In Bremen kein Thema: Bundesregierung „kapert“ Öltanker / Estland entzieht Russen Wahlrecht

01.04.2025 17 Von Axel Schuller

Allmählich krieg‘ ich die Krise. Da geschehen die unglaublichsten Dinge – und in Bremer Medien findest du nix dazu. Aber: Tägliche Meldungen über warnende Politiker und Experten: Dauert nicht mehr lange und, klar, „der Russe“ steht vor der Tür. Und was machen wir, die „Guten im Westen“? Mitglieder der Bundesregierung betätigen sich fast schon wie Schiffspiraten. Außerdem: In Estland (Mitglied der Nato und der EU) entzieht das Parlament den dort lebenden Russen ruckzuck das kommunale Wahlrecht. Soll das Frieden stiften, oder doch eher provozieren?

Liebe Leserinnen und Leser, sorry, es muss einfach sein: Der Blick geht überwiegend erneut über unser Bremchen hinaus.

Der NDR hat am Wochenende Unfassbares berichtet: Die Bundesrepublik Deutschland hat das Tankschiff „Eventin“ regelrecht gekapert. Erst wurde der Öltanker (löblich) wegen Motorschadens aus internationalen Ostsee-Gewässern nach Sassnitz geschleppt. Dann hat die Bundesregierung das in Panama registrierte Schiff kurzerhand beschlagnahmt. Mitsamt fast 100.000 Tonnen Schweröl im Wert von 40 Millionen Euro. Die Besatzung wurde gegen eine unseres Staates „ausgetauscht“. Die Aktion erinnert ein bisschen an somalische Piraten – wobei die Gangster die Schiffe mit Waffengewalt entern und Millionen erpressen.

Der Hintergrund: Der panamaische Tanker „Eventin“ hat russisches Schweröl für Ägypten an Bord, wird deshalb zur russischen „Schattenflotte“ gezählt.

Sascha Lohmann, laut NDR „Experte für Sanktionspolitik“ bei der Stiftung Wissenschaft und Politik, hält das Vorgehen der Bundesrepublik für äußerst riskant. Es sei sehr fraglich, ob der Tanker und das Öl einzig durch das Abschleppen in deutsche Hoheitsgewässer plötzlich als deutsches Staatseigentum deklariert werden dürfe. Laut internationalem Seerecht stelle der Tanker ein Stückchen Panama dar, weil er dort gelistet ist.

Die Russen sind laut dem in Deutschland verbotenen Nachrichtenportal RT offenbar außer sich. (Auch wenn sie 2024 laut einem ukrainischen Thinktank Öl im Wert von 193 Milliarden US-Dollar in die ganze Welt verkauft haben.) Die Beschlagnahme des 270 Meter langen Schiffes bedeutet für sie vermutlich eher eine Demütigung, weniger einen wirtschaftlichen Schaden.

Nun kann man sagen: Passiert halt, wenn man gegen das von der EU verhängte Russen-Öl-Embargo verstößt. Handels- und seerechtlich ist dies laut Lohmann indes sehr riskant. Es stelle, sagt der Experte, eine weitere Stufe der „Eskalation“ gegenüber Putin dar.

In Sassnitz keimt jetzt – nicht zu unrecht – die Angst, Russland könnte sich vor Ort spürbar gegen die Kaperung des Schiffes wehren. Vielleicht wäre es gar nicht so dumm, schon mal präventiv Öl-Barrieren ums Schiff zu legen.

Für mich unerklärlich: Bremer Medien berichten über die neuartige, riskante Handlungsweise der „Bundesregierung auf Abruf“ nichts. Null. Nada.

Dabei hat BuBi erst vorige Woche darauf hingewiesen, dass in Bremen ein „bundesweit einzigartiges internationales Gericht“ entsteht. Themen dort laut ButenunBinnen: Internationale Streitfälle in der „Luftfahrt-, Weltraum- und Wasserstofftechnologie, sowie bei Fracht-, Spedition- und Lagergeschäften und im maritimen Handel„. Der offizielle Name des neuen Gerichts wurde auch genannt: „Hanseatic Commercial Court for aerospace, logistics and maritime trades“. Schade, dass die Kollegen nicht die gedankliche Verbindung zur „Eventin“ hergestellt haben.

Fassungslos macht auch ein Blick nach Estland. Dessen Parlament hat jüngst ohne Not beschlossen: 80.000 russischen und 2.700 belarussischen Staatsbürgern, die in dem baltischen Staat arbeiten und leben, wird ab sofort das kommunale Wahlrecht entzogen.

Putin wird den Esten dafür vermutlich keine Blumensträuße binden. Eher überlegen, ob er dieses Land irgendwann nicht auch mal „besuchen“ sollte…

Ich frage mich, ob dieser Beschluss irgend etwas Sinnvolles bewirken kann – außer Provokation. Man darf nicht vergessen, dass rund ein Viertel der Bevölkerung (von insgesamt 1,2 Millionen) ursprünglich russischstämmig ist. So wie bei uns im Ruhrgebiet halt viele „Koslowskis“ etc. früher mal Polen waren.

Jetzt folgt ein IRRTUM, den ich aber stehen lasse, weil sich darauf zwei Leserkommentare beziehen:

Ursprungstext: Erneut wundersam: Der Entzug des Wahlrechtes für Russen und Belarussen widerspricht  EU-Recht. (Dies ist falsch, beziehungsweise differenzierter zu betrachten. Dazu hat ein Leser einen umfangreichen Kommentar angekündigt, den ich veröffentliche, sobald er vorliegt. Das Verhältnis Russen-Balten und umgekehrt ist historisch sehr vorbelastet).

Weiter mit dem ursprünglichen Text:

Der Parlamentsbeschluss von Tallinn passt übrigens zur Politik der neuen EU-Außenbeauftragten Kaja Kallas, zuvor Premierministerin von Estland. Sie kämpft bei jeder EU-Konferenz für zig-Milliarden-schwere Waffenlieferungen zugunsten der Ukraine.

Da überrascht es auch nicht, dass die EU den Schwarzmeer-Deal zwischen Putin und Trump (Getreidehandel über See) boykottiert, indem „Europa“ weiter das Swift-Bankensystem für russische Transaktionen sperrt.

Genug des Internationalen, das freilich bis nach Bremen wirkt. Der Weser-Kurier kommentiert heute beispielsweise locker-flockig: „Neue Vorratslager mit Verbandsmaterial und Lebensmittelkonserven? Zahlreiche Kriegsverletzte , die auch in zivilen Kliniken versorgt werden müssen? Es gibt dazu kaum Informationen…“

Liebe Leserinnen und Leser: Der nächste Blog wird – ich schwör’s – wieder voll-bremisch. Und: Völlig anders als Sie es bisher von mir gewohnt sind.

Munter bleiben!

Herzlichst

Ihr Axel Schuller

P.S.: Schauen Sie noch mal in den vorigen Beitrag „CDU will an die Spitze…“. BD-Fraktionshef Jan Timke hat recherchiert, warum er über keinen Dienstwagen verfügt. Steht unter den Kommentaren.