Dokumentation: Anwalt Müffelmann haut Finanzsenatorin Fakten um die Ohren

15.02.2025 5 Von Axel Schuller

Das Thema Vor- und Nachteile der Privatisierung der Bremer Entsorgungsbetriebe BEB – vormals Amt für Stadtentwässerung – hat Bremens Politik bereits wenige Jahre nach der Gründung von hanseWasser im Jahr 1999 beschäftigt.

Die damalige Finanzsenatorin Karoline Linnert hatte 2007 in einem Interview mit der taz den Mund reichlich vollgenommen und auf unangemessene Art die Anwälte in den Vordergrund gezerrt, welche die Verträge für Bremen verhandelt hatten.

Liebe Leserschaft, sehen Sie selbst. Ich dokumentiere den fünfseitigen Protestbrief der Anwälte Dr. Herbert Müffelmann und Dr. Andreas Behr.

Prädikat: Lang, aber total erhellend. Die Fettungen habe ich vorgenommen, um dem Auge beim Lesen ein paar Hilfestellungen zu geben. Mein vorweggenommenes Fazit: Linnerts Polit-Gerede findet keinerlei Gnade!

ZITAT Anfang:

Bremen, 12. Oktober 2007

Sehr geehrte Frau Senatorin Linnert,

Sie haben der taz ein Interview gegeben, das im Lokalteil „Hintergrund Bremen“ am 6./7. 2007 Oktober veröffentlicht worden ist. Sie haben darin unter anderem folgendes gesagt:

„Die hanseWasser-Verträge unter tätiger Mithilfe der Anwälte. Müffelmann und Theye sind eine Katastrophe für Bremen. Da verlieren wir unheimlich viel Geld. hanseWasser macht große Gewinne, und wir haben sehr eingeschränkte Revisionsklauseln.“

Unabhängig davon, dass wir nicht verstehen, warum wir von Ihnen auf diese Weise persönlich angegriffen werden, sind diese Äußerungen auch sachlich für uns nicht nachvollziehbar. Wir können sie nur dadurch erklären, dass Ihnen wesentliche Fakten nicht bekannt sind.

Insbesondere entspricht es nicht den Tatsachen, dass Bremen durch diese Verträge „unheimlich viel Geld verliere“. Das Gegenteil ist richtig.

In diesem Zusammenhang dürfen wir Sie hinweisen auf die Mitteilung des Senats vom 31. August 2004 an die bremische Bürgerschaft Drucksache 16/212S, welche wir schriftlich beifügen.

In der Mitteilung der eine Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zu Grunde lag, heißt es unter Ziffer 2.

„Aus heutiger Sicht sind die mit der Privatisierung verfolgten Ziele in finanzpolitischer/fiskalischer Sicht vollständig erreicht worden. Neben dem beachtlichen langfristig positiven Haushalt-Effekt ist hier besonders herauszustellen, dass anders als in der bisherigen öffentlich-rechtlichen Form, die hanseWasser-Gesellschaften auch in erheblichem Maße steuerliche Leistungen erbringen. So betrug die Summe der steuerlichen Leistungen von 1999 bis 2003 insgesamt 108 Millionen Euro, wovon der Umsatzsteueranteil (abzüglich Vorsteuer) allein 50,9 Millionen Euro ausmacht.

Neben dem Ziel, einen hohen Mittelzufluss zur Haushaltsentlastung zu vereinnahmen, verfolgte der Senat mit der Entscheidung, die Abwasserversorgung zu privatisieren, insbesondere auch des Ziel der Gebührenstabilität.

Dies geschah vor dem Hintergrund, dass in den neunziger Jahren rückläufige Abwassermengen, hohe Investitionen und Sanierungsverpflichtungen, aber auch gestiegene Personalkosten bereits zu deutlichen Gebührensteigerungen geführt hatten, und die Bremer Entsorgungsbetriebe („BEB“) intern weitere erhebliche Steigungen in Aussicht gestellt hatten.

