WK-Blattkritik II: Ignoranz, Arroganz und was Monopole noch so ausmacht
Kollegen m/w des WESER-KURIER – wo ist Ihr für den Redakteursberuf unabdingbarer Hunger auf wichtige Neuigkeiten geblieben? Was ist in dem Laden los? Da meuchelt ein Afghane in Aschaffenburg ein zweijähriges Kind – und der WK vermeldet auf der Titelseite (23.1.) – nix. Stattdessen ein großes Bild mit Schokolade. Sinkt die Qualität parallel mit der Auflage? Dann gnade uns der Monopol-Gott.
Wie lange wollen Bremerinnen und Bremer eigentlich den inhaltlichen Absturz von Bremens größter Tageszeitung noch klaglos hinnehmen?
Meinen Sie, ich übertreibe? Klares NEIN. Hier einige Belege.
Man kann viele Ausgaben anschauen und das nackte Grauen kriegen. Klar, es gibt – zum Glück – auch immer wieder Positives!
Aber: Nehmen wir die Titelseite vom Donnerstag: Alle ernstzunehmenden deutschen Zeitungen, TV-Sender und Hörfunksender hatten die Morde des Afghanen an dem Zweijährigen und dem Beschützer in Aschaffenburg als DAS Thema ganz weit „vorne“. Unser Lokal-Blatt verschob die aufwühlende Nachricht ins „Vermischte“ – auf Seite 8.
Nebenbei: Man ist ja schon froh, wenn man dort nicht erneut etwas über einen verstauchten Fußzeh von Heidi Klum erfahren muss. Das war echt der Brüller des Jahres – zum Nachlesen: Ausgabe vom 30.12.2024.
Zurück zu Wichtigem. Der Weser-Kurier hatte am Mittwoch umfassend und völlig kritiklos über die Pressekonferenz zur Initiative von SPD, Grünen und Linken berichtet, wonach Investoren künftig ab sechs neuen Wohnungen zwei davon für Sozialmieter (zum Mini-qm-Preis von 6,80 Euro) bereitstellen müssen. Der Skandal: Dieser Unsinns-Antrag (bremensogesehen vom 22.1.25) wurde in der Bürgerschaft heftig debattiert. CDU und FDP warfen den Regierungsparteien unter anderem „Regulierungswahn“ und Klassenkampf vor.
Doch darüber berichtete WK-Chefreporter Jürgen Hinrichs mit keiner Silbe. Der ehemalige SPD-Einpeitscher Herbert Wehner hätte vermutlich geurteilt: „Der Herr badet gerne lau.“ Soll heißen: Die Debatte war wohl zu spät am Tag. Davon brachte das Blatt einfach nix. Getreu dem alten Journalisten-Motto: Was wir nicht berichtet haben, hat nicht stattgefunden. CDU und FDP waren darüber so verärgert, dass sie ihre Sicht zum Thema „Sozialquote im Wohnungsbau“ gestern als Presseerklärungen herausgaben. Ich weiß gar nicht, ob es einen solchen Vorgang schon einmal in Bremen gegeben hat.
Und jetzt wird’s fast schon „nachrichten-kriminell“. Der WK berichtete über die Argumente der Oppositionsparteien in seiner heutigen Ausgabe erneut – nix.
Soviel Ignoranz und Frechheit können sich nur Monopole leisten.
Im Weglassen ist das Monopol ohnehin stark. Nehmen wir die Hammer-Stellungnahme der Handelskammer und der stadtbremischen Hafenbetriebe (mit tausenden Arbeitsplätzen) zum geplanten Standort der Alstom-Bahnwerkstatt. Diese Forderung nach einem Moratorium hatte vorige Woche der damals noch amtierende Präses Eduard Dubbers-Albrecht unterzeichnet.
Der Inhalt des Brandbriefes wurde am Dienstag bekannt.(bremensogesehen berichtete).
