Leere Kasse – gehört Vogt (Linke) statt Arbeitssenatorin Schilling (SPD) ans Polit-Kreuz?

03.04.2025 3 Von Axel Schuller

Arbeitssenatorin Dr. Claudia Schilling (SPD) stehen unangenehme Tage bevor. CDU und FDP greifen (nach Antrag auf Abwahl und Untersuchungsausschuss) zum dritt-schärfsten oppositionellen „Schwert“: Sie verlangen Akteneinsicht. Ihr Anliegen: Wie kann es sein, dass seit dem Jahreswechsel 2024/25 die Kasse zur Unterstützung von Arbeitsmarktmaßnahmen leer ist? Frage meinerseits: Weshalb wollen eigentlich alle Oppositionellen Claudia Schilling „ans Kreuz nageln“? Und nicht Senatorin Kristina Vogt von den Linken?

Achtung: Bei der nachvollziehbaren Politikerjagd sollten die CDU-FDP-Abgeordneten während des Aktenstudiums einen verschärften Blick auf die staatlichen Lehrwerkstätten werfen – die haben -zig Millionen gekostet, aber offenbar nicht so richtig viel gebracht.

Bevor wir den staatlichen Ausbildungsgesellschaften in Bremen und Bremerhaven etwas genauer „auf den Zahn fühlen“, möchte ich das aktuelle „Schuldthema“ mal politisch einsortieren:

Alle rufen: Haltet die Missetäterin Claudia Schilling. Die hat den Haushalt mit den ESF-Mitteln gegen die Wand gefahren. ESF bedeutet Europäischer Sozialfonds.

Aber: Von 2019 bis 2023 war Wirtschaftssenatorin Kristina Vogt von den Linken Arbeitssenatorin. Schilling hat die Arbeitsbehörde erst bei der Senatsbildung im Juli 2023 übernommen. So wie übrigens auch das Sozialressort von der glücklosen Anja Stahmann (Grüne). Das mal eben „der guten Ordnung halber“,  wie Juristen dies so gerne formulieren.

Klar, das entschuldigt Schilling, bzw. deren Behörde überhaupt nicht vom Steuerungsversagen der ESF-Mittel. Wer erst Mitte Dezember 2024 feststellt, dass die ESF-Kasse nahezu leer ist, hat offenbar noch nie etwas von Controlling gehört.

Die Oppositionspolitiker könnten bei der Akteneinsicht ja mal der Frage nachgehen: Hat Schilling 2023 womöglich eine fast leere Kasse von Kristina Vogt übernommen? Hat die Bremerhavenerin aufgrund des fehlenden Überblicks oder vielleicht doch aus übertriebener senatsinterner Kollegialität geschwiegen?

Der Zeitablauf der Ereignisse deutet jedenfalls auf eine stramme Mitschuld der Linken Vogt hin.

Erinnern wir uns: Im März 2020 erreichte Corona Deutschland mit zunehmender Wucht, wurde zur Pandemie erklärt. Betriebe kämpften mit den Auswirkungen. Die betriebliche Ausbildung junger Leute in Betrieben war in diesen aufwühlenden und auf Kontaktarmut bedachten Zeit nicht gerade erste Prio.

Deshalb versuchte der Staat gegenzusteuern.

Im September 2020 stellte die Bremer Ausbildungsgesellschaft „ABiG“ die ersten Lehrlinge ein. Es sollten noch mehrere hundert werden. Im Amt als politisch verantwortliche Arbeitssenatorin: Kristina Vogt.

Die EU hat 2021 rund 60 Millionen Euro aus dem ESF zur Verfügung gestellt, um im Zeitraum 2021 bis 2027 Maßnahmen zu fördern, die Menschen (wieder) in Arbeit bringen. EU-Bedingung für diesen Batzen Geld: Bremen musste 90 Millionen draufpacken, so dass der bereitstehende Geldtopf für sieben Jahre mit 190 Millionen Euro prall gefüllt war.

Die Bremer ABIG und der Bremerhavener SeestadtVerbund beauftragten ab 1. September 2020 im Laufe der Zeit neunBildungsträger“, um aus Schülern mit und ohne Abschluss erst Lehrlinge und im Idealfall Gesellen zu machen.

