Bürgerschaftsabgeordnete wollen bei Rente wieder besser gestellt sein als Normal-Bürger

27.03.2025 6 Von Axel Schuller

Parlamente verstehen sich als „Volksvertretungen“. Wenn’s um die eigene Rente geht, ist nicht mehr viel von Volk. Das jüngste Beispiel liefert die Bremische Bürgerschaft. Die Mehrheit der Abgeordneten will im Alter über mehr Geld verfügen. Während ein normaler Arbeitnehmer nach 45 Arbeitsjahren maximal rund 48 Prozent als Rente bekommt, wollen die Bremer Abgeordneten nach 36 Jahren 60 Prozent der jeweils aktuellen Diät (heute 6.176,55 Euro) erhalten. Kann da noch von volksnaher Versorgung sprechen?

2011 hatten die Mitglieder des „Teilzeit“-Parlamentes Bremische Bürgerschaft kapiert, dass sie für eine Halbtags-Volksvertretung ziemlich zugelangt hatten. Auch auf massiven äußeren Druck wurde die beamtenähnliche Altersversorgung geändert.

Bis 2011 standen Abgeordneten mit jedem Jahr der Parlamentszugehörigkeit jeweils 3 Prozent der Diät als Rente zu. Bedeutete: Bereits nach 23,9 Jahren hatte man die maximale Rentenhöhe von 71,75 Prozent erdient.

Seinerzeit stellte das Parlament sowohl seine monatlichen Bezüge (Diäten) als auch die Altersversorgung um.

Aus Grunddiät (2.550 Euro), „Kostenpauschale“ (430 Euro für die Büroarbeit) und Sitzungsgeldern (nach meiner Erinnerung 30 Euro für jede Sitzungsteilnahme – also Zusammenkünften in Parlament, Fraktion, Ausschüsse etc) – teilweise steuerfreie Leistungen – entschied man sich für eine Zusammenfassung zu einem Betrag. Heute beträgt diese Diät 6.176,55 Euro. Nettes Beiwerk: Die Diäten passen sich automatisch und jährlich an die Inflationsrate unter Einbeziehung der Lohnsteigerungsraten auch des öffentlichen Dienstes an.

Für die Altersversorgung müssen die Mitglieder des „Hohen Hauses“ seit 2011 selbst sorgen. Dafür werden den Abgeordneten aktuell monatlich 1.010,78 Euro überwiesen, um diese in eine private Rentenversicherung einzuzahlen.

In der Niedrigzinsphase der vergangenen Jahre stellten die „Volksvertreter“ jedoch – wie jeder andere Bürger auch – betrübt fest, dass die für später in Aussicht stehenden Versorgungsbezüge ziemlich mickerig ausfallen würden. Nach vier Jahren monatlich angeblich nur 130 Euro.

Das will man nun drastisch ändern. Künftig sollen Abgeordneten pro Dienstjahr 2 Prozent einer Monatsdiät zustehen. Die 2-Prozent-Regel soll für 12 Dienstjahre gelten. Wer dem Parlament noch länger angehört, erwirbt jährlich einen Rentenanspruch von weiteren 1,5 Prozent – höchstens jedoch 60 Prozent der dann gültigen Diät. Ergo kann man als Langzeit-Halbtags-Abgeordneter nach 36 Jahren die Höchst-Pension erzielen. 60 Prozent von (aktuell) eben rund 6.200 Euro, mithin rund 3.720 Euro. Warum reichen eigentlich nicht 48 Prozent, wie bei einem normalen Bürger, der in die gesetzliche Rentenversicherung einzahlt?

Abgeordnete zahlen übrigens, anders als der gesetzlich Versicherte, keinerlei Eigenbeiträge in die Rentenkasse des Parlamentes ein.

Zum Vergleich: In der gesetzlichen Rentenversicherung muss man als normaler Volks-Angehöriger mindestens 40, besser 45 Jahre in die Gemeinschaftskasse einzahlen.