Ein entscheidender Anstoß zur Privatisierung war die Erkenntnis, dass sich die mit der 1992 erfolgten Umwandlung des vormaligen Regiebetriebes in ein Eigenbetrieb verbundene Erwartung, relevante Kosteneinsparpotenziale zu erschließen, nicht erfüllt hatte. Dass von dem gebührenrechtlichen Kostendeckungsprinzip keine hinreichenden Anreize zu wirtschaftlichem Handeln ausgingen und dass sich deshalb das Ziel, Kostensteigerungen soweit wie möglich durch betriebswirtschaftliche Effizienzsteigerungen und nicht durch Gebührenerhöhungen auszugleichen, nur durch Einbindung eines privaten Partners erreichen lassen würde.

Auch dieses Ziel der Gebührenstabilität ist vollständig erreicht worden, und das, obwohl zu Gunsten aller zum Zeitpunkt der Privatisierung beschäftigten Mitarbeiter auf Dauer ein Ausschluss betriebsbedingter Kündigungen vereinbart werden konnte. Preis- und damit auch Gebührenerhöhungen erfolgen nicht mehr nach dem Bedarfsprinzip, sondern nur noch auf der Basis von Änderungen amtlich veröffentlichter Preisindices. Die Alternative, das Entgelt – im Prinzip wie zuvor – jeweils auf der Basis tatsächlicher Kosten zuzüglich eines angemessenen Gewinnzuschlages („LSP“) zu ermitteln, wurde zwischen den beteiligten bremischen Stellen eingehend erörtert, gerade im Interesse des Gebührenzahlers aber verworfen, weil es keine genügenden Anreize zu Kosteneinsparungen enthalte und daher Gebührenstabilität mit einem solchen Modell gerade nicht zu gewährleisten sei.

Dass die Entscheidung Bremens im Jahr 1998 so falsch nicht gewesen sein kann, zeigt schon die Tatsache, dass die von der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG und der Rechtsanwaltssozietät Beiten Burkhardt aus Frankfurt beratene Stadt Braunschweig bei der bislang letzten Privatisierung eines Entwässerungsbetriebes einer deutschen Großstadt, nämlich der Privatisierung der Stadtentwässerung Braunschweig im Jahr 2005, sich für das gleiche Entgeltsystem entschieden und auch die meisten anderen vertraglichen Elemente des „Bremer Modells“ übernommen hat.

Da der mit hanseWasser vereinbarte Vergütungmechanismus zudem keine fortlaufende Preisanpassung vorsieht, sondern die Entgelte erst bei Erreichen bestimmter Index-Schwellen und dann auch nicht rückwirkend, sondern nur mit Wirkung auf den 1. Januar des Folgejahres angepasst werden, bleibt die Erhöhung der vertraglichen Entgelte stets hinter der tatsächlichen Preisentwicklung zurück, d.h. auch von den auf der Basis der Indices errechneten Kostensteigerungen wird nur ein Teil an den Gebührenzahler weitergegeben; der verbleibende Rest ist von hanseWasser zu kompensieren. Die erste Anpassung der Gebühren seit der Privatisierung im Jahr 1998, die zum 1. Januar 2004 wirksam wurde, betrug 6 %. Die Inflationsrate hatte im Zeitraum seit der letzten Gebührenerhöhung, die zum 1. Juli 1996 erfolgt war, 9,6 % und seit der Privatisierung 6,7 % betragen. Da die Anpassung erst mit Wirkung ab dem 1. Januar 2004 erfolgte, verblieben die Belastungen aus den Kostensteigerungen, die sich in dem Zeitraum bis 31. Dezember 2003 realisiert hatten, endgültig bei hanseWasser. Ohne die im Rahmen der Vertragsverhandlungen gegen große Widerstände der Bieter durchgesetzte anteilige Übertragung des Mengenrisikos hätte die Erhöhung um rund 13 % ausfallen müssen.

Als Zugeständnis für die Zahlung eines attraktiven Kaufpreises und die Übernahme von Risiken hat Bremen dem Investor die Chance eingeräumt, von den von ihm realisierten Kostensenkungsmaßnahmen zu profitieren. Da nach fünfjähriger Erfahrung mit der Rechtsform Eigenbetrieb die BEB allein nicht in der Lage waren, die Kosten nennenswert zu reduzieren, sondern ohne eine Privatisierung im Gegenteil weitere Gebührensteigerungen erwartet wurden, hat Bremen dieses Zugeständnis im Ergebnis noch nicht einmal etwas gekostet.

