Handelskammer und Hafen-Firmen: Plan-Verfahren für Alstom sofort anhalten!
Ungewohnt lauter Auftritt der Handelskammer: Auf den letzten Metern seiner Amtsstrecke als Präses der Handelskammer hat Eduard Dubbers-Albrecht vorige Woche richtig hingelangt. Gemeinsam mit dem Vorsitzenden der „Initiative Stadtbremischer Häfen (ISH), Dieter Kanning, verlangt er, das Planfeststellungsverfahren für die Alstom-Bahnwerkstatt in Oslebshausen anzuhalten. Und zwar so lange, bis endlich ein aussagekräftiges Gutachten vorliegt, das eine uneingeschränkte Erreichbarkeit der Hafenbetriebe per Deutscher Bahn belegt. Die zwei „Testate“ der DB reichen ihnen nicht aus.
Dubbers-Albrecht und Kanning unterstreichen damit nachdrücklich die Sorgen, welche die Fachebene der Handelskammer bereits bei der Anhörung zum Planfeststellungsverfahren geäußert hatte. Präses (seit gestern Abend nach der Wahl von André Grobien nunmehr Vize-Präses) und ISH-Chef schlagen breitflächig Alarm: Ihr gemeinsames Schreiben ist vorige Woche sowohl an Wirtschaftssenatorin Kristina Vogt (Linke) als auch an Verkehrssenatorin Özlem Ünsal (SPD) herausgegangen. Damit die Verwaltungen wirklich wissen, wie ernst es den beiden Interessenvertretern ist, stehen auch die jeweiligen Staatsräte Kai Stührenberg (Wirtschaft und Häfen) sowie Dr. Ralph Baumheier (Verkehr) auf der Adressatenliste – ferner erhielten Fraktionschefs und die wirtschaftspolitischen Sprecher Post.
Der Kern des geforderten Moratoriums: Beide Institutionen „sehen eine Reihe wichtiger Fragen noch nicht ausreichend beantwortet. Dies betrifft insbesondere die mögliche Überlastung der vorhandenen Schieneninfrastruktur.“
Immerhin handele es sich bei den stadtbremischen Häfen und dem Stahlwerk (hängen allesamt an dem eingleisigen Bahnanschluss) „um systemrelevante Infrastrukturen“.
Und dann wird’s richtig heftig: „Eigene Berechnungen schließen nicht aus, dass die heute nur eingleisige Anbindung von Holz- und Fabrikenhafen, Industriehafen und Stahlwerk durch die Mehrverkehre einer zukünftigen Bahnwerkstatt zu einem ernsthaften Engpass werden könnte, den es besser zu vermeiden gilt“.
Deshalb fordern Dubbers-Albrecht und Kanning: „Die Wirtschaft erwartet, dass noch vor einem Planfeststellungsbeschluss neutral ermittelte und Peak-Situationen abbildende Eisenbahnverkehrsgutachten vorgelegt und ein als notwendig erachteter redundanter zweiter Gleichanschluss der Hafen- und Gewerbestandorte geprüft wird.“
Das Schreiben, muss man schon sagen, haut volle Kanne rein. Dubbers-Albrecht hat das Schreiben kurz vor dem Ende seines ranghohen Ehrenamtes als Präses noch aufs Gleis geschoben.
Die Hafenbetriebe hatten sich in den verhangenen Monaten beim Thema Alstom-Bahnwerkstatt seltsam still verhalten. Statt die nur eingleisige Anbindung laut und deutlich zu problematisieren, hatten sie die Handelskammer im förmlichen Planfeststellungsverfahren agieren lassen. Wirtschaftskreise quittierten diese Zurückhaltung mit Überraschung, da sich die Initiative Stadtbremischer Häfen mit Ex-Hafenstaatsrat Dr. Heiner Heseler immerhin einen eigenen Geschäftsführer leistet.
Umso heftiger fallen jetzt die Äußerungen in dem gemeinsamen Schreiben von Dubbers-Albrecht und Kanning aus.