Recherchen ergeben in der Rückschau einen niederschmetternden Befund: Die Träger nahmen jeden Jugendlichen, der sich meldete. Egal ob geeignet oder nicht. Viele konnten kein Deutsch, verfügten über keine Abschlusszeugnisse.

ABIG und SeestadtVerbund – so ist zu hören – hätten Bewerber nahezu magisch angezogen, weil man dort die tarifliche Ausbildungsvergütung gewährte.

Ein nicht-unerheblicher Teil dieser „Lehrlinge“ sei nur sporadisch in den vom Staat finanzierten Ausbildungsstätten erschienen. Das Angebot, Deutsch zu lernen, habe ebenfalls nur ein Bruchteil in Anspruch genommen.

Der Senat pries seine staatliche Ausbildung in einer Vorlage vom 23.7.2024 gleichwohl als Erfolg. Ich zitiere:

„Die Umsetzung des Bremer Ausbildungsverbundes kann als sehr erfolgreich bezeichnet werden. Seit Gründung der ABIG wurden rund 1.000 jungen Menschen durch das Angebot eine neue Perspektive auf dem Ausbildungsmarkt, etwa in Form einer außerbetrieblichen Ausbildung, der Vermittlung in reguläre betriebliche Ausbildungsverhältnisse oder durch direkten Berufseinstieg eröffnet.“

Liest sich überzeugend, könnte aber auch bloß Senatsprosa sein.

Von Verwaltungsexperten erfuhr ich Entwaffnendes. Einer erklärte mir schlitzohrig: „Man kann es ja auch als Erfolg werten, wenn die bereitgestellten Mittel in vorgesehener Weise abfließen.“

Eine interne Übersicht vom Mai 2023 vermittelt ein deutlich schlechteres Bild der staatlichen Ausbildungsbemühungen als der Senat.

Demnach haben von September 2020 bis Mai 2023  837 junge Leute die Programme durchlaufen – davon übrigens 546 mit „Migrationshintergrund.

Von den 837 Jugendlichen waren bis 5/23 335 „ausgeschieden“. Lediglich 24 hatten die Ausbildung abgeschlossen und waren in einen Betrieb gewechselt.

26 hatten in und 111 nach der Probezeit gekündigt. Der Arbeitgeber hatte 74 in und 57 nach der Probezeit auf die Straße gesetzt.

Liebe Leserschaft, ich will Sie nicht mit Zahlen zuschütten, sondern die „erfolgreichen“ Senatszahlen mit etwas Leben füllen.

In 97 Fällen sprachen laut interner Übersicht Arbeitgeber Kündigungen wegen „unentschuldigtem Fehlens“ aus. 30 wegen hoher Fehlzeiten.

Eine gute Nachricht will ich nicht vergessen: 76 junge Leute verließen den staatlichen Ausbildungsverbund, weil sie den Sprung in eine „echte“ betriebliche Ausbildung schafften. Ob ihnen später auch die Gesellenprüfung gelang, darüber gibt es keine Angaben.

Sorry, dass es jetzt doch viele Zahlen geworden sind.

Ich denke, diese vermitteln einen kleinen Eindruck in die unbekannte Welt der Ausbildung unter staatlicher Regie, wobei man einräumen muss, dass dort viele dieser jungen Menschen über eine völlig unzureichende Vorbildung verfügen. By the way: Die jungen Frauen schneiden in fast allen genannten „Kategorien“ deutlich besser ab.

Liebe Abgeordnete, die Sie sich durch die Aktenberge des Arbeitsressorts wühlen werden: Schauen Sie bitte nicht nur darauf, wer und wann von den sich leerenden ESF-Kassen erfahren hat. Wenn Sie schon dabei sind, werfen Sie doch bitte auch einen Blick auf die tatsächlichen Zahlen der städtischen Ausbildungsgesellschaften. Dort dürften -zig Millionen Euro investiert worden, aber auch verpufft  sein.

Munter bleiben!

Herzlichst

Ihr Axel Schuller

Ankündigung: Das nächste Stück wird mal wieder aus dem Rahmen fallen: Am kommenden Sonntag „verschenke“ ich meinen Blog an einen Mann, der etwas zu sagen hat. Schauen Sie Sonntag gerne auf die Seite.