Sonntags-Frage: Wie will Verdi eine Kuh melken, die keine Milch mehr gibt?
Unserem Land geht es so schlecht, dass für die Sanierung von Straßen, Brücken, Gleisen und staatlichen Gebäuden das Grundgesetz geändert werden muss. Nur so lassen sich die „Sondervermögen“, also Schuldenberge bilden. Doch Verdi meint, der Öffentliche Dienst könne nur weiterarbeiten, wenn die Bediensteten 8 Prozent mehr Lohn und drei zusätzliche (also 33) Urlaubstage erhalten. Dafür wird seit Wochen „gewarnstreikt“. Politiker, die sich sonst ungefragt in die Festsetzung des Mindestlohnes einmischen, halten still. Aus guten, persönlichen Gründen.
Ich habe nichts gegen Gewerkschaften. Solange ihnen noch Begriffe wie „Sozialpartnerschaft“ und Fairness geläufig und wichtig sind.
Verdi hat sich zu einer – fast könnte man sagen – „Monstergewerkschaft“ entwickelt, die in unglaublich vielen Branchen mitmischt: Im kompletten öffentlichen Dienst, in Krankenhäusern, auf Flughäfen, im ÖPNV, bei der Müllabfuhr – bis hin zum Journalismus. Hammer. Verdis „Arme“ reichen in alle wesentlichen Branchen – bis auf Metall, Chemie und Bau. Im Anhang liste ich Ihnen die fünf Fachbereiche auf.
Angesichts der übertriebenen Verdi-Forderungen frage ich mich manchmal: Leben die noch in der realen Welt oder schon auf dem Mond?
Ständig wird von Medien seltsam teilnahmslos berichtet, dass die öffentlich Bediensteten angeblich zu den meist Geknechteten dieser Gesellschaft gehören. Als gäbe es keine Menschen, die bei Wind und Wetter draußen, oder körperlich anstrengend oder nach dem Takt eines Fließbandes arbeiten. Und: Die – anders als im Öffentlichen Dienst – bei Auftragsflaute mit ihrer Kündigung rechnen müssen.
Zur Erinnerung: Der Öffentliche Dienst hat erst 2023 eine satte Lohnerhöhungen von insgesamt 11,5 Prozent erhalten – so hat es Verdi selbst seinen Mitgliedern vorgerechnet. Und jetzt schon wieder mehr Geld und 10 Prozent mehr Urlaub? Als normal Denkender kann man nur noch staunen.
Deutschland befindet sich seit drei Jahren im wirtschaftlichen Abschwung. Die meisten Städte und Länder können keine ausgeglichenen Haushalte mehr aufstellen.
Stahlarbeiter, Beschäftigte im Auto- und Maschinenbau, in der Chemie, auf dem Bau haben Sorgen, wie es weitergeht – aber der Öffentliche Dienst fühlt sich laut Verdi völlig überlastet und unterbezahlt.
Liebe „Verdisten“, ich gestehe: Die auf den ersten Blick abstruse Idee von Elon Musk, als US-Regierungsbeauftragter für Entbürokratisierung die Staatsbediensteten per Mail aufzufordern, einen Report über ihre individuellen Arbeitsergebnisse der vergangenen fünf Tage abzuliefern, verwunderte mich zunächst. Aber dann dachte ich: Ein derart unkonventioneller Ansatz sollte auch mal bei uns erprobt werden. Womöglich käme dabei heraus, dass die Öffentlich Bediensteten gar nicht so sehr durch ihre Tätigkeit belastet sind, sondern dass die behördlichen Arbeitsabläufe zu schlecht organisiert sind.
Zurück zu den Streiks. Die Arbeitgeber – also die Vertreter von uns Steuerzahlern – bieten bislang keine Gehaltserhöhungen. Weil: Die öffentlichen Kassen keine zusätzlichen Lasten verkraften. Die rückläufige Wirtschaft führt sogar zu sinkenden Steuereinnahmen. Wenn jetzt schon gestreikt wird – wie soll das erst noch während der nächsten Verhandlungsrunde (14. bis 16. März) werden? Wird dann das ganze Land lahmgelegt?
Ein Blick zur Post könnte hilfreich sein. Dort hat dieselbe Gewerkschaft Verdi angesichts sinkender Umsätze moderaten Lohnsteigerungen von 2 Prozent in 2025 und 3 in 2026 plus einem zusätzlichen Urlaubstag zugestimmt. Da immer weniger Briefe geschrieben werden, die Post also geringere Einnahmen hat, wird die Post AG im Gegenzug 5 Prozent der Stellen abbauen.
Die Briefzusteller sind mittlerweile eine Aktiengesellschaft und keine Behörde mehr. An diesem Beispiel lässt sich der Unterschied zwischen Staat und Wirtschaft studieren.
