Mutiert hanseWasser nach 20 Jahren wieder zum behäbigen Amt für Stadtentwässerung?

15.02.2025 6 Von Axel Schuller

Bürgermeister Dr. Andreas Bovenschulte (SPD) nennt die geplante Übernahme von hanseWasser einen „minimal invasiven Eingriff“. Das klingt niedlich, dabei geht es aber um deutlich mehr. a) um zig Millionen Euro und b) um eine Grundsatzentscheidung: Sind staatliche Unternehmen genauso innovativ und effizient wie private? Zur Klärung hilft ein Blick ins Jahr 1998, als HanseWasser noch das „Amt für Stadtentwässerung“ war. Was hatte seinerzeit eigentlich zur Privatisierung geführt? Und: Wie viele Hundert Millionen Mark hat Bremen dafür erhalten?

Die aktuelle Entscheidung und anhaltende Debatte ist ungewöhnlich geschichtsvergessen. Dabei ist der Blick zurück auch vor dem Hintergrund sinnvoll, dass Politiker von SPD, Grünen und insbesondere Linken stets darauf hinweisen, welche Un-Summen sich die HanseWasser-Gesellschafter in den vergangenen Jahren angeblich in die Taschen geschaufelt hätten.

Vor der (hoffentlich) erhellenden Replik noch mal kurz zum Vergleich von staatlichen und privaten Unternehmen.

Die teilweise Rückführung der Müllabfuhr in staatliche Hand (Rekommunalisierung genannt) ist für die Bevölkerung keineswegs nur vorteilhaft: Die Gebühren sind gestiegen, der Service (Recyclinghöfe) gesunken. Das Personal erhält mehr Geld, ohne dass die Bürger etwas von besseren Leistungen bemerken.

Seltsamerweise sind die drei Koalitionsparteien trotz dieser negativen Erfahrungen wie besessen, nun auch hanseWasser in den staatlichen Hafen zurückzulotsen.

Übrigens: Dies wird rechtlich noch verdammt schwer werden, denn das Finanzamt hat ein Spiel-entscheidendes Wort mitzureden. „Finanzamt“ klingt in diesem Zusammenhang fast schon leichtfüßig wie: Na ja, der Finanzsenator wird schon darauf achten, dass es am Ende klappt.

Aber Vorsicht: Das Finanzamt, das eine einklagbare, „verbindliche Auskunft“ über den möglichen Entfall der Umsatzsteuer (für eine 100Prozent staatliche HanseWasser GmbH) erteilen muss, ist eine „Mischverwaltung“ aus Finanzverwaltung des Landes Bremen und der Bundesfinanzverwaltung.

Auf dem Entfall der Umsatzsteuer von 19 Prozent basiert die komplette (Schön?-)Rechnung des Senats.

Und weil die Nummer noch keineswegs in trockenen Tüchern ist, steht die Senats-Entscheidung (pro 100 Prozent städtischer Hansewasser-Folgegesellschaft) unter „Vorbehalt“ – nämlich der verbindlichen Zusage, dass das neue Gebilde tatsächlich von der Umsatzsteuer befreit wird.

Sorry, war jetzt viel „Technik“, spielt aber eine brutal-entscheidende Rolle.

Ich hatte einen Rückblick erhellenden Charakters versprochen.

Erinnern Sie sich noch an die Vorgeschichte von hanseWasser?

Seit 1995 regierte Bremens „Marketingkönig“ Bürgermeister Dr. Henning Scherf (SPD). Nahezu alljährlich ploppten im Senat Meldungen über marode Abwasserkanäle und damit einhergehend anstehende Gebührenerhöhungen auf.

An Scherfs Seite standen die Finanzsenatoren Ulrich Nölle und ab 1997 Hartmut Perschau – beide neigten mit ihrer CDU-DNA ohnehin zur Privatisierung öffentlicher Dienstleistungen.

Der Überlieferung nach soll Scherf kraftlos geführten und zum Sparen unfähigen öffentlichen Dienstleistern mehrfach gedroht haben: Wenn das nicht endlich besser läuft, werdet ihr verkauft.

Als erstes war die Müllabfuhr dran, wurde der Firma Nehlsen anvertraut. In der Folge bedeutete dies über viele Jahre: Gebührenstabilität. Das änderte sich erst wieder nach der Teil-Rekommunalisierung im Jahr 2018.

1998 war Scherf die ständige Empörung über kaputte Kanäle und immer neue Gebührenforderungen des Amtes für Stadtreinigung leid. Nicht mal die zuvor ausprobierte Umwandlung in den Eigenbetrieb Bremer Entsorgungsbetriebe BEB hatte die gewünschten Erfolge/Erträge erzielt.

