Sonntags-Frage: Wie will Verdi eine Kuh melken, die keine Milch mehr gibt?

09.03.2025 6 Von Axel Schuller

Unserem Land geht es so schlecht, dass für die Sanierung von Straßen, Brücken, Gleisen und staatlichen Gebäuden das Grundgesetz geändert werden muss. Nur so lassen sich die „Sondervermögen“, also Schuldenberge bilden. Doch Verdi meint, der Öffentliche Dienst könne nur weiterarbeiten, wenn die Bediensteten 8 Prozent mehr Lohn und drei zusätzliche (also 33) Urlaubstage erhalten. Dafür wird seit Wochen „gewarnstreikt“. Politiker, die sich sonst ungefragt in die Festsetzung des Mindestlohnes einmischen, halten still. Aus guten, persönlichen Gründen.

Ich habe nichts gegen Gewerkschaften. Solange ihnen noch Begriffe wie „Sozialpartnerschaft“ und Fairness geläufig und wichtig sind.

Verdi hat sich zu einer – fast könnte man sagen – „Monstergewerkschaft“ entwickelt, die in unglaublich vielen Branchen mitmischt: Im kompletten öffentlichen Dienst, in Krankenhäusern, auf Flughäfen, im ÖPNV, bei der Müllabfuhr – bis hin zum Journalismus. Hammer. Verdis „Arme“ reichen in alle wesentlichen Branchen – bis auf Metall, Chemie und Bau. Im Anhang liste ich Ihnen die fünf Fachbereiche auf.

Angesichts der übertriebenen Verdi-Forderungen frage ich mich manchmal: Leben die noch in der realen Welt oder schon auf dem Mond?

Ständig wird von Medien seltsam teilnahmslos berichtet, dass die öffentlich Bediensteten angeblich zu den meist Geknechteten dieser Gesellschaft gehören. Als gäbe es keine Menschen, die bei Wind und Wetter draußen, oder körperlich anstrengend oder nach dem Takt eines Fließbandes arbeiten. Und: Die – anders als im Öffentlichen Dienst – bei Auftragsflaute mit ihrer Kündigung rechnen müssen.

Zur Erinnerung: Der Öffentliche Dienst hat erst 2023 eine satte Lohnerhöhungen von insgesamt 11,5 Prozent erhalten – so hat es Verdi selbst seinen Mitgliedern vorgerechnet. Und jetzt schon wieder mehr Geld und 10 Prozent mehr Urlaub? Als normal Denkender kann man nur noch staunen.

Deutschland befindet sich seit drei Jahren im wirtschaftlichen Abschwung. Die meisten Städte und Länder können keine ausgeglichenen Haushalte mehr aufstellen.

Stahlarbeiter, Beschäftigte im Auto- und Maschinenbau, in der Chemie, auf dem Bau haben Sorgen, wie es weitergeht – aber der Öffentliche Dienst fühlt sich laut Verdi völlig überlastet und unterbezahlt.

Liebe „Verdisten“, ich gestehe: Die auf den ersten Blick abstruse Idee von Elon Musk, als US-Regierungsbeauftragter für Entbürokratisierung die Staatsbediensteten per Mail aufzufordern, einen Report über ihre individuellen Arbeitsergebnisse der vergangenen fünf Tage abzuliefern, verwunderte mich zunächst. Aber dann dachte ich: Ein derart unkonventioneller Ansatz sollte auch mal bei uns erprobt werden. Womöglich käme dabei heraus, dass die Öffentlich Bediensteten gar nicht so sehr durch ihre Tätigkeit belastet sind, sondern dass die behördlichen Arbeitsabläufe zu schlecht organisiert sind.

Zurück zu den Streiks. Die Arbeitgeber – also die Vertreter von uns Steuerzahlern – bieten bislang keine Gehaltserhöhungen. Weil: Die öffentlichen Kassen keine zusätzlichen Lasten verkraften. Die rückläufige Wirtschaft führt sogar zu sinkenden Steuereinnahmen. Wenn jetzt schon gestreikt wird – wie soll das erst noch während der nächsten Verhandlungsrunde (14. bis 16. März) werden? Wird dann das ganze Land lahmgelegt?