In Bremen – mit 23 Milliarden Euro höchst verschuldet – ruft Verdi nach meiner Beobachtung besonders gerne zu Streiks auf. Hier verfügt der öffentliche Dienst offenbar über eine innere Verfassung, die Beschäftigte leichter zum Gang vor das Dienstgebäude motiviert als andernorts.
Wer mal (wie ich) eine Verdi-Demo als Betrachter besucht hat, erlebt entspannte Arbeitnehmer. Von Ängsten vor Repressionen oder gar einer Kündigung ist dort nichts zu spüren. Da kommt eher eine Atmosphäre von Freizeit rüber, in der man zusammen Kaffee trinkt, sich in die Streiklisten einträgt und nett mit Kollegen plaudert. Die lautstarke Trillerpfeifen-Fraktion ist in der Regel weniger groß als die Berichterstattung vermuten lässt.
Zu Beginn des Beitrages habe ich die schweigsamen Politiker erwähnt. Klar, die Tarifautonomie zwischen Arbeitgebern- und -nehmern ist grundgesetzlich verbrieft. Sie verbietet eine direkte politische Einflussnahme. Das finde ich auch okay – solange beide Seiten mit vertretbaren Mitteln „kämpfen“.
Gleichzeitig wollen Politiker aber den Mindestlohn bestimmen, wenn es ihnen politisch passt.
Es ist an der Zeit, dass beispielsweise der Bundespräsident mal auf die ernste Situation unseres Landes hinweist. Auf die wirtschaftliche Grundlage jeder Lohnforderung: Man muss das Geld, das zusätzlich verteilt werden soll, zuvor erst einmal einnehmen. Wer eine Kuh übermäßig melkt, läuft Gefahr, dass das arme Tier irgendwann – völlig ausgezehrt – keine Milch mehr gibt. Zumindest für Bremen gilt: Die Kuh hat fertig.
Zum Schluss zu meinem anfangs geäußerten Verdacht: Politiker, insbesondere Parlamentarier, halten sich zum Thema Gehaltssteigerungen im öffentlichen Dienst (und zeitlich versetzt auch für alle staatlichen Pensionäre) auffallend zurück, weil sie am Ende selbst profitieren.
Nehmen wir das Beispiel Bremen: Hier entscheidet die Bremische Bürgerschaft schon lange nicht mehr selbst über ihre Diätenerhöhungen. Die Bezahlung der Abgeordneten ist an Parameter wie Lohnsteigerungen in Wirtschaft und öffentlichem Dienst sowie an „Preissteigerungen“ gebunden. Die Folge. Ein offiziell Halbtags-Abgeordneter der Bremischen Bürgerschaft erhält seit 1. Juli 2024 eine monatliche Diät von 6.176,55 Euro (plus 1.010,78 Euro für die Altersvorsorge). Im Jahr zuvor betrug die Diät noch 5.698,45 Euro. Und am 1. Juli 2025 wird die „Aufwandsentschädigung“ erneut (weil laut Gesetz jährlich) „angepasst“.
Da können sich Abgeordnete in diesen Tagen eigentlich nur eines wünschen: Verdi, bitte, bitte habt viel Erfolg.
Munter bleiben!
Herzlichst
Ihr Axel Schuller
Anhang: Hier die „Geltungsbereiche“ der Gewerkschaft Verdi:
Fachbereich Finanzdienste, Kommunikation und Technologie, Kultur, Ver- und Entsorgung.
Fachbereich Öffentliche und private Dienstleistungen, Sozialversicherung und Verkehr.
Fachbereich Gesundheit, Soziale Dienste, Bildung und Wissenschaft.
Fachbereich Handel.
Fachbereich Postdienste, Speditionen und Logistik
Das war in England auch einmal so. Da haben die Gewerkschaften ständig das Land lahm gelegt. Und dann kam Frau Thatcher und hat dem Ganzen ein Ende gemacht indem sie die Macht gebrochen hat. In Deutschland wird so viel gegen alles und jedes demonstriert, dass man schon nicht mehr in Innenstädte gehen mag. Auch hier muss sich grundsätzlich etwas ändern. Zudem die Streiks, vor allem von Verdi, ja nur weitetr Preissteigerungen und weitere Streiks hervorrufen. Wie lange geht das gut? Wie lange kann die Spirale anhalten? Und dann?
