Blattkritik IV: Ungeschichten als WK-Seitenaufmacher / Aber, Neues von Zech fehlt

19.03.2025 8 Von Axel Schuller

Echt jetzt, dieses Blatt – der Weser-Kurier von heute (19. März) – macht mich fertig. Egal ob Titelseiten-Aufmacher „Mehr Funde bei Lebensmittelkontrollen“, die Berichte und Kommentierung über die Grundgesetzänderung, der Bremer Aufmacher „Betrug beim Kindergeld“ bis zum Aufmacher auf der Wirtschaftsseite „Ab Donnerstag Warnstreikpause“ – die dort heute feilgebotene journalistische Arbeit treibt mir Tränen der Enttäuschung in die Augen. Auch seltsam: welche wichtige Neuigkeit im Blatt fehlt.

Kolleginnen und Kolleginnen, allmählich wächst in mir so etwas wie journalistische Verzweifelung, heran. Wie ist es möglich, die Titelseite mit einem rund 100-zeiligen Artikel über „Ekel-Funde“ bei Lebensmittelkontrollen voll zu nageln, ohne auch nur ein – bitte nur ein einziges! – konkretes Beispiel zu nennen?

Es wird zwar auf eine „Internetseite“ hingewiesen, ohne die genaue Adresse und die notwendige Navigation zu nennen. Ist das Nachsicht mit Schmutzfinken in einigen Küchen oder einfach Feigheit vor dem Bannstrahl möglicher Anzeigenkunden? Leserfreundlich ist es jedenfalls nicht.

Liebe Leser, googeln Sie einfach „Lebensmittelüberwachung Bremen“, klicken Sie dort auf „Veröffentlichung gem. §40…“ dann „landen“ Sie auf der aktuellen Liste mit 30 Imbissen, Bäckereien und Klein-Lokalen, die den Lebensmittel-Überwachern negativ aufgefallen sind. Wenn man Tätigkeit und Ergebnisse der Kontrolleure für überzogen oder kleinlich hält – kann ja sein. Aber: Einen Aufmacher auf der 1 zu veröffentlichen, ohne Ross und Reiter zu nennen…Ich finde, dann lieber weglassen. Auf jeden Fall: Nicht auf die Titelseite.

Der nächste Seitenaufmacher-Hammer steht im Lokalteil: „Betrug beim Kindergeld“. Thema: Kriminelle erfinden Kinder, fälschen Unterlagen, um so in den Genuss von Kindergeld zu kommen (wie in Duisburg). Entscheidender Satz nach 50 Zeilen Text: „In Bremen scheint das Thema keine größere Rolle zu spielen.“

Puh, Glück gehabt! Aber: Warum wird dann damit die wichtigste, eben die erste Lokalseite, gefüllt? Warum???

Auf der Wirtschaftsseite geht’s dann endlich um die vermaledeiten Verdi-Lohnforderungen, „Ab Donnerstag Warnstreikpause“. Den Text hat eine erfahrene dpa-Korrespondentin verfasst – leider bar jeder Bremer Ahnung. Immerhin hat sie der Pressemitteilung entnommen, dass der frühere Bremer Finanzstaatsrat Dr. Henning Lühr (SPD) neben dem hessischen Ex-Ministerpräsidenten Roland Koch (CDU) zum Schlichter berufen wurde. Weitere Recherche: keine.

Immerhin hat Henning Lühr bereits den Streit zwischen Verdi und öffentlicher Hand im Frühjahr 2023 geschlichtet. Dabei hat der Bremer die Arbeitnehmer nicht schlecht wegkommen lassen. Der Abschluss 2023 lautete: 3.000 Euro Einmalzahlung, 0 Prozent in 2023 und 2024 plus 200 Euro sowie plus 5,5 Prozent. Unter dem Strich, laut Verdi, rund 11 Prozent Steigerung. Ist diese Rückschau einer Bremer Zeitung wirklich keine Zeile wert?

