Ein Helmut Schmidt hätte der Bremer swb den Kopf gewaschen
„Guten Tag swb…“ Liebe Leserschaft, Sie merken es schon: Heute wird’s etwas förmlich. Die ehemals städtische swb AG führt sich gerade unmöglich auf. Sie kündigt Fernwärme-Verträge nach dem Motto: „Friss die neuen Bedingungen, oder frier dir den Hintern ab“. Denn bei der Fernwärme ist das Unternehmen in Bremen Monopolist. Und so führt es sich irgendwie auch auf. Was Helmut Schmidt damit zu tun hat (haben könnte 🙂 ) lesen Sie bitte weiter unten.
Nachdem der Weser-Kurier offenbar „maximalst“ empört über (seinen Anzeigenkunden) swb berichtet hatte („Schönfärberei“ bei Fernwärmetarifen?), habe ich mir die Unterlagen angesehen. Und da fiel mir dann tatsächlich Ex-Bundeskanzler Helmut Schmidt (SPD) ein. Der hatte 1976 im Bundestag beklagt, er verstehe seine Wasserrechnung nicht. Seit Änderung des Energiewirtschaftsrechtes hat sich das deutlich gebessert. Sehe ich selbst jedes Jahr bei meiner swb-Stromrechnung (stets klar aufgelistet, in welchen Zeiträumen welcher Strom zu welchem Preis – inkl. Vergleich zum Vorjahr).
Aber das aktuelle Fernwärmekunden-Schreiben der swb – mittlerweile im Eigentum der Oldenburger EWE – schlägt dem Fass den Boden aus.
Auf einer Seite wird im besten Verschleierungsstil berichtet, dass alles teurer geworden sei. Insbesondere die „Wärmewende“ kombiniert mit der Zusammenführung der Fernwärmeleitungen vom Müllheizwerk an der A 27 mit jener vom aus Klimagründen stillgelegten Kraftwerk Hastedt (am Weserwehr) sowie technische Neuerungen seien – ach ja – so wahnsinnig teuer gewesen.
Transparenz, meine Damen und Herren von der swb, sieht anders aus. Da erwartet der Kunde, dass die Kosten für die Einzelmaßnahmen aufgelistet und wie sie je nach Energieträger aufgeteilt werden.
Von dieser Transparenz (Lateinisch: transparens gleich durchsichtig) ist das swb-Schreiben himmelschreiend entfernt.
Derart „durchsichtig“ müssen Energieunternehmen aufgrund der Liberalisierungs-Vorschrift nur bei Strom und Gas agieren. Für Fernwärme gilt das nicht. Und dann macht man es auch nicht.
Der Ober-Hammer ist eines der Erläuterungsblätter; vollgestopft mit unverständlichen Formeln, mit deren Hilfe man seinen individuellen Preis ermitteln darf, bzw. sich einen Wolf rechnen kann.
Rechnerisch nachvollziehbare, erklärende Hinweise sucht man in dem swb-Traktat vergebens.
Dafür packt das Unternehmen einen Wust von Preislisten bei. Der „zum Fressen“ verdammte Kunde, dem gerade mitgeteilt wird, dass ab Ende 2025 keine Fernwärme mehr geliefert wird (es sei denn, man schließe den neuen, teueren Vertrag ab) hockt ungläubig davor. Da stößt man dann auf sieben (!) unterschiedliche Tarifwelten.
Was aus Kundensicht fehlt: Eine Gegenüberstellung der individuellen bisherigen und nach Neuvertrag künftigen Kosten.
Oh, Helmut Schmidt, hier hätten Sie wüten können. So bleibt ihm wohl nur – gedanklich – eine Pirouette im Grab auf dem Ohlsdorfer Friedhof (nebenbei: eine phantastische grüne Oase).
Aber, ich gehöre bekanntlich nicht zur Gruppe der ungerechten Blogger. Deshalb zur Erläuterung: Der Bremer Energieversorger kriegt gerade in der Öffentlichkeit die Mütze für Entscheidungen voll, die andernorts getroffen wurden.