Eine Bemerkung zum wirtschaftlichen Abschwung: Deutschland ist ein Autoland. Diese Industrie, verbunden mit allen Zulieferbetrieben hat uns in der Vergangenheit Wohlstand und einen guten Namen als Weltklasseingenieure beschert. Vielleicht hätten wir uns in diesem Ministerium nicht jemanden leisten sollen, der das Produkt hasst, gleichzeitig aber auch keine Alternative bieten kann. Oder um es mal in Fußballterminologie zu kleiden: Wenn der Trainer eine solche Abneigung gegen den Starspieler hat, dass er ihn nur auf der Reservebank sitzen läßt, aber andererseits auch keine andere Spielstrategie hat, braucht man sich nicht zu wundern, warum der Verein nicht mehr gewinnt und in die 3. Liga absteigt. Dann sind die Pokale eben woanders. Und da man vor allem in Bremen bekanntermaßen die Autos / Autoindustrie so sehr „liebt“, wird sicherlich jeder froh sein, wenn Mercedes, und die 11.500 Arbeitsplätze endlich weg sind.
Was ich beim Schreiben des Blogs nicht erwähnt habe: Die Nähe der Politik zu Verdi kann man auch daran erkennen, dass insbesondere viele Sozialdemokraten in Senat und Parlamenten dieser Gewerkschaft angehören. Simple Erklärung: Viele kommen selbst aus dem öffentlichen Dienst. Einige Sozis meinen auch, es gehöre zum guten Ton, Mitglied von früher ÖTV heute Verdi zu sein. Beispiel: Bürgermeister Dr. Andreas Bovenschulte (SPD) spricht Betriebs- und Personalräte gerne mit „liebe Kolleginnen und Kollegen an.
Jetzt schlägt Verdi dem Fass den Boden aus: Gerade meldet der NDR, Verdi habe den Hamburger Flughafen außerplanmäßig bereits heute lahmgelegt. Laut NDR freue sich Verdi darüber, den Airlines massiv Schaden zuzufügen. Immerhin sind 40.000 Fluggäste betroffen. Bis eben dachte ich, eine Gewerkschaft wolle ihren Verhandlungspartner und nicht Dritte schädigen. Wenn die NDR-Meldung korrekt ist, wäre das Verdi-Verhalten end-dreist. Wann wehrt sich die Bevölkerung endlich gegen diese übermächtige Gewerkschaft, die unter „Kartell“-Gesichtspunkten (gedanklich auf Wirtschaftsunternehmen übertragen) nie hätte gegründet werden dürfen.
Lieber Herr Schuller,
danke für den Hinweis! VERDI arbeitet mit einem ganz einfachen Trick. Also: Es gibt einen Öffentlichen Dienst, den kein Mensch mehr durchschaut. In Bremen nicht, im Bund nicht. Er besteht aus zwei Teilen: einem sichtbaren Teil wie Polizei, Feuerwehr, Schulen, Kindertagesstätten, Müllabfuhr und auch einige Ämter wie das Stadtamt, zu denen der Bürger Zutritt hat und die sich um ihn kümmern. Vielleicht ist das die eine Hälfte des öffentlichen Dienstes, womöglich sogar weniger. Dort arbeiten im Öffentlichen Dienst Menschen zum Teil weit über ihre Kräfte hinaus! Viele von ihnen opfern sich geradezu. Und die werden uns vorgeführt. Mit denen sollen wir Mitleid haben. Die Gehaltserhöhungen dann kommen allerdings gleichermaßen alle zugute – den faulen wie den fleißigen Angestellten und Beamten.
Das Gros des öffentlichen Dienstes hingegen lässt, unbehelligt vom Bürger, den lieben Gott einen guten Mann sein. Die Faulheit dort ist für den normalen Bürger unvorstellbar. Er will es allerdings auch gar nicht wissen. Er fragt nicht nach. (Das wichtigste Buch zur Klärung politischer Fragen in Deutschland ist immer noch das Buch von Heinrich Mann Der Untertan“, erschienen 1918. Ob links, ob rechts, ob Mitte – die meisten Deutschen sind Untertanen. Sie gehen am liebsten mit der Menge und der Mehrheit. Die Ursache: es gab bei uns kein 1789).
Dieser Teil des Öffentlichen Dienstes versteckt sich in ausgelagerten Ämtern, in den senatorischen Behörden und in Ämtern, die der Bürger immer weniger betreten darf. Das hat es bis vor zehn Jahren nicht gegeben, dass da ein Sicherheitsdienst dem Bürger den Zutritt verwehrt. Ein schönes Beispiel dafür sind das Finanzamt und das Tivolihochhaus. Aber selbst in Schulen darf der Bürger bald nicht mehr einfach hineingehen, sondern muss eine Kontrolle passieren oder sich anmelden, wie das in den Brennpunkten der USA und in sogenannten Entwicklungsländern grundsätzlich der Fall ist.
