JadeWeserPort – Bremer waren beim Bau des Hafens „schlauer“ als man heute meint
Der Senat kehrt aktuell alle Haushaltsecken aus, um irgendwo 62,5 Millionen Euro für den JadeWeserPort aufzutreiben. What the hell hat Bremen eigentlich mit dem JWP zu tun? Ich verspreche: Sie erfahren heute Fakten, verschüttete Hintergründe und auch ein paar erheiternde Döntjes.
Warum soll ausgerechnet das finanziell notleidende Bremen für einen Hafen im niedersächsischen Wilhelmshaven blechen?
Die Kurz-Antwort lautet: Mit beschlossen, ins Knie geschossen.
Cooler Reim, ist aber – differenziert betrachtet – Blödsinn.
Worum geht es aktuell? Niedersachsen und Bremen haben Anfang der 2000er Jahre für eine Teil-Hafenfinanzierung in Wilhelmshaven einen „haushaltsschonenden“ Weg ersonnen: Sie überwiesen der gemeinsamen Firma „JadeWeserPort-Realisierungsgesellschaft“ kein Geld, sondern ließen diese gemeinsame GmbH einen Kredit über 125 Millionen Euro aufnehmen – und bürgten dafür.
So vermied das bereits damals klamme Bremen, die 62,5 Millionen Euro für seinen 49,9 Prozent Anteil an den JWP-Kajenkosten bar auf den Tisch zu legen. Niedersachsen bürgte für 50,1 Prozent des Kredits. Aber: Schon damals war klar: Die insgesamt dreistellige Millionen-Summe muss 2026 pünktlich zurückgezahlt werden. Punkt. Ende. Aus. Die aktuell behauptete Bremer „Überraschung“ über diesen offenen Posten ist pures Schmierentheater – oder Beleg einer schlampigen Verwaltung.
Die Landesregierungen der beiden norddeutschen Länder und deren damalige Regenten – Sigmar Gabriel und Henning Scherf – waren seinerzeit aufgrund vieler Prognosen überzeugt: Der JadeWeserPort werde rasch Geld verdienen, so dass die Bürgschaften der beiden Länder niemals fällig werden würden. Die Finanzkrise (Lehman Brothers) und später Corona haben in dieser Zeit jedoch so manche Planung über den Haufen geworfen.
Break: Warum hat sich Bremen 2003 überhaupt entschieden, einen Hafen am niedersächsischen Jadebusen (heißt wirklich so) mitzufinanzieren? Die Antwort liegt in Bremerhaven: Bereits in den 1990er war absehbar, dass der Bremerhavener Wilhelm-Kaisen-Containerterminal nicht unendlich wachsen konnte. Der 2008 fertiggestellte Abschnitt IV reicht bis an den „Nationalpark Wattenmeer“. Mehr ist da einfach nicht drin.
Angesichts vieler übereinstimmender Prognosen (rasante Globalisierung, Zunahme des Welthandels und insbesondere der Containerschifffahrt) überlegte Bremen deshalb bereits in den 90er Jahren, wo ein „Überlauf“-Hafen für Bremerhaven entstehen könnte.
Die von den Reedern angekündigten neuen Schiffsgrößen verbreiteten in Hamburg und sogar in Bremerhaven regelrecht Schrecken. Die künftigen Pötte hätten – voll beladen – einen Tiefgang von 16,5 Meter, benötigten also 17 Meter Wassertiefe, noch besser: 17,50. Bremerhaven bietet bei Flut 16,50 Meter, Hamburg 16,10 Meter. Nur Wilhelmshaven kann mit 17,50 Meter trumpfen.
Bei der Planung ließ man sich übrigens von der Tiefe des Jadebusens von 20 Meter blenden. Merkte dann aber, dass die Jade bei Niedrigwasser Sedimente mit deutlich niedrigerem Druck als erwartet ausschwemmt. Die teure Folge: Statt erwartete „Auskolkungen“ (Ausspülungen) entlang der Spundwand günstig mit Sand auffüllen zu können, muss nunmehr Schlick jährlich für bis zu 10 Millionen Euro ausgebaggert werden.
Die Natur hält sich eben nicht immer an die Vorhersagen der Planer…
Das zwischen Niedersachsen und Bremen vertraglich fixierte Ziel, stets eine Wassertiefe von 17,50 Meter an der Kaimauer zu garantieren, belastet somit regelmäßig die Bilanz der JWP-Realisierungsgesellschaft.
2012 wurde schließlich Deutschlands erster Tiefwasserhafen eröffnet. Hamburg hatte sich zuvor in die Büsche geschlagen, weil die Hanseaten den Super-Hafen am Standort Cuxhaven für sinnvoller gehalten hatten.
Dass sich ausgerechnet das arme Bremen in Wilhelmshaven engagierte, hatte durchaus wirtschaftliche Gründe. Niedersachsen und Bremen legten nämlich fest: Das Flächenland baut den Hafen und das Gewerbegebiet für rund 1 Milliarde Euro. Deshalb bleiben die erwirtschaften Steuern komplett in Niedersachen. Bremen erhielt für seine 49,9-Prozent-Engagement beim Bau der Kaje samt Anlagen die Zusage, dass sich „Eurogate“ um das Be- und Entladen der Schiffe kümmert.