Die Preise für Fernwärme, Gas und Strom galoppieren davon, weil EU und Bundesregierung die „Wärmewende“ beschlossen haben. Ohne jemals Otto und Emma Normal zu fragen. Alle starren auf den CO2-Wert.
Das bedeutet: Die Politik hat in Brüssel, Berlin und auch in Bremen – ohne jede Rückkoppelung – festgelegt, dass die swb ihre Kohle-Kraftwerke im Hafen und in Hastedt stillzulegen hat. Was in Bremen – selbstverständlich im vorauseilendem Gehorsam – vorzeitig umgesetzt wurde.
Stattdessen wurde in Hastedt ein Gas-Kraftwerk gebaut. Und die Müllverbrennung an der A 27 wurde ausgeweitet. Gleichzeitig hat Politik beschlossen, das ausgestoßene CO2 jährlich drastisch zu verteuern.
Die swb muss jetzt als letzter in der Kette die Mehrausgaben den Kunden überdeubeln. Für Otto Normal kaum nachvollziehbar, dass das Unternehmen von einer durchschnittlichen Preissteigerung von 20 Prozent spricht. Immerhin hat sich beim Weser-Kurier ein Hauseigentümer gemeldet, der eine ganz andere Rechnung aufgemacht hat.
Der Bremer rechnet in dem Blatt fein säuberlich vor, dass sich die Steigerung in seinem konkreten Fall auf über 50 Prozent summiert; durch erhebliche Sprünge bei „Leistungspreis“, „Grundpreis“ und „Verbrauchspreis“.
Antwort der swb: Dies könne von individuellen Parametern abhängen. Den genauen künftigen Verbrauchspreis könne man jetzt – neun Monate vor Auslaufen des Altvertrages – nicht nennen. Schließlich würden die Fernwärme-Preise viermal im Jahr angepasst.
Blick zurück auf die parlamentarische Klima-Enquetekommission: Die Naiven unter den Abgeordneten hatten blindlings auf den Ausbau der Fernwärme gesetzt. Nach dem jüngsten Preishammer dürften die Bremerinnen und Bremer ihr Verhältnis zur ökologisch angeblich sinnvollen Fernwärme noch mal überdenken…
Außerdem: Fernwärme mag gut und wertvoll sein, hat aber einen brutal entscheidenden Haken: Du bist von nur einem Anbieter vor Ort abhängig.
Hintergrundinfos: Die swb AG gehört zu „100“ Prozent der Oldenburger EWE AG, wobei eine Aktie im Besitz der Freien Hansestadt Bremen, der früheren Eignerin der „Stadtwerke Bremen“, geblieben ist.
Die EWE wiederum befindet sich im Besitz von „Weser-Ems-Energiebeteiligungen (59 Prozent), Energieverband Elbe-Weser Beteiligungsholdig (15 Prozent) und dem Infrastruktur-Investor Ardian (26 Prozent).
Und noch eins: Die swb AG hat für 2023 (letzt vorliegender Bericht) einen Gewinn (nach Steuern) von 152,6 Millionen Euro ausgewiesen.
Munter bleiben!
Herzlichst
Ihr Axel Schuller
P.S.: Infos für Zahlenfreaks. Fernwärme in Bremerhaven ist deutlich günstiger, weil die jahrzehntelang als zu groß verschriene Müllverbrennungsanlage so viel Power liefert, dass im Winter kein Zusatz-Kraftwerk unterstützen muss. Der Bremerhavener Leistungspreis beträgt pro KW der eingebauten Anlage 18,41 Euro, in Bremen künftig von 40,42 bis 48,53 Euro/KW. Bislang sind dies in Bremen für alle Leistungsstufen nur 6,33 Euro/KW. Beim Verbrauchspreis ist Bremerhaven (14,05 Cent/Kilowattstunde) hingegen teurer als Bremen (13,83). Preisgestaltungen haben schon etwas Verrücktes…
Vielen Dank für den Bericht!
Ich habe aus gesundem Mißtrauen bereits 2016 meinen alten Gasbrenner gegen einen neuen getauscht. Endlich weiß ich, dass ich den richtigen Riecher hatte.