Und was macht das Monopol-Blatt? Bis heute nicht eine Zeile. Statt dessen wurde in der Mittwoch-Ausgabe ein mega-langes Interview mit dem neuen Kammer-Präses André Grobien geführt. Darin nötigte der Autor den neuen Präses schier ab, ausführlich seine Firma Lampe & Schwartze zu beschreiben – das war hart an der Grenze zur Werbung.
Ohne Worte!
Wenn der WK schon Hemmungen hat, das Thema Bahnwerkstatt aus bremensogesehen „nachzudrehen“ (Journalisten-Sprech), dann hätte er ja versuchen können, die Geschichte anders aufzuziehen.
Beispielsweise einen Kenner des Themas wie Dr. Gero Hocker (49) anzusprechen. Der FDP-Bundestagskandidat im Wahlkreis Osterholz-Verden war bis zum Ampel-Ende parlamentarischer Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium und – Achtung – „Beauftragter der Bundesregierung für den Schienenverkehr“.
Leider nicht immer werte Kollegen m/w vom WK: Der Mann kennt sich nicht nur bei der DB aus, nein, er kann (als geborener Bremer) die Situation in Bremen auch beurteilen.
Übrigens: Seine Lehre zum Bankkaufmann absolvierte er bei der Sparkasse Bremen und zum Studium blieb er ebenfalls an der Weser. Er lernte die Grundlagen der Wirtschaftswissenschaften bei einem Prof., den der WK sonst zu unzähligen Themen als Kronzeugen befragt: Prof. em. Rudolf Hickel.
Genug der Hintergrundinfos…
Gero Hocker erklärte auf Anfrage von bremensogesehen: „Ich halte es für eine fragwürdige Entscheidung des Senats, die zusätzlichen Züge zur Bahnwerkstatt über den belasteten Bremer Bahnknoten zu leiten.“ Und weiter: „Ich verstehe es bis heute nicht, warum Bremen das Grundstück in Oslebshausen bevorzugt, obwohl doch andere zur Verfügung stehen.“
Liebe und nicht-liebe WK-Kollegschaft: Ich bin es allmählich leid, immer und immer wieder selbst zu recherchieren, nur weil Sie zu ideenlos, zu faul oder was auch immer sind!
Kolleginnen und Kollegen: Sie werden von uns Lesern und Leserinnen bezahlt, also liefern Sie endlich akzeptable Arbeit.
Denken Sie daran: Die Zahl ihrer Abonnenten und Käufer darf nicht noch tiefer sinken, sonst winkt womöglich irgendwann die Agentur für Arbeit.
Jetzt die offiziellen Auflagenzahlen.
Der WK hat diese den ivw-Auflagenkontrolleuren üblicherweise selbst gemeldet. Hier die Angaben für das 4.Quartal 2024 (zum Vergleich 4. Quartal 2023):
Verkaufte Auflage: 97.448 (102.171). Darin enthalten sind 22.044 ePaper (19.758). Die Abonnentenzahl (Teil der verkauften Exemplare ) sank von 91.752 in 4/2023 auf 86.547 in 4/2024. Das bedeutet ein Abo-Minus von 5,67%, wie ivw errechnet.
Redakteure und Redakteurinnen, Sie haben es in der Hand, ob das Ansehen „Ihres“ Blattes weiter schwindet. Mit journalistischem Schlendrian, mit schlechter Arbeit, mit Ignoranz und Arroganz lässt sich auf Dauer nicht einmal ein Monopol durch den Markt schleppen.
Munter bleiben!
Herzlichst
Ihr Axel Schuller
P.S.: Was FDP, CDU und der Verband der Wohnungswirtschaft von der Sozialwohnungs-Quote halten, finden Sie in einer Extra-Doku.
Eine funktionierende Demokratie lebt von der Pluralität der Meinungen und der Unabhängigkeit der Institutionen, die diese Meinungen formen und verbreiten. In Bremen zeigt sich jedoch eine bemerkenswerte Verflechtung zwischen der politischen Sphäre und der medialen Landschaft, die Fragen nach der Balance von Macht und Verantwortung aufwirft.
