Vom Bauunternehmer Imamoglu, der Kammerphilharmonie und seltsamen Journalisten

25.03.2025 4 Von Axel Schuller

Halten Journalisten uns Leser für so empfindsame Gemüter, dass sie uns wichtige Fakten vorenthalten? Oder pflegen die bloß ihr eigenes Weltbild? Beispiel: Türken-Präsident Erdogan lässt seinen größten Konkurrenten Imamoglu „einlochen“. Wegen „Korruptionsverdacht“. Das Mainstream-Bild ist klar: Der ohnehin unbeliebte Ober-Türke räumt halt einen Konkurrenten aus dem Weg. Fertig aus. Seltener berichtet: Imamoglu war vor der Politik in einer – zumindest in der Türkei – durchaus „gefährdeten“ Branche, der Baubranche tätig.

Solche Fakten würde ich gerne erfahren, wenn eine Zeitung unter der Zwischenüberschrift „Wer ist Imamoglu?“ mitteilt, gegen den Bürgermeister von Istanbul werde wegen „Korruption und Terrorismus“ ermittelt. Hab ich jetzt x-mal gehört.

Den beruflichen Hintergrund und Anklagepunkte muss man (beispielsweise) bei „The Pioneer“ von Gabor Steingart nachlesen: „Nach seinem Studium betrieb Imamoglu zunächst ein Restaurant und stieg in das Bauunternehmen seiner Familie ein.“ Die Anklagepunkte lauten: „Erpressung, Bestechung, schwerer Betrug, unrechtmäßige Beschaffung personenbezogener Daten und Abschreibungsmanipulation“. Dazu kommt „Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung“.

Während der letzte Punkt nach einem vorgeschobenen „Argument“ eines Staates klingt, der jemanden loswerden will, können wir außenstehende Bürger, aber auch unsere Politik-Sprachrohre im Bundestag doch nicht wissen, ob und wenn ja, was dran ist.

Wie gesagt, speziell die türkische Baubranche genießt nicht immer einen Top-Ruf. Beispiel: die regelrecht „fallenden Bauten“ im Erdbebengebiet.

Freunde, die sich in der Türkei dank Herkunft auskennen, berichten auch heute noch von der Notwendigkeit, die Handinnenfläche vom „Bruder“ Verwaltungsmitarbeiter sinnvollerweise mit einem Geldschein auszukleiden.

Könnte es also sein, dass die genannten Anklagepunkte außer „kriminelle Vereinigung“ nicht zwingend erfunden sein müssen?

Wir wissen es nicht.

Unterm Strich: Liebe heimische Journalisten unserer schönen Stadt Bremen: Ich würde solche Infos gerne auch heimatlichen Medien entnehmen.

Gleiches gilt für die Vorfeld-Berichterstattung zur Wahl von Julia Klöckner (CDU) zur Bundestagspräsidentin. Weshalb muss man im Netz stöbern oder WELT lesen, um von einem – aus meiner Sicht – unglaublichen Vorfall erfahren. Frau Klöckner wollte sich – wie es sich so gehört – vor der Wahl allen Fraktionen des Bundestages als Kandidatin vorstellen. Das gehört zu den parlamentarischen Usancen.

Als die Grünen dagegen opponierten, dass Klöckner sich auch bei der AfD vorstellen wollte, zuckte die Christdemokratin. Kurz darauf teilte sie mit, sie könne die größte Oppositionsfraktion aus „Termingründen“ doch nicht besuchen.

Hätte ich gerne auch heimischen Medien entnommen.

Ist das zu anspruchsvoll? Finde ich nicht.

Liebe Leserschaft, schreiben Sie mir gerne Ihre Meinung als Kommentar. Gerne auch zum Thema Imamoglu und meinen beiden folgenden Hinweisen.

Schreibende Kollegen (ja, jetzt des Weser-Kurier), hat Sie eigentlich der Affe gebissen, dass Sie am Montag auf der Titelseite ein Bild „Abstimmung in Paris über autofreie Straße“ (ohne Ergebnis vom Sonntag) veröffentlicht haben? Noch unsinniger: Und im Gegenzug die durchaus erfolgreichen Werder-Fußball-Frauen auf Seite 22 abgeschoben haben?

Erstens: In Paris haben vier Prozent der 1,4 Millionen Wahlberechtigten abgestimmt. Das waren 56.000 People und nur davon eine Mehrheit. Der WK hat zwar das Abstimmungsergebnis passend kommentiert. Aber am Dienstag – the day after. Für das Pariser-Unfungs-Bild mussten die Werder-Frauen auf die vierte Sportseite, eben auf die 22. von 24 Seiten. Das nenn ich doch mal Förderung des Frauenfußballs.

Noch unverständlich her: Der „Leiter Zentraldesk und Politik“ beim WK ist Thorsten Waterkamp – in früheren Zeiten Sportredakteur beim Heimatblatt.

Der törichte Umgang mit den Werder-Frauen erinnert ans WK-Feuilleton: Bremens einziges Elite-Orchester „Die Deutsche Kammerphilharmonie Bremen“ – so der offizielle Titel – verfügt über einen nicht unwichtigen Freundeskreis.

Aus diesem wurde mir voller Empörung berichtet: Das weltweit gefeierte Orchester spielte am 24. Januar so phantastisch in der Glocke, dass es die Zuhörerschaft am Ende zu standing ovations hinriss. Und dass in Bremen… Dem WK-Kritiker gefiel es indes offenbar so schlecht, dass der WK – so Infos aus dem Orchester-Freundeskreis – über die nächsten Konzerte am 27. Februar und am 15. März schweigend hinweggegangen ist. Aber, wer weiß, vielleicht war ja auch die gesamte Feuilleton-Redaktion an beiden Terminen der Grippe anheimgefallen.

Ich weiß, dass ich mich wiederhole, aber: Journalisten machen Sie die Zeitung für die Leser – nicht für sich selbst.

Und ein Appell: Journalisten serviert uns Lesern bitte mehr Infos – gerne umfassend – selbst auf die Gefahr hin, dass diese Ihrem eigenen Journalisten-Weltbild nicht entsprechen.

Wenn sich das nicht bald ändert, werden Sie noch mehr zahlende Käufer verlieren. Ich schwör’s.

Munter bleiben!

Herzlichst

Ihr Axel Schuller