CDU will an die Spitze – mit der jungen Wiebke Winter als Fraktionschefin
Wow! Die Bremer CDU will doch mehr als Opposition. Dafür soll die bisherige Stellvertreterin Dr. Wiebke Winter (29, Foto li.) die Führung der Fraktion von Frank Imhoff (56, re.) übernehmen. Als Vize werden aktuell der Landesvorsitzende Heiko Strohmann (57) und der amtierende stellvertretende Fraktionsvorsitzende Martin Michalik (42) gehandelt. Für den ehemaligen Landtagspräsidenten Imhoff wäre in dieser Konstellation kein Platz.
Für diese Personalpläne gibt es – natürlich – keine offizielle Bestätigung, sie gelten aber als abgemachte Sache.
„Die Bremer CDU ist als Opposition ein glatter Ausfall.“ Dieses harsche (teilweise ungerechte) Urteil hört man selbst in konservativen, insbesondere in Unternehmerkreisen häufig.
Die größten Probleme der Bremer Union: Das unklare Ziel ihrer Oppositionsarbeit – mal soft, dann hart. Wollen sie die SPD in der laufenden Legislaturperiode überzeugen, dass sie, dle Union, der bessere Koalitionspartner als Linke und Grüne wären? Oder legen sie es darauf an, Bürgermeister Dr. Andreas Bovenschulte bis zum nächsten Wahltermin „weichzukochen„? Die Öffentlichkeit kann nicht eindeutig erkennen, was die Schwarzen erreichen wollen.
Dazu kommt der CDU-interne Hang zur Selbstzerfleischung. Dieser erlebte unter dem damaligen Fraktionsboss Thomas Röwekamp (von 2007-2021) seinen Höhepunkt, ebbte aber auch nach dessen Wechsel in den Bundestag nur geringfügig ab. Speziell die Chefs von Landespartei und Fraktion – Heiko Strohmann und Frank Imhoff – scheinen sich zuweilen nicht einmal das berühmte Schwarze unter den Fingernägeln zu gönnen. Und: CDU-Fachpolitiker schicken teilweise mit der Spitze unabgestimmte Presseerklärungen in die Welt, was dem Ansehen der Union keineswegs immer zuträglich ist.
Wenn zur Mitte der Legislaturperiode im nahenden Juni die routinemäßigen (Wieder-)Wahlen zum Fraktionsvorstand anstehen, wird die Bremer CDU – so wird (noch) hinter vorgehaltener Hand getuschelt – kräftig durchgeschüttelt.
Dr. Wiebke Winter, 2023 im „Tandem“ mit Frank Imhoff „zweite“ Spitzenkandidatin, soll für die nächste Bürgerschaftswahl als Top-Frau aufgebaut werden. Unions-Strategen würden gerne auch – die ebenfalls junge – wirtschaftspolitische Sprecherin Theresa Groninger (32) als Fraktionsvize sehen. Doch die junge Frau betont häufig, dass sie sich in ihrem Job als „Head of Sales und Marketing“ der aufstrebenden Firma „Cellumation“ sehr wohl fühlt, zumal das Startup mittlerweile auf 80 Mitarbeiter angewachsen ist, kürzlich sogar die erste Dependance in den USA eröffnet hat. Gröninger – Studienfächer Musikpädagogik, Politik und „Komplexes Entscheiden“ (Master-Abschluss) – kann erwiesenermaßen Politik.
Wiebke Winter ist für die Führungsposition zwar noch ziemlich jung, bringt aber Intelligenz, Ehrgeiz, Durchsetzungsfähigkeit und erste bundespolitische Erfahrungen mit. Zum Jung-sein: Bremens CDU-„Gottvater“ Bernd Neumann (83) wurde seinerzeit auch mit gerade mal 31 Jahren Fraktionschef in der Bürgerschaft…
Die in Kiel geborene Winter machte in Bremen-Nord das beste Abitur ihrer Schule (das zweibeste ihres Jahrgangs in Bremen). Sie studierte Jura in Hamburg und promovierte.