Ach ja, die Quelle Deutsche Presse-Agentur dpa: Dass gleich drei bekannte Grüne Bundestags-Vizepräsidenten werden möchten (wie die Zeitung meldet) – könnte das vielleicht auch mit dem gebotenen Basissalär von monatlich rund 15.000 Euro zu tun haben? Wenn’s um Geld geht, muss der gemeine Leser selbst recherchieren

Letztes Thema aus dem WK: Die umfangreiche Berichterstattung und Kommentierung über die gestrige Mega-Kreditermächtung plätschert überwiegend dahin. Der Berliner Korrespondent könnte vermutlich auch im Bundespresseamt eine Anstellung finden. Mainstream in Reinkultur: Es geht nicht um Militärausgaben und Aufrüstung, sondern ausschließlich um die „Verteidigungsfähigkeit des Landes“ und dank Investitionsfonds um die „handlungs- und gestaltungsfähige“ künftige Bundesregierung. Von „Ausgaben auf den Prüfstand“ oder gar „notwendige Einsparungen des Staates“ ist nix zu lesen.

Ich habe mir die wirklich interessante und spannende Bundestagsdebatte teilweise angeschaut. Brutal ernüchternd war: Friedrich Merz, aktuell Deutschlands Politiker mit der größten Wandlungsfähigkeit seiner Meinung, sprach in der Debatte die Notwendigkeit an, den Sozialstaat zu überarbeiten.

Folgende Szene: Merz zitiert einen Bericht aus NRW. Dort habe das Land 2023 allen Kommunen 15 Milliarden Euro als deren Anteil an den Steuereinnahmen überwiesen. Allein 13 Milliarden davon hätten die Städte und Gemeinden für Sozialleistungen ausgegeben – auch auf Grundlage von Bundesgesetzen. Merz: „Das geht so nicht weiter.“

Kamera-Schwenk in den Plenarsaal: Eisiges Schweigen bei Merz‘ angeblichen Partnern in spe.

Bereits die Debatte über die Grundgesetz-Änderung lässt erahnen: Das wird bestimmt eine richtig gut harmonierende schwarz-rote Koalition…

Den WK-Berichterstattern war diese Schlüsselszene indes kein Wort wert.

Und welche nicht unerhebliche Neuigkeit fehlt heute im WK, worauf ich zu Beginn, in meinem „Vorspann“, hingewiesen hatte?

Der Konzern des Bremers Kurt Zech (Zech-Group) hat laut „Immobilienzeitung“ dem Kartellamt angezeigt, er beabsichtige die mehrheitliche Übernahme des ebenfalls in Bremen ansässigen und bundesweit tätigen Bauträgers Interhomes AG.

Zur Erinnerung: Karl H. Grabbe und seine damalige Frau hatten die Firma 1968 gegründet und mit dem Bau von unzähligen Reihenhäusern zu erschwinglichen Preisen (wie in Habenhausen) groß und ertragreich gemacht. Das Unternehmen ist in der jüngeren Vergangenheit so sehr unter Druck geraten, dass der jetzige Vorstandschef Frank Vierkötter einen starken Investor suchen musste. Zech ist zweifelsohne ein solcher.

Liebe Leserschaft, noch ein Wort zum Weser-Kurier: Ja, ich war dort bis vor 26 Jahren beschäftigt. Aber, ich habe wirklich keine „offenen Rechnungen“ mit dem alten Arbeitgeber zu begleichen – wie gern von interessierter Seite gestreut wird. Mit wem auch? Die seinerzeit maßgeblichen Mitarbeiter sind dort allesamt nicht mehr tätig, sondern längst in Rente. Oder gestorben, wie der damalige Verleger Herbert C. Ordemann und der damalige Chefredakteur Volker Weise.

Munter bleiben!

Herzlichst

Ihr Axel Schuller

P.S.: Ich empfehle – immer wieder gerne – die Lektüre der Kommentare. Dieses Mal zum vorigen Blog über Zinsen und Vorstandsbezüge bei der Sparkasse Bremen.