Ich vermute, die Bürgerinitiative Oslebshausen, die seit Jahren (aus anderen Gründen) gegen die Bahnwerkstatt auf dem Geländes des ehemaligen sowjetischen Gräberfeldes vehement kämpft, dürfte ihr Glück kaum fassen können. So viel (indirekte) Unterstützung haben die BI und der ebenfalls auf Widerstand gepolte Beirat Gröpelingen wohl noch nie bekommen. Außer von Henrik Sander vom gleichnamigen Einkaufszentrum, der eine Klage der BI bis zum Bundesverwaltungsgericht finanziell unterstützen will.
Zurück zum Brandbrief von Kammer und ISH:
Beide betonen einerseits, dass der Ausbau des Nahverkehrs im Bremer Bahnknoten (inkl. Werkstatt) „dringend erforderlich“ sei. Aktuell sei der Knoten „längst an seine Kapazitätsgrenzen gelangt; neben dem Personen- ist auch der Schienengüterverkehr nur selten pünktlich unterwegs.“ Daneben wüchsen die Probleme durch ausbleibende bzw. viel zu spät geplante entlastende Maßnahmen wie die „Elektrifizierung der EVB-Umgehungsstrecke Bremerhaven-Bremervörde-Rothenburg. Und vor allem das dritte Gleis zwischen Bremen-Burg und Langwedel (Baubeginn 2. Hälfte der 2030er Jahre) sind nicht in Sicht.“
Außerdem gelte eine Brücke auf der Strecke zu den Häfen (Mählandsweg) als mangelhaft – im DB-Jargon: „abgängig“.
Zum Ende hauen der (nunmehr Vize-)Präses und der ISH-Chef noch einmal auf die Pauke: „Es ist nicht nachvollziehbar, dass eigentlich selbstverständliche verkehrliche Leistungsfähigkeits-Betrachtungen des Bahnknotens Bremen und der Gleistrasse 1422 nicht Gegenstand der Planfeststellungsunterlagen sind. Dieser Mangel wird auch nicht durch nachgereichte und äußerst dünne Testate des DB Konzerns ausgeglichen.“
Kammer und ISH erinnern an leidvolle Bremer Erfahrungen: „Schon die eigentlich positive Entwicklung der Überseestadt macht deutlich, dass fehlende oder zögerliche Verkehrsplanung nachträglich nur Engpässe und vermeidbare Hemmnisse heraufbeschwört.“
Fazit der beiden Briefschreiber: „Das laufende Planfeststellungsverfahren sollte bis zu den Sachverhaltsklärungen ausgesetzt werden.“
Munter bleiben!
Herzlichst
Ihr Axel Schuller
P.S.: Wie so häufig empfehle ich auch heute wieder, die Kommentare zu den vorigen Blog-Stücken zu lesen. Super interessant.
Na, dann hoffen wir als Anwohner mal weiter. Ist aber schon erstaunlich, dass die Bürgerinitiative schon so lange dagegegen kämpft. Und nun wo der Industriehafen, dadurch Nachteile sieht , plötzlich durch die Handelskammer der Wandel kommt. Es sollte viel mehr die Bürgerinitiative einbezogen werden, da dort sehr fähige Leute sitzen. Die neutral für ihren Stadtteil arbeiten
Hat Herr Heseler, bei/in der Hafenwirtschaft nicht das Sagen?? Würde mich nicht wundern, wenn er Maulkörbe verteilt hat! Es sind noch zu wenige, die ihren Protest laut kundtun. Auf dieser „einen“ Bahntrasse, braucht nur ein Zug „liegenzubleiben“, und schon wäre das Chaos perfekt.
Das ist eine berechtigte Forderung der Handelskammer! Überall- vor allem auch im privaten Bereich – muss man vor Beginn einer baulichen Maßnahme durch zahlreiche Gutachten, Bewilligungen und Testate nachweisen, dass alles seine Richtigkeit hat, niemand Nachteile erleidet und ein reibungsloser Ablauf sowie eine ordnungsgemäße Nutzung gewährleistet sind. Nur die öffentliche Hand plant erst einmal nach Gutdünken, und wenn’s dann doch nicht passt, werden die Richtlinien eben im Nachhinein passend gemacht, oft verbunden mit immensen Kostensteigerungen.
