WK-Blattkritik II: Ignoranz, Arroganz und was Monopole noch so ausmacht

24.01.2025 10 Von Axel Schuller

Kollegen m/w des WESER-KURIER – wo ist Ihr für den Redakteursberuf unabdingbarer Hunger auf wichtige Neuigkeiten geblieben? Was ist in dem Laden los? Da meuchelt ein Afghane in Aschaffenburg ein zweijähriges Kind – und der WK vermeldet auf der Titelseite (23.1.) – nix. Stattdessen ein großes Bild mit Schokolade. Sinkt die Qualität parallel mit der Auflage? Dann gnade uns der Monopol-Gott.

Wie lange wollen Bremerinnen und Bremer eigentlich den inhaltlichen Absturz von Bremens größter Tageszeitung noch klaglos hinnehmen?

Meinen Sie, ich übertreibe? Klares NEIN. Hier einige Belege.

Man kann viele Ausgaben anschauen und das nackte Grauen kriegen. Klar, es gibt – zum Glück – auch immer wieder Positives!

Aber: Nehmen wir die Titelseite vom Donnerstag: Alle ernstzunehmenden deutschen Zeitungen, TV-Sender und Hörfunksender hatten die Morde des Afghanen an dem Zweijährigen und dem Beschützer in Aschaffenburg als DAS Thema ganz weit „vorne“. Unser Lokal-Blatt verschob die aufwühlende Nachricht ins „Vermischte“ – auf Seite 8.

Nebenbei: Man ist ja schon froh, wenn man dort nicht erneut etwas über einen verstauchten Fußzeh von Heidi Klum erfahren muss. Das war echt der Brüller des Jahres – zum Nachlesen: Ausgabe vom 30.12.2024.

Zurück zu Wichtigem. Der Weser-Kurier hatte am Mittwoch umfassend und völlig kritiklos über die Pressekonferenz zur Initiative von SPD, Grünen und Linken berichtet, wonach Investoren künftig ab sechs neuen Wohnungen zwei davon für Sozialmieter (zum Mini-qm-Preis von 6,80 Euro) bereitstellen müssen. Der Skandal: Dieser Unsinns-Antrag (bremensogesehen vom 22.1.25) wurde in der Bürgerschaft heftig debattiert. CDU und FDP warfen den Regierungsparteien unter anderem „Regulierungswahn“ und Klassenkampf vor.

Doch darüber berichtete WK-Chefreporter Jürgen Hinrichs mit keiner Silbe. Der ehemalige SPD-Einpeitscher Herbert Wehner hätte vermutlich geurteilt: „Der Herr badet gerne lau.“ Soll heißen: Die Debatte war wohl zu spät am Tag. Davon brachte das Blatt einfach nix. Getreu dem alten Journalisten-Motto: Was wir nicht berichtet haben, hat nicht stattgefunden. CDU und FDP waren darüber so verärgert, dass sie ihre Sicht zum Thema „Sozialquote im Wohnungsbau“ gestern als Presseerklärungen herausgaben. Ich weiß gar nicht, ob es einen solchen Vorgang schon einmal in Bremen gegeben hat.

Und jetzt wird’s fast schon „nachrichten-kriminell“. Der WK berichtete über die Argumente der Oppositionsparteien in seiner heutigen Ausgabe erneut – nix.

Soviel Ignoranz und Frechheit können sich nur Monopole leisten.

Im Weglassen ist das Monopol ohnehin stark. Nehmen wir die Hammer-Stellungnahme der Handelskammer und der stadtbremischen Hafenbetriebe (mit tausenden Arbeitsplätzen) zum geplanten Standort der Alstom-Bahnwerkstatt. Diese Forderung nach einem Moratorium hatte vorige Woche der damals noch amtierende Präses Eduard Dubbers-Albrecht unterzeichnet.

Der Inhalt des Brandbriefes wurde am Dienstag bekannt.(bremensogesehen berichtete).

Und was macht das Monopol-Blatt? Bis heute nicht eine Zeile. Statt dessen wurde in der Mittwoch-Ausgabe ein mega-langes Interview mit dem neuen Kammer-Präses André Grobien geführt. Darin nötigte der Autor den neuen Präses schier ab, ausführlich seine Firma Lampe & Schwartze zu beschreiben – das war hart an der Grenze zur Werbung.

Ohne Worte!

Wenn der WK schon Hemmungen hat, das Thema Bahnwerkstatt aus bremensogesehen „nachzudrehen“ (Journalisten-Sprech), dann hätte er ja versuchen können, die Geschichte anders aufzuziehen.

Beispielsweise einen Kenner des Themas wie Dr. Gero Hocker (49) anzusprechen. Der FDP-Bundestagskandidat im Wahlkreis Osterholz-Verden war bis zum Ampel-Ende parlamentarischer Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium und – Achtung – „Beauftragter der Bundesregierung für den Schienenverkehr“.

Leider nicht immer werte Kollegen m/w vom WK: Der Mann kennt sich nicht nur bei der DB aus, nein, er kann (als geborener Bremer) die Situation in Bremen auch beurteilen.

Übrigens: Seine Lehre zum Bankkaufmann absolvierte er bei der Sparkasse Bremen und zum Studium blieb er ebenfalls an der Weser. Er lernte die Grundlagen der Wirtschaftswissenschaften bei einem Prof., den der WK sonst zu unzähligen Themen als Kronzeugen befragt: Prof. em. Rudolf Hickel.

Genug der Hintergrundinfos…

Gero Hocker erklärte auf Anfrage von bremensogesehen: „Ich halte es für eine fragwürdige Entscheidung des Senats, die zusätzlichen Züge zur Bahnwerkstatt über den belasteten Bremer Bahnknoten zu leiten.“ Und weiter: „Ich verstehe es bis heute nicht, warum Bremen das Grundstück in Oslebshausen bevorzugt, obwohl doch andere zur Verfügung stehen.“

Liebe und nicht-liebe WK-Kollegschaft: Ich bin es allmählich leid, immer und immer wieder selbst zu recherchieren, nur weil Sie zu ideenlos, zu faul oder was auch immer sind!

Kolleginnen und Kollegen: Sie werden von uns Lesern und Leserinnen bezahlt, also liefern Sie endlich akzeptable Arbeit.

Denken Sie daran: Die Zahl ihrer Abonnenten und Käufer darf nicht noch tiefer sinken, sonst winkt womöglich irgendwann die Agentur für Arbeit.

Jetzt die offiziellen Auflagenzahlen.

Der WK hat diese den ivw-Auflagenkontrolleuren üblicherweise selbst gemeldet. Hier die Angaben für das 4.Quartal 2024 (zum Vergleich 4. Quartal 2023):

Verkaufte Auflage: 97.448 (102.171). Darin enthalten sind 22.044 ePaper (19.758). Die Abonnentenzahl (Teil der verkauften Exemplare ) sank von 91.752 in 4/2023 auf 86.547 in 4/2024. Das bedeutet ein Abo-Minus von 5,67%, wie ivw errechnet.

Redakteure und Redakteurinnen, Sie haben es in der Hand, ob das Ansehen „Ihres“ Blattes weiter schwindet. Mit journalistischem Schlendrian, mit schlechter Arbeit, mit Ignoranz und Arroganz lässt sich auf Dauer nicht einmal ein Monopol durch den Markt schleppen.

Munter bleiben!

Herzlichst

Ihr Axel Schuller

P.S.: Was FDP, CDU und der Verband der Wohnungswirtschaft von der Sozialwohnungs-Quote halten, finden Sie in einer Extra-Doku.