Ihre bisherigen Karrierestufen: Landesvorsitzende der Jungen Union, Mitglied des CDU-Bundesvorstandes (seit 2021), in dieser Funktion jetzt auch an den Koalitionsverhandlungen in Berlin beteiligt. In Bremen trat sie 2023 zusammen mit Frank Imhoff als Gegenangebot zum SPD-Matador Dr. Andreas Bovenschulte an, wurde stellvertretende Fraktionsvorsitzende in der Bürgerschaft.
Will Winter 2027 Bovenschulte ernsthaft herausfordern? Youngster versus Routinier?
Wer Herrn „Bovi“ diese Woche bei Markus Lanz im ZDF erlebt hat, weiß: Auch der 59jährige Sozialdemokrat ist schlagbar. Lanz, Frauke Petry (geläuterte Ex-AfD-Chefin) und Migrations-Experten reduzierten den Bremer Bürgermeister fast schon dramatisch auf einen zuweilen uneinsichtigen Politiker. Und bei der jüngsten Bundestagswahl sackten die Sozis auf schlappe 23,1 Prozent ab.
Die Union setzt darauf, dass mit Winter – nach dem Erklimmen des Chefsessels – ein Ruck durch die Bremer CDU gehen wird.
Heiko Strohmann, aktuell Landesvorsitzender und Vorgänger von Frank Imhoff als Nummer 1 der Fraktion, hat seine eigenen Ambitionen auf den Topjob (monatlich rund 15.400 Euro plus Dienstwagen) angeblich begraben. Trotz des Verkaufs seines Deutschland-weit tätigen Schaustellergeschäftes (Brezelbäckerei) strebt er neben dem CDU-Landesvorsitz offenbar kein herausgehobenes Spitzenamt mehr an. Als Winters Stellvertreter soll er den „Erfahrungsschatz“ der Älteren einbringen. Martin Michalik als zweiter Vize ist für den „inneren Ausgleich“ zuständig – wobei der gelernte Lokführer seine unbedingte Fixierung auf die Umwelt-Politik relativieren muss, um den Wirtschaftsflügel der CDU nicht mit jeder zweiten Forderung in Wallung zu versetzen.
Mit dieser Dreier-Konstellation, so ist zu hören, hoffe man schließlich auch, die internen Grabenkämpfe zu beenden.
Für Thomas Röwekamp (58) hätte diese Führungs-Crew übrigens einen unschätzbaren Vorteil: Wiebke Winter stand bislang aufgrund ihres Postens im CDU-Bundesvorstand und der Mitgründung der bundesweiten „Klima-Union“ im Ruf, sie dränge mit Macht auf die bundespolitische Bühne – am besten mit einem Sitz im Bundestag. Durch den Topjob als Fraktionschefin entfiele sie erst einmal als Mitbewerberin um einen Platz im nächsten Bundestags 2029 (sofern es bei einem Scheitern von Schwarz-Rot nicht doch noch vorher Neuwahlen gibt).
Der Posten des Fraktionschefs eines Landtages bereitet in der Regel zwar viel Arbeit, führt aber auch dazu, dass man an den Sitzungen der Fraktionschefs der 16 Landtage teilnimmt, wird zu wichtigen bundespolitischen Terminen und Netzwerken eingeladen – kurzum: Das Standing des Fraktionschefs eines Landtages kann (späteren) Karriereschritten auf Bundesebene mehr nutzen als ein Bundestagsmandat aus dem Mini-Land Bremen.
Liebe Leserschaft, wir haben heute einen Blick hinter die Kulissen der Bremer CDU geworfen. Nach derzeitigem Stand werden die Posten im Juni wie beschrieben besetzt. Aber, bevor ich eine Wette darauf anbiete: In der Politik ist man vor Überraschungen nie gefeit.