Die SPD kann in Bremen auf eine außergewöhnlich stabile Unterstützung durch zentrale Medienakteure zählen. So wird von vielen beobachtet, dass der Weser-Kurier sowie das Regionalfernsehen Buten un Binnen einer Berichterstattung verpflichtet zu sein scheinen, die die Interessen der SPD begünstigt. Eine Schlüsselfigur in diesem Zusammenspiel ist Christian Dohle, der als Sprecher des Senats der Freien Hansestadt Bremen nicht nur eng mit Bürgermeister Andreas Bovenschulte zusammenarbeitet, sondern auch Einfluss auf die Ausgestaltung der medialen Narrative ausüben soll.
Besonders auffällig ist hierbei weniger die offene Bevorzugung einer bestimmten Partei als vielmehr die subtile Praxis des Weglassens. Die Kunst, bestimmte Themen aus der öffentlichen Wahrnehmung auszublenden, ist eine der wirksamsten Methoden, um die Meinungsbildung in der Gesellschaft zu lenken. Ein Beispiel hierfür bietet die Ausgrabung des Russenfriedhofs, bei der Dohle offenbar darauf geachtet hat, dass keine Bilder von aufgefundenen Skeletten veröffentlicht wurden – wohl, um mögliche emotionale Reaktionen in der Öffentlichkeit zu vermeiden.
Die enge Verzahnung zwischen Medien, Exekutive und Legislative in Bremen stellt eine Herausforderung für das demokratische Prinzip der Gewaltenteilung dar. Mit Bürgermeister Bovenschulte an der Spitze der Exekutive und Mustafa Güngör als zentraler Figur der Legislative dominiert die SPD nicht nur die politischen Institutionen, sondern übt durch die Nähe zu den Medien auch Einfluss auf die vierte Gewalt aus. Viel Hoffnung liegt auf dem neuen (Co-)Chefredakteur Benjamin Piel, die bestehende Situation zumindest beim Weser-Kurier aufzubrechen und sich aus der SPD-Nähe zu befreien.
In dieser Konstellation zeigt sich ein Machtgefüge, das einer kritischen Reflexion bedarf – nicht zuletzt, um die demokratische Grundordnung zu schützen und die Meinungsvielfalt zu gewährleisten.
Diese Realität sollte man als Leser von Zeitungen (hier WESER KURIER) immer im Hinterkopf haben:
»Das Verlagsunternehmen kann als Tendenzbetrieb deshalb z. B. seine redaktionellen Mitarbeiter nach weltanschaulichen Kriterien z.B. nach Zugehörigkeit zu Glaubensgemeinschaften oder politischen Präferenzen auswählen. Er kann Mitarbeiter nach Wegfall solcher Voraussetzungen auch kündigen.
Mitarbeiter oder Mitglieder der Redaktion können nicht unter Berufung auf den grundgesetzlichen Schutz der Pressefreiheit verlangen, dass Artikel veröffentlicht werden, die der Tendenz der Blattes widersprechen.«
https://initiative-tageszeitung.de/lexikon/tendenzschutz/
Abgesehen davon ist der Niedergang der Auflage erschreckend, wenn gleich wenig verwunderlich. Gilt auch für die Tatsache, wie viele (besser: wie wenige) Menschen in Bremen und anderswo noch eine Tageszeitung lesen.
Da verwundert die heutige politische Landschaft mit ihren teilweise abgedrehten und faktenfreien »Diskussionen« nicht mehr.
Dem Blog zum Weser-Kurier kann ich vollumfänglich zustimmen. Die Themenauswahl ist an vielen Tagen atemberaubend. Heute (24. Januar) erfahren die Kunden als Aufmacher (!) auf Seite 1, dass gestrecktes Heroin im Umlauf ist. Das werden sich Oma Walle und Onkel Heini aus Borgfelder gierig reingezogen haben. Mit Verlaub: Ernstzunehmende Tageszeitungen machen heute mit Themen zur Migrationskrise auf. Könnte man als als Verantwortlicher Blattmacher ohne Verrenkungen drauf kommen. Der Niedergang meiner geliebten beruflichen Heimat über Jahrzehnte ist nicht mehr aufzuhalten. Es ist ein Jammer, wie dieser Blatt an den Leserinnen und Lesern vorbei zugrunde gerichtet wird. Und die Verantwortlichen merken es nicht einmal…
Man fragt sich zudem, ob die WK-Abonnenten dazu neigen, sich Heroin zu spritzen und deshalb heute (24.1.25) auf Seite 1 großformatig davor gewarnt werden musste. Oder anderseits die Heroin-Süchtigen den WK lesen, um rechtzeitig vor dem schnellen Exitus gewarnt zu werden?