Das kann man den „kreativen“ Köpfen, die über unser Wohl und Wehe entscheiden – gerade auch in Zeiten klammer Kassen – nicht durchgehen lassen.
Das Argument der Trassenbelastung, in der letzten Bürgerschaftssitzung zur großen Anfrage der FDP von Vertretern des Senats noch in das Reich der Fabel verwiesen, ist nicht von der Hand zu weisen. Da muss man nur mit Bahnexperten sprechen, die die angespannte Situation rund um den Bahnknoten Bremen aus eigener Anschauung kennen; die schlagen alle die Hände über dem Kopf zusammen angesichts dieser Planungen. Hinzu kommt, dass es offensichtlich eine Stellungnahme aus dem Bundesverkehrsministerium gibt, die besagt, dass die durch diesen Standort notwendigen überflüssigen Leerfahrten zu einer Verringerung der Leistungsfähigkeit im Bahnknoten Bremen in Höhe von bis zu 20% kommen wird und diesen Standort aus diesem Grunde ablehnt. All dies ist nie öffentlich diskutiert worden, stattdessen wird hartnäckig an diesen unsinnigen Planungen festgehalten und Bremen droht ein weiteres Planungsdesaster. Von Beginn an haben wir gefordert, dass es eine unabhängige gutachterliche Betrachtung dieser Problematik unter Einbeziehung von Prognosedaten der nächsten drei Jahrzehnte geben muss. Was nützen uns Aussagen, die sich auf das Jahr 2025 beziehen, die Bahnwerkstatt wird mindestens dreißig Jahre betrieben und der Bahnverkehr wird in den nächsten Jahren weiter anwachsen! Wann kommt man hier endlich zur Vernunft? Wenn schon die Problematik des „Russenfriedhofs“ sowie die enorme Anwohnerbelastung nicht ausreichten, diesen Standort in Frage zu stellen, so sollte die drohende Gefährdung der Bremischen Wirtschaft endlich ernst genommen werden zu einem Umdenken der hierfür Verantwortlichen führen!
Wir sehen das unter der Prämisse: schön, dass die Handelskmmer endlich in die Puschen gekommen ist. Besser spät als nie!
Was die Bürgerinitiative betrifft: vielen Dank für den kompetenten Einsatz von Dieter Winge, der uns dank guter Vernetzung viel Wissen vermittelt.
Bin da bei Dieter Winge. Wir von den Liberalen sitzen da jetzt seit über einem Jahr dran und dieser Senat ist lernresistent. Er schädigt lieber die nationale Infrastruktur und die essentiellen NATO-Verbindungslinien, als von diesem irrsinnigen Plan abzuweichen, obwohl es direkt am HBF genügend Flächen gibt.
Wir brauchen dringend ein UNABHÄNGIGES Gutachten – mit Langzeitprognose und Kosten-Evaluation. Vielleicht hilft das ja. Andererseits zeigt die Erfahrung, dass hier in Bremen Bürger- und Wirtschaftsbedenken sehr gerne ignoriert werden.
Dr. Joachim Wewerka schreibt: „Nun wird neben den zum Glück durch die neue Bausenatorin auf Bundesnieveau revidierten Bauvorschriften, ein weiteres, Steuergeld fressendes, weil unseriös geplantes Bahntrassendesaster offenbar. Auch hier erweist sich der Bremer Senat und die zuständige Genehmigungsbehörde als absolut einsichts- und lernresistent!
Ein solches „Verhalten“ kostet nicht nur hart erabeitetes Steuergeld , sondern schwächt durch Bürgerfrust auch
mittelfristig unsere Demokratie.“
Mit unabhängigen und ergebnisoffenen Gutachten tut sich der Bremer Senat anscheinend schwer. Man hat den Eindruck sie werden als Geld – und Zeitverschwendung angesehen. Besser man setzt dem Gutachter/ den Gutachtern Limits bei der Betrachtung und nennt die gewünschten Ergebnisse. Dann gibt es auch keine Überraschungen beim Resultat, und man hat etwas zur Hand, um Beiräte einzulullen, und das Ignorieren widerspenstiger Bürger zu begründen.