Weser-Kurier erhöht Abopreis – dürfen die das?
Wahnsinn: Die verkaufte Weser-Kurier-Abo-Auflage sinkt beständig, doch der Laden existiert weiter. Ganz einfach: Das Unternehmen erhöht inzwischen gefühlt jährlich den Preis, so dass die Einnahmeverluste durch Kündigungen zumindest teilweise kompensiert werden. Ferner arbeitet der Verlag an seiner Kostenstruktur – demnächst werden die Geschäftsstellen in Lilienthal, Achim, Stuhr-Brinkum, Delmenhorst und Bremen-Vegesack geschlossen.
Vorab mal etwas für die Verbraucherzentrale, die ja auf Mogel-Packungen, Nachteile für Konsumenten oder auch fehlende Preisauszeichnungen geeicht ist.
Verbraucherschützer, was sagen Sie zur Ankündigung des WK in der Ausgabe vom 14. Februar, dass der Abo-Preis ab 1. März 2025 „um zwei Euro angehoben wird“. Wie teuer das Abo dann sein wird – fehlt im Text. Muss man selbst ausrechnen. Ein Abo der Papier-Ausgabe kostet aktuell bei Zustellung im Bremer Wirtschaftsraum 48,90 Euro. Plus 2 Euro, macht also ab 1. März: 50,90 Euro. Pro Monat. Im Jahr also fröhliche 610,80 Euro.
Verbraucherschützer, ist es rechtens, eine Erhöhung anzukündigen, ohne gleichzeitig den neuen Monatspreis zu nennen?
Der Verlag begründet den Preissprung so: Man wolle „die Nachhaltigkeit unserer redaktionellen Projekte und die langfristige Sicherung unserer journalistischen Standards gewährleisten“.
Verbraucherschützer, ist es aus Ihrer Sicht eigentlich okay, mit keinem Wort zu erwähnen, dass eine einseitige Preiserhöhung dem Abonnenten (möglicherweise) ein Sonderkündigungsrecht einräumt?
Ich habe der Verbraucherzentrale Bremen diese Fragen – gesittet formuliert – übermittelt. Die Antworten fielen so „differenziert“ aus, dass ich Sie, liebe Leserschaft, bitte, sich die Wort-Kaskaden der VZ Bremen in der Doku im Blog (unter diesem Text) selbst reinzuziehen. Es klingt ein wenig nach Radio Eriwan: Im Prinzip ja, aber…
Machen Sie sich bitte selbst ein Bild.
Ich empfehle: Wer nicht willens oder in der Lage ist, monatlich 50,90 Euro für das WK-Abo abzudrücken, sollte den WK-Vertrieb (0421-36716677) wegen eines Sonderkündigungsrechts anmorsen.
Kommen wir zum Ausgang des heutigen Stückes, zur Rechenaufgabe zurück.
Die verkaufte WK-Abo-Auflage ist zwischen dem 4. Quartal 2023 und dem 4.Quartal 2024 von 91.752 auf 86.547 gesunken. Dies entspricht 5.205 Exemplaren.
So, Rechenschieber raus, jetzt geht’s los:
5.205 multipliziert mit dem aktuellen Abopreis von 48,90 mal 12 Monate ergibt ein Minus von 3,05 Millionen Euro.
Nimmt man nun die aktuelle Abozahl von 86.547 (Abos), multipliziert diese mit der Erhöhung von 2 Euro (Monat), und nimmt diese Zahl mal 12 (Monate), kommt man auf 2,08 Millionen Euro Zusatz-Einnahmen.
Wir sehen: Der rasante Abo-Verlust belastet die Verlagskasse dank Preiserhöhung ab 1. März nicht um 3, sondern „nur“ um 1 Million Euro im Jahr.
Nun werden Kenner der Materie einwenden, dass ja 22.044 der 86.547 Abos als ePaper geliefert werden. Für den Verlag ist das übrigens fein: Das ePaper dürfte trotz geringeren Monatspreis eine bessere Marge aufweisen als die Print-Ausgaben.
Denn fürs ePaper benötigt man keine Träger (die bezahlt werden müssen) und: Fürs ePaper muss ich weder Papier kaufen noch dieses bedrucken.
