berechtigte Sorgen.
Da könnte z. B. Insitutionen wie Werder und die Sparkasse eine große Rolle spielen, dem gesellschaftlichen Dialog zu etwas mehr Ausgewogenheit zu verhefen. Ansonsten werden immer mehr Leute entweder Populisten wählen oder gar nicht zur Wahlurne gehen, was auf dasselbe herauskommt.