Blattkritik III: WK „glänzt“ heute auch mit Ahnungslosigkeit
In jedem halbwegs professionell geführten „Laden“ gibt’s heutzutage Mitarbeiter für die Qualitätskontrolle. Beim Weser-Kurier hatten gestern entweder die Zuständigen „Freigang“. Oder aber die Abteilung wurde aufgelöst, um Geld zu sparen. Die Dienstagsausgabe ist teilweise wunderlich. Das ist nicht so einfach dahin geschrieben. Ich werde es – wie immer – hier und heute belegen.
Ahnungslosigkeit spricht aus der heutigen Seite 3 des WESER-KURIER. Da darf sich ein gewisser Andreas Ellinger auf einer kompletten Seite ausschreiben. Thema: „Bremer profitieren kaum von hohen Löhnen“. Man könnte auch sagen: Der Stadtstaat Bremen ist arm dran. Wer hier gutes Geld verdient, baut im (niedersächsischen) Umland ein Häuschen. Die Folge: Hier werden zwar relativ gute Löhne bezahlt, das Durchschnittseinkommen der Bremer ist aber deutlich geringer. Liegt an der hohen Zahl der Berufs-Einpendler, aber auch an den vielen Empfängern staatlicher Leistungen.
Aus Ellingers Zeilen spricht ein gerüttelt Maß an Unwissen. Der Autor versieht die betroffenen Senatsressorts (auffälligerweise) bremen-untypisch als „Senatsverwaltung für Wirtschaft, Häfen und Transformation“ oder auch: „Senatsverwaltung für Arbeit, Soziales, Jugend und Integration“. Bremer Journalisten schreiben stets: Das Wirtschaftsressort, oder: das Arbeitsressort.
Der Begriff Länderfinanzausgleich kommt bei Ellinger nicht vor. Die „Ergänzungszuweisungen“ des Bundes ebenfalls nicht. Und die „Veredlung“ der Bremer Einwohner bei der Steuerverteilung zwischen Bund und Ländern (jeder Bremer gilt dabei so viel wie 1,35 Einwohner) kennt der Autor offenbar auch nicht. Dummerweise wirken sich diese drei „Instrumente“ auf die von Ellinger beschriebenen relativ geringen Bremer Steuereinnahmen (trotz guter Löhne) aus.
Aus all dem kann man ihm keinen Vorwurf machen. Der freie Journalist betreibt in Nienburg ein Textbüro. Dort muss man sich mit Bremer „Spezialitäten“ nicht zwingend auskennen. Die WK-Redaktion, die einen solchen Text ins Blatt hebt, hat aber die Pflicht, das Werk einer Qualitätskontrolle zu unterziehen.
Anderes Thema: Felix Wendler darf im Lokalen auch mal wieder ran. Der Kollege hat sich in Bremen inzwischen den Ruf eines Saxe-Verstehers (Ralph, der Grüne) redlich erschrieben. Wendler – nicht zu verwechseln mit dem ehemaligen, anerkannten Wissenschaftsredakteur Jürgen Wendler – spürt auf der ersten Lokalseite der – bestimmt lebenswichtigen – Frage nach: „Welche Geschwindigkeitsbegrenzungen für Radfahrer gelten“. Geht mal wieder um Wendlers Lieblings-Themen-Potpourri Fahrradfahrer, Premiumradweg, Tempo 30 etc. Den schönsten Satz zum Stück’ steuert (Zitat WK) Bremens Polizeisprecherin Franka Haedke bei: „Die allgemeine Beschränkung von 50 km/h, an die sich Kraftfahrzeuge innerorts halten müssen, gilt für Radfahrer auf der Straße nicht.“
Puh, jetzt bin ich aber beruhigt: Wir Radler dürfen also auch weiterhin fröhlich mit 60 km/h und mehr durch die Stadt brettern… 🙂
Der WK steuert heute noch weitere bemerkenswerte Texte zum Wohlbefinden der zahlenden Leserschaft bei. Beispielsweise „Klimastrategie soll arme Menschen mitdenken“. Ein Bericht über eine „Armutskonferenz“ im klassischen Soziologen–Kauderwelsch. Immerhin sollen sich die „Teilnehmenden“ gut verstanden haben. Außerdem gibt’s im Blatt ein Interview mit einer offenbar weltpolitisch-erfahrenen Buchhalterin in der Ukraine.
Ich kenne die Frau nicht, habe auch nichts gegen sie. Sie ist – Hochachtung – mit ihrer kompletten Familie von Bremen in das vom Krieg gebeutelte Land zurückgekehrt. Aber Fragen der Interviewerin á la „Und wie wäre es aus Ihrer Sicht möglich, verlässlich Frieden herzustellen?“ erfordern dann doch einen sehr großen Wissenshorizont der sicher sehr lebensklugen Frau. Zumindest die Staatschefs der EU haben noch keine passende Antwort gefunden.
Apropos Interview: Ich habe mich in der Vergangenheit ja mehrfach gewundert, dass der Weser-Kurier mal das Alter von Interviewten nennt, dann wieder weglässt.
Während meiner Ausbildung (zugegebenermaßen 1974, also im vorigen Jahrhundert) wurde uns regelrecht eingebimst: Zur Vita eines Interviewten gehört immer das Alter.
Unsere Heimatzeitung mit ihrem ewigen Hin und Her hat mich derart verunsichert, dass ich eine höhere Instanz um Klärung gebeten habe.
Also richtete ihr kleiner Blogger as an die in der Branche hoch geachtete Henri-Nannen-Schule in Hamburg – Träger sind SPIEGEL, ZEIT und Bertelsmann (also STERN) – eine entsprechende Anfrage.