Laut Rentenversicherungsanstalt betrug 2023 die durchschnittliche Rente 1.348 Euro für Männer und 908 Euro für Frauen.

Die theoretisch denkbare Höchstrente für Otto Normal beträgt aktuell nach 45 Jahren 3.443 Euro. ABER: Dafür müsste man sein Arbeitsleben lang jährlich 96.600 Euro (Beitragsbemessungsgrenze) verdient haben – während der Ausbildung, in allen Berufsjahren, immer. Diese Fälle gibt es nur in der Theorie.

Die Unzufriedenheit der Bremer Abgeordneten mit der aktuellen Pensionsregelung gärt seit Jahren.

In der seit 2023 laufenden 21. Legislaturperiode hat der Geschäftsordnungs- und Verfassungsausschuss um die Präsidentin Antje Grotheer (SPD) das Thema beherzt angepackt. Ein Gutachter bescheinigte, dass die Altersverversorgung nicht verfassungskonform sei. Dieses „Urteil“ wurde dankend aufgenommen, von der Bürgerschafts-Verwaltung übers Wochenende (!!!) in Gesetzesform gegossen und bereits am gestrigen Mittwoch – ohne Debatte – in erster Lesung beschlossen.

Damit wandert es wieder in den zuständigen Parlamentsausschuss. Dort soll darüber beraten und Teile können geändert werden. Anschließend befasst sich das Parlament damit und beschließt es.

(Bis auf die FDP und eine Einzelabgeordnete bei Enthaltung von BD haben alle Parteien diesem Verfahren zugestimmt.)

Strittig ist noch, wann das Gesetz in Kraft treten soll. Zur nächsten Legislaturperiode – regulär im Mai 2027 – oder bereits direkt nach der „finalen Lesung“, also Beschlussfassung der Bürgerschaft. womöglich früher.

Liebe Leserschaft, meine Kollegen von Weser-Kurier und Radio Bremen haben im Vorfeld über den Gesamtvorgang „Novellierung der Altersversorgung für Bürgerschaftsabgeordnete“ berichtet. Mehr oder weniger.

Die Relation zwischen geplanter Abgeordneten-Pension und gesetzlicher Rentenversicherung hat dabei gefehlt.

Die Abgeordneten vergleichen ihre Altersbezüge – verständlicherweise – lieber mit denen des öffentlichen Dienstes, insbesondere mit jener der Beamtenschaft. Die bekommen bei Erreichen der Altersgrenze maximal 72 Prozent ihre Bezüge als Pension.

Übrigens: Deutsches Recht verbietet Abgeordneten bislang, in die vorhandene gesetzliche Rentenkasse einzuzahlen.

Wie wäre es denn, die Politiker auf eine Änderung dieser Rechtsgrundlage hinwirken würden? Noch ist Bremen eines von 16 Bundesländern und ist damit berechtigt, auf Bundesebene Gesetzentwürfe einzubringen.

Wäre doch mal ein guter Plan, den Otto Normal besser nachvollziehen könnte als eine Rückkehr zur deutlich üppigeren Versorgung.

Munter bleiben!

Herzlichst

Ihr Axel Schuller

P.S.: Der Status „Halbtags-Abgeordneter“ bedeutet, dass angestellte Parlamentarier die andere Hälfte im normalen Beruf weiter tätig sein dürfen – inklusive Gehalt, Rentenversicherung etc. Beamte ebenfalls – inkl. halben Gehalt und halbem Pensionsanspruch. Beamte mit Leitungsfunktion dürfen nicht arbeiten, erhalten aber ihr halbes Behördensalär mit Pensionsanspruch weiter.

P.P.S.: Schreiben Sie ihre Meinung gerne als Kommentar. Abgeordnete dürfen sich an diesem Meinungsaustausch selbstverständlich ebenfalls beteiligen.