Dazu passt natürlich die Abschaffung des sogenannten Roten Behörden-Telefonbuches in gedruckter Form. Da standen, bis auf die ausgelagerten Behörden, alle wichtigen Dienstleister drin mit Telefonnummer und E-Mail-Adresse. Das rote Behörden-Telefonbuch wurde in jeder neuen Legislaturperiode neu aufgelegt. Der Bürger konnte das erwerben. Der erste Senat Bovenschulte schaffte das ab. Ich war einer der wenigen, die dagegen protestierten. Immerhin haben wir immer noch die Möglichkeit, durch das Googeln eines Amtes eine Liste der dortigen Mitarbeiter einzusehen samt Telefonnummer und teilweise auch unter Angabe der E-Mail-Adresse. Wer das nicht weiß, ist blind.
Der wirklich große Hammer ist, dass die Bürger nicht den bremischen Haushalt als Excel-Datei bekommen. Darin ist ja auch der Personalstand aufgelistet. Ich versuche das seit 15 Jahren. Vergeblich. Ich schätze, es sind ohnehin nur eine Handvoll Abgeordnete in der Bremischen Bürgerschaft, die einen Einblick in den Haushalt haben. Ob der Finanzsenator Björn Fecker den Haushalt durchblickt? Ich habe da so meine Zweifel.
Denken heißt vergleichen:
Ich erinnere in diesem Zusammenhang an Georg Büchner. Bei Wikipedia heißt es über ihn unter anderem:
„Schon zu Beginn des Jahres 1834 war Büchner bei Friedrich Ludwig Weidig eingeführt worden, einem der führenden Oppositionellen aus Hessen-Darmstadt. Es kam jedoch immer wieder zu Differenzen. Weidig stand für einen gemäßigteren Kurs und taktische Bündnisse, weil er nur so eine Chance für die Umsetzung der revolutionären Ideen sah. Büchner dagegen hielt die materielle Ungleichheit und die Armut der Landbevölkerung für das Grundproblem und wandte sich deshalb gegen eine Koalition mit den Wohlhabenden.
Im Juli 1834 wurde illegal in der Druckerei von Carl Preller in Offenbach/Main[9] der Hessische Landbote gedruckt, den Büchner in seiner Zeit in der Gießener Badenburg verfasst hatte und der von Weidig gegen den Willen Büchners umfassend überarbeitet worden war. Es handelt sich um eine Flugschrift, die unter der Parole „Friede den Hütten! Krieg den Palästen!“ die hessische Landbevölkerung zur Revolution gegen die Unterdrückung aufrief. Weidig hatte die Stellen gestrichen, die in offenem Konflikt mit den potentiellen Bündnispartnern standen. Büchner fand daher, Weidig habe der Schrift ihre Grundintention genommen. Trotz der Abschwächungen Weidigs wurde die Schrift von vielen liberalen Oppositionellen scharf kritisiert. Bei der Landbevölkerung wurde sie dagegen positiv aufgenommen, weshalb im September 1834 sogar eine zweite Auflage herausgegeben wurde, deren Text der mitverschworene Marburger Mediziner Leopold Eichelberg allerdings noch stärker abschwächte.“
Und jetzt kommt die historische Parallele:
„Die Schrift zeichnet sich durch die Verwendung von Statistiken aus, die der Landbevölkerung vor Augen führten, dass sie mit ihrer Steuerlast die überzogenen Aufwendungen des Hofes finanzierte. Im August wurde Karl Minnigerode, einer der Verschwörer, mit 150 Exemplaren des Landboten gefasst und verhaftet. Am 4. August ließ der Universitätsrichter Konrad Georgi das Zimmer Büchners in dessen Abwesenheit durchsuchen.“
Soweit Georg Büchner.
Man muss allerdings einräumen, dass die Nachfrage nach einem Haushalt in EXCEL und einem Behördentelefonbuch gleich null ist! Unser Deutschland ist immer noch keine richtige Demokratie – kaum Bewegung von unten nach oben und gegen oben. (Und das ist es doch, was „links“ eigentlich bedeutet!
Das Schönste für politisch aktive Bürger ist, so mein Eindruck, an einer Demonstration/DEMO teilzunehmen, an der auch möglichst viele MdBB und Senatoren teilnehmen. Man will ja „in“ sein.
„Und lasst ja nicht den Respekt beiseite vor dem Herren Bürgermeister!“ (Heinrich Heine)..
Ich wünsche Ihnen einen sonnigen Sonntag
Schöne Grüße
Martin Korol
Keine Hinweise auf die Unterschiede TVL und TVÖD? Ist ja fast wie im Weser-Kurier….. 😉
Bleibt noch die unbeantwortete Frage, warum kein Run auf den Öffentlichen Dienst bei diesen paradiesischen Bedingungen herrscht?
Und da hier ein Kommentar zur Automobil-Branche erfolgte, der kurze Hinweis, dass wohl nur die Leitung der Zulassungsstelle am Monatsende mehr überwiesen bekommt als jeder ungelernte Arbeiter am Band des hiesigen Automobilherstellers.