Sinngemäß: Ist es es heutzutage nicht mehr üblich, das Alter von Interviewpartnern zu nennen?
Aus dieser Hochburg der Journalisten-Ausbildung erfuhr ich:
„… Wir an der Schule dringen darauf, … auch das Alter zu nennen, und überhaupt alles, was eine sinnvolle Information darstellt. Aber das wünschen nicht mehr alle Redaktionen oder sie schludern, was genauso bedenklich ist. Zuweilen auch wird präzise Information als Stigmatisierung aufgefasst, eine Haltung, die um sich greift. …“
Fest steht: Die Weser-Kurier „Regel“, wonach offenbar jeder Autor für sich (und für uns Leser) entscheidet, ob bei Interviews das Alter genannt wird, ist – auch nach Anrufung höchster Fachlichkeit – nur eines: Kokolores. Also, WK-Chefredakteure Silke Hellwig und Benjamin Piel: Walten Sie bitte Ihres Amtes. 🙂
Munter bleiben!
Herzlichst
Ihr Axel Schuller
P.S.: Liebe Leserschaft, bitte schreiben Sie mir, ob Sie weiter Interesse an einer „Blattkritik“ wie dieser haben. Oder zahlen Sie einfach, ärgern sich und – na ja – nehmen den WK einfach so hin, wie er nun mal ist. Womöglich sind Sie mit dem Blatt ja auch total einverstanden. Schreiben Sie es bitte auf. Dafür gibt es die Kommentarspalte auf meiner Seite. Aber, wie immer. Bitte im Rahmen des strafrechtlich Zulässigen.
Hallo Axel! Von mir aus solltest Du unbedingt mit der Blattkritik weitermachen, sobald es dafür neue Anlässe gibt. Mit Deinem Kampf für Altersangaben übertreibst Du es aber: Bei unbekannten Interviewten ist es natürlich wichtig zu erfahren, aus welcher Altersklasse sie kommen. Aber bei allseits bekannten Personen halte ich Altersangaben nicht für unbedingt nötig. – Die von Dir kritisierte Bezeichnung von Senatsressorts als „Senatsverwaltung“ (wie in Berlin) ist zumindest nicht falsch und immerhin zutreffender als der offizielle Bremer Behördentitel „Der Senator für …“. Denn unter dieser Bezeichnung firmiert nicht nur der Senator, sondern auch seine Belegschaft. Das kann zu kuriosen Missverständnissen führen. Wenn zum Beispiel eine Beamtin aus dem Bildungsressort (nennen wir sie Petra Meier) einen Vortrag auf einer Tagung hält, wird sie im Tagungsprogramm wahrscheinlich so aufgeführt: „Petra Meier. Die Senatorin für Kinder und Bildung“. Auswärtige Tagungsleitungen begrüßen die Rednerin dann womöglich als „Frau Senatorin“.
Hallo Herr Schuller, ich würde mein Verhältnis zum WK als abgestumpft bezeichnen. Für‘s Aufregen fehlt mir die Energie. Die gelegentliche Resensibilisierung durch Sie möchte ich gleichwohl nicht missen. Sie bewahrt mich davor, mich mit meinen Empfindungen alleine zu fühlen. Also bitte gerne weitermachen.
moin Herr Schuller,
arbeiten sie sich bitte nicht weiter am WK ab. Es ist aus meiner Sicht vertane Zeit.
Bringen sie lieber Infos die nicht bei buten un binnen auftauchen.
Nette Grüße
Moin Herr Schuller, haben Sie vielen Dank für Ihre Blattkritik, und bitte machen Sie damit weiter! Die heute monierten Punkte waren mir bis auf den zumeist sehr beliebigen Umgang mit Altersangaben gar nicht aufgefallen – . Insgesamt geht es mir nämlich sehr ähnlich wie es der Leser Hartmut Paul in seinem Kommentar beschreibt. Regelrecht aufregen muss ich mich allerdings trotz solcher Abstumpfung fast jeden Morgen, und zwar über den allzu häufig verstörend fehlerhaften Umgang der Redaktion mit der deutschen Sprache, Die Nennung konkreter Beispiele will ich mir hier ersparen. Durch derartige Schludrigkeiten werden immer wieder auch wichtige und interessante Beiträge regelrecht entwertet, was einem Blatt mit dem Anspruch einer Qualitätszeitung keineswegs gut zu Gesicht steht. Das abzustellen kann doch nicht so schwer sein. Schade drum.
Ich lese den Weser Kurier nur wegen der Beiträge von Jürgen Theiner und Jörg-Helge Wagner sowie der Todesanzeigen und Leserbriefe. Das wird aber langsam ein sehr teurer Spaß… Wahrscheinlich macht es nicht so viel Sinn, weiter zu kritisieren. Ich denke, das Thema wird sich von alleine erledigen. Wenn sie schon mal ihre Büros schließen und gefühlt 70% der Beiträge von Volontären stammen oder eingekauft sind. Und man munkelt, dass die Volontäre auch nicht alle in Bremen leben, sondern irgendwo aus dem Homeoffice in fernen Städten berichten. Also Qualitätsjournalismus ist das schon lange nicht mehr.
Bitte Fortfahren mit der Kritik. Sie bringt so viel: vorallem dem WK. Keum hat as das Fehlen eines Themas kritisiert, hoppelt der WK (nach einer gewissen Schonfrist) nach. Das Thema schafft es in das Blatt und an die breite Öffentlichkeit. Also, Danke an as.