Gleichwohl konnte in Paragraph 20 des Vertrages mit hanseWasser über die Durchführung von Aufgaben der Abwasserbeseitigung gegen den starken Widerstand dieser Bieterin das einseitige Recht Bremens verankert werden, nach achtjähriger Vertragslaufzeit eine Überprüfung der vertraglich festgelegten Entgelte dahingehend zu verlangen, ob diese in Anbetracht aller Umstände noch angemessen sind, und die Entgelte im Streitfall von einem neutralen Schlichter neu festsetzen zu lassen. Der Vertrag listet ausdrücklich Kriterien auf, anhand derer die Neufestsetzung zu erfolgen hat: Die von hanseWasser über die Gesamtdauer des Vertrages zu tragende Kostenbelastung unter Berücksichtigung der Potenziale zu Erhöhung der Wirtschaftlichkeit, das Interesse von hanseWasser an einer angemessenen Eigenkapitalrendite und das Interesse Bremens an einer kostengünstigen Leistungserbringung.

Warum diese Klausel von Ihnen kritisiert wird, erschließt sich uns nicht. Da zudem derzeit ein solches Schlichtungsverfahren schwebt, erachten wir Äußerungen in der Presse, die im Widerspruch stehen zum Vorbringen der Vertreter Bremens in jenem Verfahren und die im Ergebnis die unzutreffend Behauptung von hanseWasser, die Überprüfungs- und Anpassungklausel sei entgegen ihrem klaren Wortlaut einschränkend auszulegen, unterstützen könnte, für wenig hilfreich.

Zusammengefasst:

Weder die Freie Hansestadt Bremen noch der Gebührenzahler zahlt für die Abwasserversorgung mehr als das, was vor der Privatisierung gezahlt wurde, und erheblich weniger als das, was nach den Erfahrungen der Vergangenheit ohne Privatisierung zu zahlen gewesen wäre.

Die Freie Hansestadt Bremen hat überdies einen beachtlichen Veräußerungserlös vereinnahmt, erhält eine Verzinsung des Bremen verbliebenen Anteils am Stammkapital der hanseWasser, erzielt fortlaufend Steuereinnahmen aus dem Gewinn der hanseWasser, hat alle Arbeitsplätze der BEB unter voller Besitzstandswahrung auf Dauer gesichert und kann zu Gunsten des Gebührenzahlers Preisanpassungen verlangen, wenn hanseWasser unangemessene Renditen erzielt.

Wir halten dies weder für eine Katastrophe, noch können wir erkennen, dass Bremen „unheimlich viel Geld“ verliere.

Ob bestimmte Aufgaben privatisiert oder weiterhin in öffentlich-rechtlicher Rechtsform erledigt werden sollten, ist ausschließlich von den politischen Verantwortlichen zu entscheiden.

Vom politischen Standpunkt mag auch die Beantwortung der Frage abhängen, ob der Veräußerungserlös aus der Privatisierung sinnvoll eingesetzt wurde oder nicht.

Selbstverständlich stellen wir uns als Anwälte jeder sachlichen Kritik an unserer Arbeit. Wir halten es aber im hohen Maße für unfair, für politische Entscheidungen eines früheren Senats, an deren rechtlicher Umsetzung wir beteiligt waren, mit polemischen Formulierung und sachlich falschen Behauptungen in der Öffentlichkeit persönlich an den Pranger gestellt zu werden.

Wir bitten Sie deshalb um einen zeitnahen Termin für ein persönliches Gespräch über die andere Angelegenheit und über die Frage, wie Ihre unzutreffende und uns herabsetze Äußerung richtig gestellt werden kann.

Mit verbindlicher Hochachtung, Dr. Müffelmann, Dr Behr

ENDE des Schreibens der Anwälte

Munter bleiben!

Ihr Axel Schuller