So entstand die „hanseWasser“. Gesellschafter sind seitdem die swb AG und die Gelsenwasser AG mit zusammen 74,9 Prozent sowie die Stadt Bremen mit 25,1 Prozent.

Die Profis von swb und Gelsenwasser zahlten rund 800 Millionen Mark und banden sich zusätzlich allerlei teure Pflichten ans Bein: Übernahme des städtischen Personals und deren Tarifverträge; Langzeit-Job-Garantie; Reparatur aller Kanäle sowie Modernisierung der beiden Klärwerke in Seehausen und Farge.

Die neue Firma hanseWasser schrieb nach einigen Jahren satte Millionen-Gewinne. Dies lag auch daran, dass sie Innovations-Vorteile nutzte: Neue Verfahren der Abwasserbereitung, neue Fahrzeuge, hochmotiviertes Personal, niedriger Krankenstand der Mitarbeiter. Insgesamt wurde innerhalb von rund 15 Jahren 30 Prozent des Personals „sozial“ abgebaut – weil es einfach überflüssig war. Die Stadt erhielt neben dem Verkaufserlös und Nutzungsentgelt für die Anlagen jährlich 200.000 Euro als Rendite auf ihren Anteil von die 25,1 Prozent.

Das weckte schon früh Missgunst und Neid von Politikern.

Die Grüne Finanzsenatorin in den Nach-Scherf-Jahren, Karoline Linnert, pestete 2007 in einem Interview mit der taz:

„Die hanseWasser-Verträge unter tätiger Mithilfe der Anwälte Müffelmann und Theye sind für die Stadt eine Katastrophe. Da verlieren wir viel Geld.“

Dies brachte ihr einen Protestbrief der renommierten Anwaltskanzlei ein, den ich in einem separaten Stück („Anwalt Müffelmann haut Finanzsenatorin Fakten um die Ohren“ – ab jetzt verfügbar) dokumentiere. Das Schreiben der Juristen enthält viele Fakten, welche die aktuell tätigen Bürgerschaftsabgeordneten und Senatsmitglieder entweder verdrängen oder vergessen:

Nämlich die Tatsache, dass sich hanseWaser vom notleidenden ewig gebühren-hungrigen Amt für Stadtentwässerung zu einem prächtigen Steuerzahler entwickelt hat.

Apropos Steuern: Die „Kalkulation“ von Bürgermeister Bovenschulte und seinen Mitstreitern für eine Rekommunalisierung von hanseWasser gründet auf dem Gedanken, dass Bremen als staatlicher Betreiber 19 Prozent Umsatzsteuer sparen und diese „Gewinne“ in Form von Gebührensenkungen an alle Bremer m/w zurückgeben könne.

Frage: Wer erhält diese 19prozentige Steuer eigentlich? Bund, Länder und Kommunen. Mit anderen Worten: Ein Teil dieser 19 Prozent geht dem Land und der Stadt Bremen am Ende verloren.

Liebe Leserinnen und Leser, ich weiß: Das Thema Rekommunalisierung ist extrem schwergängig. Ich hoffe, Ihnen dennoch ein paar Fakten und Hintergründe geliefert zu haben, wonach der Deal deutlich mehr als ein „minimal invasiver Eingriff“ ist. Bremen muss rund 40 Millionen Euro für die 74,9 Prozent der hanseWasser-Anteile an swb und Gelsenwasser bezahlen.

Ich frage mich: Weshalb verhandelt Bremen nicht mit den anderen Gesellschaftern über einen größeren Gewinnanteil? Der Vertrag läuft erst 2029 aus.

In einem internen Papier erklären sich die Mehrheits-Gesellschafter dazu offenbar bereit.

Glauben Senat und Koalition ernsthaft, der Staat sei der bessere Unternehmer als die jetzigen Betreiber? Die BEB haben Ende der 90er Jahre das krasse Gegenteil bewiesen. Lesen Sie dazu unbedingt die Dokumentation!

Koalitionspolitiker verbreiten stets die Mär, sie müssten in Zeiten des Klimawandels mehr Einfluss auf hanseWasser erhalten. Wozu? hanseWasser hat sich bereits selbst das Ziel gesetzt, CO2-frei zu werden.

Meine Sorge: Spätestens 20 Jahre nach einer Rekommunalisierung  landet der Laden wieder auf dem Niveau des Amtes für Stadtentwässerung. Ohne Innovationskraft; mit schlurig tätigem Personal; mit ausufernder Mitbestimmung á la öffentlichem Dienst; mit weniger Kundenorientierung.

Munter bleiben!

Herzlichst

Ihr Axel Schuller