Zum besseren Verständnis: Eurogate gehört zu je 50 Prozent der bremeneigenen BLG und dem Hamburger Unternehmen Eurokai (Haupteigentümer: Thomas Eckelmann).
Um Reedern den neuen Tiefwasserhafen am Jadebusen schmackhaft zu machen, wurde der dänische Konzern Maersk an „Eurogate Wilhelmshaven“ mit 30 Prozent beteiligt. Mittlerweile hat Hapag-Lloyd diesen Anteil von den Dänen übernommen.
Nebenbei: Dass Eurogate sich im Tiefseehafen um die Ladung kümmert, kann durchaus auch auf heimatliche Gefühle eines Beteiligten zurückgeführt werden: Der damalige BLG-Chef, Detthold Aden, stammt aus Wilhelmshaven und wohnt dort auch heute.
So blieben 2005 Niedersachsen und Bremen als Investoren übrig.
Stand heute: Im JWP wird noch immer zu wenig Ladung umgeschlagen. Immerhin hebt jetzt das LNG-Terminal für das Fracking-Gas aus den USA die Zahlen.
Und die Zukunft des JadeWeserPorts? Die sieht trotz der fälligen 125 Millionen Euro, für welche die beiden Länder 2026 geradestehen müssen, gar nicht so schlecht aus.
Hapag-Lloyd und Maersk bilden seit Februar dieses Jahres eine Allianz, namens Gemini.
Und jetzt kommt’s: Die beiden Mega-Reedereien haben entschieden, künftig mehr Containerriesen nach Wilhelmshaven zu lotsen. Muss nur noch die Kundschaft mitspielen…
Hamburg beteiligt bekanntlich die chinesische Reederei Cosco an einem Terminal, was dem Hamburger Unternehmen Hapag-Lloyd missfällt. Außerdem können die größten Containerschiffe – wie gesagt – Hamburg nicht mehr vollbeladen anlaufen.
In Wilhelmshaven sieht man also durchaus positiv in die Zukunft.
Aber schon drohen nach Finanzkrise und Corona neue Turbulenzen: Z.B. amerikanische Zoll-Verrücktheiten und Gegen-Maßnahmen von China. Diese Gemengelage könnte den sich gerade erholenden Welthandel erneut ins Schlingern bringen.
Liebe Leserschaft, ja ich weiß: Das war ein brutal langer Text. Ich hoffe dennoch, dass er Ihnen einige Hintergründe und Erklärungen liefern konnte, weshalb sich die – aus heutiger Sicht doofen – Bremer an dem niedersächsischen Hafen in Wilhelmshaven beteiligt haben.
Falls Sie jetzt noch Lust und Zeit haben, hier noch ein bisschen Rankwerk:
Die Idee zum gemeinsamen Tiefwasserhafen hatten weitsichtige Hafenplaner beider Länder. Der kurzzeitige (nur in 1999) niedersächsische Ministerpräsident Gerhard Glogowski (SPD) setzte diesen „Floh“ Bürgermeister Henning Scherf während eines gemeinsamen Rückfluges von einem EU-Termin ins Ohr.
Die Planung brachten dann MP Sigmar Gabriel und Henning Scherf „aufs Gleis“.
Im Zuge dessen besuchte Sigmar Gabriel seinerzeit Bremens Wirtschaftssenator Josef Hattig (CDU) zu Hause in der Mozartstraße. Dabei stellten die beiden fest, dass sie sich aus jeweils einfachen Verhältnissen nach oben gearbeitet hatten. Das förderte die Vertrauensbasis zwischen zwei Politikern unterschiedlicher Parteien mehr als jede offizielle Konferenz.
Nach Gabriel war MP Christian Wulff (CDU) mehrfach Bremer Gesprächspartner auf der niedersächsischen Seite.
Eingeweiht haben den Hafen schließlich Ministerpräsident David McAllister (CDU) und Bremens Bürgermeister Jens Böhrnsen (SPD, na klar). 🙂
Nebenbei: Die zur Eröffnung des JWP versprochene Elektrifizierung der zweispurigen Bahnstrecke Wilhelmshaven-Oldenburg wurde – im klassischen Bahn-Tempo – 10 Jahre später (2022) fertiggestellt.
Zum Schluss noch ein kleines Schmankerl: Oberster Chef aller 15 niedersächsischen Häfen (die größten: Wilhelmshaven, Cuxhaven, Brake, Emden und Stade) ist seit 2014 ein Bremer: Holger Banik, zuvor GF bei Bremenports in Bremerhaven.
Munter bleiben!
Herzlichst
Ihr Axel Schuller
Sehr guter analytischer Rückblick. Als JWP-Fan kann ich nicht verstehen, dass bei der Planung das Problem der
Verschlickung und ddie folgende teure Ausbaggerung nicht gesehen wurde. Hat die Jade ihre Flusseigenschaften geändert? Ich bin davon ausgegangen, dass im Vorfeld die Strömung und damit die Verschlickung wissenschaftlich evaluiert worden ist. Gab es damals Ergebnisse oder sind die unterschlagen worden.
Holger Banik ist sogar ein waschechter Osterholz-Scharmbecker-Jung. Zumindest hat es da das Gymnasium besucht. Da sag‘ noch einer was gegen das damalige Bildungssystem. Ist ja was aus dem Jung geworden😉. Aus anderen (mir) ja schließlich auch😅