Offen ist beispielsweise, ob Frank Imhoff um seinen Job kämpft und ob er gegebenenfalls bei der geheimen Abstimmung eine Mehrheit hinter sich versammeln könnte. Der Landwirt und FeWo-Vermieter (Ferien auf dem Bauernhof) soll dem Vernehmen nach noch nicht so richtig einsichtig für die Rückkehr in die Reihen der „ganz normalen Abgeordneten“ sein. Aktuell werden Winter bessere Chancen eingeräumt.
Munter bleiben!
Herzlichst
Ihr Axel Schuller
P.S.: Liebe Leserschaft, kommentieren Sie gerne die aktuelle CDU-Oppositionsarbeit. Und, noch ein Tipp: Interessant auch die Kommentare zum vorigen Beitrag über die Altersversorgung von Bürgerschaftsabgeordneten.
Es scheint Frühling zu werden und die Natur erwacht! Eigentlich die schönste Jahreszeit – nicht nur in der Musik (Vivaldi) – sondern tatsächlich auch auf einem Bauernhof. Die Uhr ist gerade schon vorgestellt, jetzt müssen wir nur noch auf das Knospen der ersten zarten Pflanzen warten! Es könnte ein Ruck durch die Natur gehen…, wenn man sie denn läßt! it is time to change.
Als ich 1990 aus Köln nach Bremen umgezogen war, machte ich unmittelbar Bekanntschaft mit ethnischen Vorurteilen einer Hamburger Raumpflegerin gegenüber Bremern. „Ich bin doch kein Bremer“ war ihre Antwort auf die Leistbarkeit eines bestimmten Arbeitspensums. Als damaligen Neubremer hat mich das einigermaßen getroffen: „Bremer“ als Synonym für eingeschränkte Leistungsfähigkeit, gar Faulheit. Das war starker (natürlich völlig abwegiger) Tobak! Ins Nachdenken über den Wahrheitsgehalt dieses Vorurteils gebracht haben mich meine häufigen beruflich bedingten Autofahrten nach Hamburg-Rahlstedt über mehr als 10 Jahre. Der Grund? Mir war aufgefallen, dass nicht nur die SPD, sondern auch die CDU, die Grünen und andere Parteien außerhalb von Wahlkämpfen in schöner Regelmäßigkeit die Bürger mit Plakaten zu Informations- und Diskussionsveranstaltungen einluden. Das machte mich deshalb so stutzig, weil ich das aus Bremen gar nicht gewohnt war. Und trotz meiner durch die Hamburger Erfahrung gesteigerte Aufmerksamkeit habe ich in den vergangenen Jahren kein vermehrtes Bemühen der Parteien in Bremen um die Wahrnehmung durch die Bremer Bürger erkennen können. Meine Schlussfolgerung: Bremer Parteien bleiben gerne unter sich. Und nun der Bogen zur CDU: Wenn die CDU weiter so im Verborgenen vor sich hin wurstelt und meint, die karge Berichterstattung in WK und BuBi würde sie hinreichend erkennbar machen, ist es völlig egal, ob dem Wursteln in der Bürgerschaft ein 54jähriger oder eine 29jährige vorsitzt. Es wäre schön, die Bremer CDU, aber auch die anderen Parteien, wären weniger „bremisch“ im Sinne dieses hässlichen Hamburger Vorurteils und würden sich mehr um die Kommunikation mit ihren Wählern auch außerhalb von Wahlkämpfen bemühen.
Vielen Dank für diesen informativen Artikel aus dem Maschinenraum der CDU-Fraktion. Aufgrund von Nachfragen aus meiner Wählerschaft erlaube ich mir die freundliche Anmerkung, dass nicht jeder Fraktionsvorsitzende in der Bremischen Bürgerschaft einen Dienstwagen in Anspruch nimmt. Ich verzichte gerne auf dieses Privileg, denn Bremen und Bremerhaven sind so kleinräumig, dass alle fraktionsbezogenen Wegstrecken entweder mit dem Privat-Pkw oder mit den öffentlichen Verkehrsmitteln zurückgelegt werden können.