Nachteil. In die digitale Ausgabe kann man keine gewinnträchtigen Werbebeilagen reinpacken.
Fazit: Die ständig sinkende Auflage mindert die Bedeutung der Zeitung. Denkende gewerbliche Kundschaft wird die hohen Anzeigenpreise auf Dauer in Frage stellen. Gleichzeitig bieten die jährlich steigenden Abo-Preise für den Verlag zumindest ein bisschen Trost.
Aber, Obacht: 50,90 Euro für ein Zeitungs-Abo stehen irgendwann in keinem Verhältnis mehr zur monatlichen Zwangsgebühr von monatlich 18,36 Euro für die Öffentlich-Rechtlichen mit ihren Online-, Hörfunk– und TV-Angeboten.
Der Weser-Kurier ahnt vermutlich, dass er nicht endlos an der Preisschraube drehen kann. Deshalb achtet er zunehmend auf seine Kosten. Die eigene Druckerei wurde Ende 2020 geschlossen. Neues Redaktionspersonal wird nicht mehr nach dem teuren Tageszeitungs-Gehaltstarifvertrag eingestellt, sondern von der eigenen Gesellschaft Pressedienst Nord zu niedrigeren Tarifen angeheuert.
Na ja, der neue Chefredakteur Benjamin Piel wird so schlau sein, dass er zu – vermutlich – sehr ordentlichen Bedingungen an Bord gegangen ist.
In den 80er Jahren war der Verlag seinen Lesern m/w ins Umland „nachgezogen„. So entstanden Regionalausgaben und Zeitungshäuser in Lilienthal, Achim, Stuhr-Brinkum und Delmenhorst. Die Geschäftsstelle in Bremen-Nord (Vegesack) war stets die wichtigste. Die im WK aufgegangene „Norddeutsche“ ist für die 100.000 Bremen-Norder als Lokalausgabe gedacht. Außerdem gibt man in dieser Geschäftsstelle auch Familienanzeigen fürs (konkurrierende?) BLV (gehört inzwischen dem Weser- Report) auf.
Die Bremer Tageszeitungen AG möchte im ersten Halbjahr ihre Ladengeschäfte in den regionalen Zeitungshäusern schließen. Dafür sucht Verlagschef David Koopmann aktuell nach Dienstleistern, die bereit sind, die Shops weiterzuführen.
Bislang können Kunden dort Familienanzeigen aufgeben, Abo-Unterbrechungen melden oder auch Tickets für Busreisen sowie Eintrittskarten der Firma Nordwestticket kaufen.
Munter bleiben!
Herzlichst
Ihr Axel Schuller
P.S.: Schauen Sie unbedingt die Kommentare zum hanseWasser-Stück an. Und vor allem zur Dokumentation des Müffelmann-Schreibens. Es lohnt sich 100prozentig!
Die Stellungnahme der Handelskammer zur Rekommunalisierung von hanseWasser hat der Weser-Kurier in seiner Dienstagsausgabe irgendwie „vergessen„. Finden Sie, meine informierte Leserschaft, als Anhang im unterstehenden Doku-Stück zur Antwort der Verbraucherzentrale.
Ich werde kein (Sonder-)Kündigungsrecht in Anspruch nehmen, denn meines Erachtens ist der WK für alle Bremen-Interessierten unverzichtbar. Trotzdem wünsche ich mir schon lange mehr Qualität. Vor allem bei der Auswahl und Platzierung der Themen fehlt mir oft das journalistische Gespür. Warum zum Beispiel hat der WK vor und nach der Schaffermahlzeit tagelang immer wieder mit halb- bis ganzseitigen Artikeln über alle Details dieses Honoratiorentreffens berichtet, obwohl er darüber schon in den vergangenen Jahren ständig ausführlich berichtet hat. Wenn aber 35.000 bis 50.000 Menschen in der Innenstadt gegen Rechts demonstrieren, dann ist das für den WK nur ein Thema unter vielen, und er zeigt in der Druckausgabe nicht mal ein Übersichtsfoto von der riesigen Menge, die sich auf dem Domshof und dem Marktplatz versammelt hat.