Blattkritik III: WK „glänzt“ heute auch mit Ahnungslosigkeit

04.03.2025 6 Von Axel Schuller

In jedem halbwegs professionell geführten „Laden“ gibt’s heutzutage Mitarbeiter für die  Qualitätskontrolle. Beim Weser-Kurier hatten gestern entweder die Zuständigen „Freigang“. Oder aber die Abteilung wurde aufgelöst, um Geld zu sparen. Die Dienstagsausgabe ist teilweise wunderlich. Das ist nicht so einfach dahin geschrieben. Ich werde es – wie immer – hier und heute belegen.

Ahnungslosigkeit spricht aus der heutigen Seite 3 des WESER-KURIER. Da darf sich ein gewisser Andreas Ellinger auf einer kompletten Seite ausschreiben. Thema: „Bremer profitieren kaum von hohen Löhnen“. Man könnte auch sagen: Der Stadtstaat Bremen ist arm dran. Wer hier gutes Geld verdient, baut im (niedersächsischen) Umland ein Häuschen. Die Folge: Hier werden zwar relativ gute Löhne bezahlt, das Durchschnittseinkommen der Bremer ist aber deutlich geringer. Liegt an der hohen Zahl der Berufs-Einpendler, aber auch an den vielen Empfängern staatlicher Leistungen.

Aus Ellingers Zeilen spricht ein gerüttelt Maß an Unwissen. Der Autor versieht die betroffenen Senatsressorts (auffälligerweise) bremen-untypisch als „Senatsverwaltung für Wirtschaft, Häfen und Transformation“ oder auch: „Senatsverwaltung für Arbeit, Soziales, Jugend und Integration“. Bremer Journalisten schreiben stets: Das Wirtschaftsressort, oder: das Arbeitsressort.

Der Begriff Länderfinanzausgleich kommt bei Ellinger nicht vor. Die „Ergänzungszuweisungen“ des Bundes ebenfalls nicht. Und die „Veredlung“ der Bremer Einwohner bei der Steuerverteilung zwischen Bund und Ländern (jeder Bremer gilt dabei so viel wie 1,35 Einwohner) kennt der Autor  offenbar auch nicht. Dummerweise wirken sich diese drei „Instrumente“ auf die von Ellinger beschriebenen relativ geringen Bremer Steuereinnahmen (trotz guter Löhne) aus. 

Aus all dem kann man ihm keinen Vorwurf machen. Der freie Journalist betreibt in Nienburg ein Textbüro. Dort muss man sich mit Bremer „Spezialitäten“ nicht zwingend auskennen. Die WK-Redaktion, die einen solchen Text ins Blatt hebt, hat aber die Pflicht, das Werk einer Qualitätskontrolle zu unterziehen.

Anderes Thema: Felix Wendler darf im Lokalen auch mal wieder ran. Der Kollege hat sich in Bremen inzwischen den Ruf eines Saxe-Verstehers (Ralph, der Grüne) redlich erschrieben. Wendler – nicht zu verwechseln mit dem ehemaligen, anerkannten Wissenschaftsredakteur Jürgen Wendler – spürt auf der ersten Lokalseite der – bestimmt lebenswichtigenFrage nach: „Welche Geschwindigkeitsbegrenzungen für Radfahrer gelten“. Geht mal wieder um Wendlers Lieblings-Themen-Potpourri Fahrradfahrer, Premiumradweg, Tempo 30 etc. Den schönsten Satz zum Stück’ steuert (Zitat WK) Bremens Polizeisprecherin Franka Haedke bei: „Die allgemeine Beschränkung von 50 km/h, an die sich Kraftfahrzeuge innerorts halten müssen, gilt für Radfahrer auf der Straße nicht.“

Puh, jetzt bin ich aber beruhigt: Wir Radler dürfen also auch weiterhin fröhlich mit 60 km/h und mehr durch die Stadt brettern… 🙂

Der WK steuert heute noch weitere bemerkenswerte Texte zum Wohlbefinden der zahlenden Leserschaft bei. Beispielsweise „Klimastrategie soll arme Menschen mitdenken“. Ein Bericht über eine „Armutskonferenz“ im klassischen SoziologenKauderwelsch. Immerhin sollen sich die „Teilnehmenden“ gut verstanden haben. Außerdem gibt’s im Blatt ein Interview mit einer offenbar weltpolitisch-erfahrenen Buchhalterin in der Ukraine.

Ich kenne die Frau nicht, habe auch nichts gegen sie. Sie ist – Hochachtung – mit ihrer kompletten Familie von Bremen in das vom Krieg gebeutelte Land zurückgekehrt. Aber Fragen der Interviewerin á la „Und wie wäre es aus Ihrer Sicht möglich, verlässlich Frieden herzustellen?“ erfordern dann doch einen sehr großen Wissenshorizont der sicher sehr lebensklugen Frau. Zumindest die Staatschefs der EU haben noch keine passende Antwort gefunden.

Apropos Interview: Ich habe mich in der Vergangenheit ja mehrfach gewundert, dass der Weser-Kurier mal das Alter von Interviewten nennt, dann wieder weglässt.

Während meiner Ausbildung (zugegebenermaßen 1974, also im vorigen Jahrhundert) wurde uns regelrecht eingebimst: Zur Vita eines Interviewten gehört immer das Alter.

Unsere Heimatzeitung mit ihrem ewigen Hin und Her hat mich derart verunsichert, dass ich eine höhere Instanz um Klärung gebeten habe.

Also richtete ihr kleiner Blogger as an die in der Branche hoch geachtete Henri-Nannen-Schule in Hamburg – Träger sind SPIEGEL, ZEIT und Bertelsmann (also STERN) – eine entsprechende Anfrage.

Sinngemäß: Ist es es heutzutage nicht mehr üblich, das Alter von Interviewpartnern zu nennen?

Aus dieser Hochburg der Journalisten-Ausbildung erfuhr ich:

„… Wir an der Schule dringen darauf, … auch das Alter zu nennen, und überhaupt alles, was eine sinnvolle Information darstellt. Aber das wünschen nicht mehr alle Redaktionen oder sie schludern, was genauso bedenklich ist. Zuweilen auch wird präzise Information als Stigmatisierung aufgefasst, eine Haltung, die um sich greift. …“

Fest steht: Die Weser-Kurier „Regel“, wonach offenbar jeder Autor für sich (und für uns Leser) entscheidet, ob bei Interviews das Alter genannt wird, ist – auch nach Anrufung höchster Fachlichkeit – nur eines: Kokolores. Also, WK-Chefredakteure Silke Hellwig und Benjamin Piel: Walten Sie bitte Ihres Amtes. 🙂

Munter bleiben!

Herzlichst

Ihr Axel Schuller

P.S.: Liebe Leserschaft, bitte schreiben Sie mir, ob Sie weiter Interesse an einer „Blattkritik“ wie dieser haben. Oder zahlen Sie einfach, ärgern sich und – na ja – nehmen den WK einfach so hin, wie er nun mal ist. Womöglich sind Sie mit dem Blatt ja auch total einverstanden. Schreiben Sie es bitte auf. Dafür gibt es die Kommentarspalte auf meiner Seite. Aber, wie immer. Bitte im Rahmen des strafrechtlich Zulässigen.