Ein Blick zur Post könnte hilfreich sein. Dort hat dieselbe Gewerkschaft Verdi angesichts sinkender Umsätze moderaten Lohnsteigerungen von 2 Prozent in 2025 und 3 in 2026 plus einem zusätzlichen Urlaubstag zugestimmt. Da immer weniger Briefe geschrieben werden, die Post also geringere Einnahmen hat, wird die Post AG im Gegenzug 5 Prozent der Stellen abbauen.

Die Briefzusteller sind mittlerweile eine Aktiengesellschaft und keine Behörde mehr. An diesem Beispiel lässt sich der Unterschied zwischen Staat und Wirtschaft studieren.

In Bremen – mit 23 Milliarden Euro höchst verschuldet – ruft Verdi nach meiner Beobachtung besonders gerne zu Streiks auf. Hier verfügt der öffentliche Dienst offenbar über eine innere Verfassung, die Beschäftigte leichter zum Gang vor das Dienstgebäude motiviert als andernorts.

Wer mal (wie ich) eine Verdi-Demo als Betrachter besucht hat, erlebt entspannte Arbeitnehmer. Von Ängsten vor Repressionen oder gar einer Kündigung ist dort nichts zu spüren. Da kommt eher eine Atmosphäre von Freizeit rüber, in der man zusammen Kaffee trinkt, sich in die Streiklisten einträgt und nett mit Kollegen plaudert. Die lautstarke Trillerpfeifen-Fraktion ist in der Regel weniger groß als die Berichterstattung vermuten lässt.

Zu Beginn des Beitrages habe ich die schweigsamen Politiker erwähnt. Klar, die Tarifautonomie zwischen Arbeitgebern- und -nehmern ist grundgesetzlich verbrieft. Sie verbietet eine direkte politische Einflussnahme. Das finde ich auch okay – solange beide Seiten mit vertretbaren Mitteln „kämpfen“.

Gleichzeitig wollen Politiker aber den Mindestlohn bestimmen, wenn es ihnen politisch passt.

Es ist an der Zeit, dass beispielsweise der Bundespräsident mal auf die ernste Situation unseres Landes hinweist. Auf die wirtschaftliche Grundlage jeder Lohnforderung: Man muss das Geld, das zusätzlich verteilt werden soll, zuvor erst einmal einnehmen. Wer eine Kuh übermäßig melkt, läuft Gefahr, dass das arme Tier irgendwann – völlig ausgezehrt – keine Milch mehr gibt. Zumindest für Bremen gilt: Die Kuh hat fertig.

Zum Schluss zu meinem anfangs geäußerten Verdacht: Politiker, insbesondere Parlamentarier, halten sich zum Thema Gehaltssteigerungen im öffentlichen Dienst (und zeitlich versetzt auch für alle staatlichen Pensionäre) auffallend zurück, weil sie am Ende selbst profitieren.

Nehmen wir das Beispiel Bremen: Hier entscheidet die Bremische Bürgerschaft schon lange nicht mehr selbst über ihre Diätenerhöhungen. Die Bezahlung der Abgeordneten ist an Parameter wie Lohnsteigerungen in Wirtschaft und öffentlichem Dienst sowie an „Preissteigerungen“ gebunden. Die Folge. Ein offiziell Halbtags-Abgeordneter der Bremischen Bürgerschaft erhält seit 1. Juli 2024 eine monatliche Diät von 6.176,55 Euro (plus 1.010,78 Euro für die Altersvorsorge). Im Jahr zuvor betrug die Diät noch 5.698,45 Euro. Und am 1. Juli 2025 wird die „Aufwandsentschädigung“ erneut (weil laut Gesetz jährlich) „angepasst“.

Da können sich Abgeordnete in diesen Tagen eigentlich nur eines wünschen: Verdi, bitte, bitte habt viel Erfolg.

Munter bleiben!

Herzlichst

Ihr Axel Schuller

Anhang: Hier die „Geltungsbereiche“ der Gewerkschaft Verdi:

Fachbereich Finanzdienste, Kommunikation und Technologie, Kultur, Ver- und Entsorgung. 

Fachbereich Öffentliche und private Dienstleistungen, Sozialversicherung und Verkehr. 

Fachbereich Gesundheit, Soziale Dienste, Bildung und Wissenschaft. 

Fachbereich Handel.

Fachbereich Postdienste, Speditionen und Logistik