Die wirklich wichtige Meldung, das Fidi Merz nun den Trump geben will und entgegen vielen europäischen sowie deutschen Gesetzen die Grenzen am ersten Tag seines möglichen Amtsantritts schließen möchte, wird deutlich kleiner gebracht. Der Mann ist auf dem Weg zur Macht, wie sein Buchtitel lautet, jedoch: zu welchem Zweck?
Warnt: Klaus Kellner, Bremen
Ich habe den Weser Kurier fast ausschließlich wegen des Stadtteilkuriers abonniert, da ich stadtteilpolitisch auf dem laufenden bleiben muss und hier auch überwiegend journalistisch sauber gearbeitet wird, zumindest in meinem Bereich. Bzgl. der Unabhängigkeit des Weser Kurier vom Senat kann man angesichts des häufigen Wechsels des Personals (zuletzt Patricia Brandt) in den Senat schon gewisse Zweifel bekommen. In Sachen „Russenfriedhof“ konnte der Bremer Senat sein Narrativ dank Bremer Medien jedenfalls weitgehend durchsetzen, die überregionalen Medien (FAZ, , Süddeutsche, SPIEGEL) haben da erheblich kritischer, ausführlicher und unabhängiger berichtet! Auch haben diese eigene Recherchen zum. Thema betrieben, wovon sowohl der WK als auch RB leider weit entfernt waren! Auch bzgl. des aktuellen Themas der Trassenbelastung hätte ja mal jemand vom WK im Wissing- Ministerium nachfragen oder Herrn Hocker anrufen können, das sollte doch angesichts der öffentlichen Bedeutung der Problematik eigentlich selbstverständlich sein!
Ich muss meine obige Kritik etwas relativieren; Herr Barth und Herr Wendler haben sich doch um das Thema gekümmert und auch im Ministerium nachgehakt!
https://www.weser-kurier.de/bremen/wirtschaft/bremer-hafenwirtschaft-befuerchtet-nadeloehr-im-bahnverkehr-doc7z1q6szqoap16m7lb2te?fbclid=IwY2xjawIAhgJleHRuA2FlbQIxMQABHbHIC4IWzQnHtoydh34I-u6TJEC9_g7E4gjxYEkefCFLtyJhH7jNvjn1sQ_aem_3hDmLaD73paSgSsdJYz9ww
Klasse, endlich. HEUTE
Bezugnehmend auf den obigen Kommentar von Herrn Bremermann, habe ich den Eindruck in einer anderen Wirklichkeit zu leben. Mir erscheint der WK keineswegs als SPD-freundlich, ebenso wenig das bub-Team von Radio Bremen – das Gegenteil scheint mir eher der Fall zu sein. Es gibt m.E. keinen spürbaren oder tatsächlichen Einfluß des Rathauses auf diese Journalisten, die sich im übrigen sicherlich über Herrn Bremermann und seine steilen Thesen wundern und wohl nicht akzeptieren mögen. Aber eine Meinung ist eben nur eine Empfindung.
Die Walsroder Zeitung deprimiert auch nicht weniger. Ich hätte längst das Abo gekündigt, aber meine Frau schätzt die Todesanzeigen.
Ein psychisch Kranker hat jemanden umgebracht – das muss nicht jedesmal auf Seite 1. Es gibt viel wichtigere Themen, etwa die Klimakrise. Die kann man nicht durch Psychiater oder Abschiebung oder was auch immer der Stammtisch fordert lösen! Und wenn wir da nichts tun, haben wir bald noch mehr Flüchtlinge – Klimaflüchtlinge!