WK-Blattkritik I – ist das noch Journalismus, oder kann das weg?

14.01.2025 6 Von Axel Schuller

Ehrlich, ich habe mich mit Macht innerlich gewehrt. Aber heute kann ich nicht anders: „Blattkritik“. So nennt man es, wenn Redaktionen morgens zusammensitzen und die Arbeit vom Vortrag selbstkritisch anschauen. Bei Weser-Kurier – so nehme ich optimistisch – an, gab es am Dienstag eine Menge zu besprechen.

Einige Geschichten des Blattes haben mich mal wider (fast) sprachlos gemacht. Zum Glück sind das Ausreißer, nur unterirdische Einzelteile. Blöd nur, dass die sich in eigentlich jeder Ausgabe befinden.

Wenn Sie, geneigte Leserschaft, Lust haben, schauen wir uns die Titelseite vom Dienstag an. Da prangt der Aufmacher „Bremen weiter ohne Online-Zulassung“. Auf geschätzt 100 Zeilen wird dargelegt, warum das in Bremen – mal wieder – mit der online-Autozulassung nicht klappt – immer fein aus Sicht der in dem Fall versagenden Innenbehörde.

Der Kern des Übels – die meisten der 11.000 Kommunen betreiben eigene, meist nicht kompatible Online-Systeme – fehlt in dem Werk. Auch, dass Bremen und viele andere Städte sowie Landkreise gepennt haben. Statt die Sicherheitsvorrichtungen ihrer Betriebssysteme zu vereinheitlichen und sich damit bundesweit für Dienste wie die Bundes-online-Autoanmeldung fit zu machen – Fehlanzeige. Unterm Strich: Ein Artikel, der aufmerksame Leser etwas ratlos zurücklässt.

Bleiben wir auf der Titelseite. Da kommt der Präsident des Landesamtes für Verfassungsschutz Thüringen Stephan Kramer ausführlich zu schrillen Tönen während des AfD-Bundesparteitages zu Wort. Kann man machen. Aber dann erwarte ich bei nahezu 60 Zeilen einen klitzekleinen Hinweis auf den politischen Hintergrund dieses Präsidenten. Selbst bei „Wikipedia“ heißt es: „Stephan Kramer… ist ein deutscher politischer Beamter (SPD, zuvor FDP, zuvor CDU). Er war von 2004 bis Januar 2014 Generalsekretär des Zentralrates der Juden in Deutschland“.

Mir geht es nicht um die AfD, deren Aussagen oder Ziele. Ich empfinde aber eine derart unvollkommene Berichterstattung einfach als Frechheit. Über den Verfassungsschutz – wenn er sich über Rechts- oder (selten genug) über Links-Extreme äußert, vermitteln Journalisten heutzutage den weltentrückten Eindruck, als sei der Verfassungsschutz unabhängig.

Verfassungsschützer sind stets Regierungen unterstellt, mithin nicht unabhängig!

Weiter in der Blattkritik: Der Bericht über die FDP-Kundgebung mit Christian Lindner war kein Bericht, sondern stark meinungsgefärbt („politischer Marktschreier“).

Zum Glück stand auf der Seite ein Interview des neuen Chefredakteurs Benjamin Piel mit Lindner. Dieses hat ob der sachlichen Fragen teil-versöhnt.

Was ich aber nicht verstehe: Weshalb eifert Piel jetzt dem Journalistenunfug nach, das Alter seines Gesprächspartners wegzulassen. Hat er das beim Mindener Tagblatt auch gemacht, oder hat er sich bereits an Tag 14 an seiner neuen Wirkungsstätte seiner Chefin unterworfen? Silke Hellwig bevorzugt es, Gesprächspartner „alterlos“ zu lassen. Und Chefin ist sie laut Impressum weiterhin. (V.i.S.d.P) steht hinter Hellwigs Namen und bedeutet: Verantwortlich im Sinne des Pressegesetzes.

Verantwortlich ist ein gutes Stichwort. Im Sportteil „berichtet“ der WK über die Sixdays. Die Überschrift lautet: Mehr Zuschauer als im Vorjahr – ohne Anführungszeichen. Im Text findet sich folgender Satz: „Zwar mochten die Veranstalter keine konkreten Zuschauerzahlen nennen…Aber immerhin soviel wurde am Montag bekanntgegeben: Es seien mehr Zuschauer da gewesen als im Vorjahr.“

Ist das noch Journalismus, oder kann das weg?

Diese Art undistanzierter Lobhudelei war bereits beim Thema Anschießen der Sixdays wahrzunehmenzu. Dass Innenministerin Nancy Faeser die Sixdays zusammen mit zwei anderen Frauen zur Knall-Pistole greifen würde, garnierte der WK mit dem Hinweis, dass die Ministerin „eigens dafür nach Bremen reise“. Kein Wort zum Megaaufwand von Personenschützern und Polizei, die Frau für den Minuten-Auftritt zu schützen. Kein Wort zu aufkommenden Buh-Rufen, als sie auf der Bahn stand – welche die Regie mit lauter Musik zu übertönen versuchte.

Genug der Blattkritik. Ich hoffe, dass die vorgenannten Punkte – bitte, bitte – in der Redaktionskonferenz vom Dienstag eine Rolle gespielt haben mögen.

Sicher bin ich freilich nicht.

Munter bleiben!

Herzlichst

Ihr Axel Schuller

P.S.: Heute finden Sie auf meiner Seite bremensogesehen zusätzlich eine Doku. Ein Winzer hat die irrsinnigen Auswirkungen der Bürokratie auf seinen kleinen Betrieb so anschaulich beschrieben, dass ich ihn umkommentiert zu Wort kommen lasse. (siehe: „Dokumentation – ein Winzer packt aus. Unfassbarer Bürokratie-Irrsinn im Detail“). Prädikat: Sehr lesenswert.