Handelskammer und Hafen-Firmen: Plan-Verfahren für Alstom sofort anhalten!

21.01.2025 8 Von Axel Schuller

Ungewohnt lauter Auftritt der Handelskammer: Auf den letzten Metern seiner Amtsstrecke als Präses der Handelskammer hat Eduard Dubbers-Albrecht vorige Woche richtig hingelangt. Gemeinsam mit dem Vorsitzenden der „Initiative Stadtbremischer Häfen (ISH), Dieter Kanning, verlangt er, das Planfeststellungsverfahren für die Alstom-Bahnwerkstatt in Oslebshausen anzuhalten. Und zwar so lange, bis endlich ein aussagekräftiges Gutachten vorliegt, das eine uneingeschränkte Erreichbarkeit der Hafenbetriebe per Deutscher Bahn belegt. Die zwei „Testate“ der DB reichen ihnen nicht aus.

Dubbers-Albrecht und Kanning unterstreichen damit nachdrücklich die Sorgen, welche die Fachebene der Handelskammer bereits bei der Anhörung zum Planfeststellungsverfahren geäußert hatte. Präses (seit gestern Abend nach der Wahl von André Grobien nunmehr Vize-Präses)  und ISH-Chef schlagen breitflächig Alarm: Ihr gemeinsames Schreiben ist vorige Woche sowohl an Wirtschaftssenatorin Kristina Vogt (Linke) als auch an Verkehrssenatorin Özlem Ünsal (SPD) herausgegangen. Damit die Verwaltungen wirklich wissen, wie ernst es den beiden Interessenvertretern ist, stehen auch die jeweiligen Staatsräte Kai Stührenberg (Wirtschaft und Häfen) sowie Dr. Ralph Baumheier (Verkehr) auf der Adressatenliste – ferner erhielten Fraktionschefs und die wirtschaftspolitischen Sprecher Post.

Der Kern des geforderten Moratoriums: Beide Institutionen „sehen eine Reihe wichtiger Fragen noch nicht ausreichend beantwortet. Dies betrifft insbesondere die mögliche Überlastung der vorhandenen Schieneninfrastruktur.“

Immerhin handele es sich bei den stadtbremischen Häfen und dem Stahlwerk (hängen allesamt an dem eingleisigen Bahnanschluss) „um systemrelevante Infrastrukturen“.

Und dann wird’s richtig heftig: „Eigene Berechnungen schließen nicht aus, dass die heute nur eingleisige Anbindung von Holz- und Fabrikenhafen, Industriehafen und Stahlwerk durch die Mehrverkehre einer zukünftigen Bahnwerkstatt zu einem ernsthaften Engpass werden könnte, den es besser zu vermeiden gilt“.

Deshalb fordern Dubbers-Albrecht und Kanning: „Die Wirtschaft erwartet, dass noch vor einem Planfeststellungsbeschluss neutral ermittelte und Peak-Situationen abbildende Eisenbahnverkehrsgutachten vorgelegt und ein als notwendig erachteter redundanter zweiter Gleichanschluss der Hafen- und Gewerbestandorte geprüft wird.“

Das Schreiben, muss man schon sagen, haut volle Kanne rein. Dubbers-Albrecht hat das Schreiben kurz vor dem Ende seines ranghohen Ehrenamtes als Präses noch aufs Gleis geschoben. 

Die Hafenbetriebe hatten sich in den verhangenen Monaten beim Thema Alstom-Bahnwerkstatt seltsam still verhalten. Statt die nur eingleisige Anbindung laut und deutlich zu problematisieren, hatten sie die Handelskammer im förmlichen Planfeststellungsverfahren agieren lassen. Wirtschaftskreise quittierten diese Zurückhaltung mit Überraschung, da sich die Initiative Stadtbremischer Häfen mit Ex-Hafenstaatsrat Dr. Heiner Heseler immerhin einen eigenen Geschäftsführer leistet.

Umso heftiger fallen jetzt die Äußerungen in dem gemeinsamen Schreiben von Dubbers-Albrecht und Kanning aus.

Ich vermute, die Bürgerinitiative Oslebshausen, die seit Jahren (aus anderen Gründen) gegen die Bahnwerkstatt auf dem Geländes des ehemaligen sowjetischen Gräberfeldes vehement kämpft, dürfte ihr Glück kaum fassen können. So viel (indirekte) Unterstützung haben die BI und der ebenfalls auf Widerstand gepolte Beirat Gröpelingen wohl noch nie bekommen. Außer von Henrik Sander vom gleichnamigen Einkaufszentrum, der eine Klage der BI bis zum Bundesverwaltungsgericht finanziell unterstützen will.

Zurück zum Brandbrief von Kammer und ISH:

Beide betonen einerseits, dass der Ausbau des Nahverkehrs im Bremer Bahnknoten (inkl. Werkstatt)  „dringend erforderlich“ sei. Aktuell sei der Knoten „längst an seine Kapazitätsgrenzen gelangt; neben dem Personen- ist auch der Schienengüterverkehr nur selten pünktlich unterwegs.“ Daneben wüchsen die Probleme durch ausbleibende bzw. viel zu spät geplante entlastende Maßnahmen wie die „Elektrifizierung der EVB-Umgehungsstrecke Bremerhaven-Bremervörde-Rothenburg. Und vor allem das dritte Gleis zwischen Bremen-Burg und Langwedel (Baubeginn 2. Hälfte der 2030er Jahre) sind nicht in Sicht.“

Außerdem gelte eine Brücke auf der Strecke zu den Häfen (Mählandsweg) als mangelhaft – im DB-Jargon: „abgängig“.

Zum Ende hauen der (nunmehr Vize-)Präses und der ISH-Chef noch einmal auf die Pauke: „Es ist nicht nachvollziehbar, dass eigentlich selbstverständliche verkehrliche Leistungsfähigkeits-Betrachtungen des Bahnknotens Bremen und der Gleistrasse 1422 nicht Gegenstand der Planfeststellungsunterlagen sind. Dieser Mangel wird auch nicht durch nachgereichte und äußerst dünne Testate des DB Konzerns ausgeglichen.“

Kammer und ISH erinnern an leidvolle Bremer Erfahrungen: „Schon die eigentlich positive Entwicklung der Überseestadt macht deutlich, dass fehlende oder zögerliche Verkehrsplanung nachträglich nur Engpässe und vermeidbare Hemmnisse heraufbeschwört.“

Fazit der beiden Briefschreiber: „Das laufende Planfeststellungsverfahren sollte bis zu den Sachverhaltsklärungen ausgesetzt werden.“

 

Munter bleiben!

Herzlichst

Ihr Axel Schuller

P.S.: Wie so häufig empfehle ich auch heute wieder, die Kommentare zu den vorigen Blog-Stücken zu lesen. Super interessant.