Klimaschutz ist eine gute Idee, aber nicht zu unverschämten Preisen.
You made my day, Sir! 👍
……………und es kommt wie es kommen musste. Ein Ende ich nicht in Sicht. Statt dessen werden die Planungen für weitere Fernwärmenetze mit Hochdruck vorangetrieben. Zumindest auf dem Papier. Wir lesen von „Anschlusszwang“ und „Nutzungszwang“ in den Protokollen der Kommission, die über die Fernwärme in Bremen beraten hat. Alle wurden gefragt, nur nicht diejenigen, die die ganze Geschichte bezahlen müssen. Kritik wurde vom Tisch gefegt. Hier mal ein besonderes Beispiel des Möglichen: Wenn Sie ein hochgradig energieautarkes Haus im Versorgungsgebiet betreiben, das seine Energie aus erneuerbaren Quellen vor Ort bezieht und aufgrund seiner Bauart und Technik sehr wenig Energie für Wärme und Warmwasser benötigt, sich also weitgehend selber versorgen kann, unterliegen Sie dennoch dem Anschluss- UND Nutzungszwang. Das bedeutet, dass ein zunächst fast CO²-neutrales Haus nun doch wieder CO² produziert und die Investition zunichte gemacht wird. Irrsinniger geht es nicht mehr. So bleibt nur die Hoffnung, dass dieser Wahnsinn irgendwann gestoppt wird.
ein Paradebeispiel für das Spannungsfeld zwischen politischer Klimapolitik, marktwirtschaftlicher Realität und bürgernaher Verantwortung. Die Wärmewende, so notwendig sie ökologisch ist, verliert ihre gesellschaftliche Legitimation, wenn sie intransparent umgesetzt und sozial unzumutbar ausgestaltet wird. Die swb agiert dabei wie ein typischer Monopolist: mit maximalem ökonomischem Selbstverständnis unnd minimalem kommunikativen Feingefühl. Dass Fernwärmekunden die Wahl gelassen wird zwischen “Vertragsabschluss oder Versorgungsstopp”, erinnert mehr an erpresserische Geschäftspraktiken als an eine faire Energiepolitik. Was wir aber derzeit erleben, ist ein energiepolitisches Solo auf dem Rücken der Verbraucher:innen. Und das wird auf Dauer nicht gutgehen.
Der Chef der swb Olaf Hermes, seit Herbst 2022 Vorsitzender der SWB-Konzerngeschäftsführung, bekommt jährlich 73.500 Euro als betriebliche Altersversorgung. Das eigentliche Jahresgehalt einschließlich erfolgsabhängigem Anteil beträgt 373.000 Euro.
Wenn sie schreiben: „Die Preise für Fernwärme, Gas und Strom galoppieren davon, weil EU und Bundesregierung die „Wärmewende“ beschlossen haben.“, sollte man etwas differenzieren.
Die Preise galoppieren davon, weil die gewerblichen „Versorger“ den Hals nicht voll kriegen und dann, wenn sie erst mal einen Kunden an der Fernwärme-Angel haben, denken, sie können machen was sie wollen.
Ich wil zugute Halten, dess die Anführungszeichen bei „Wärmewende“ bedeuten können, dass das, was wir erleben, alles, nur keine Wärmewende ist, Dann stimme ich Ihnen zu. Wenn sie aber bedeuten sollen, dass es keinen Bedarf an einer Wärmewende gibt, dann haben wir ein Thema.
Denn nichts ist so offensichtlich wie die Notwendigkeit, sich gegen den Klimawandel zu stellen. Sonst wandeln wir demnächst trochenen Fußes über den Bodensee, einfach weil keine Gletscher in den Alpen mehr für Nachschub an Wasseer sorgen und der See vor sich hin austrocknet.
Aber selbst, wenn man keinen Bedarf am Klimaschutz haben sollte, unsere genossenschaftliche Lösung mit einer Wärmeversorgung mit Erdwärmepumpen über sog, kalte Netze ist auch dann alternativlos, weil sie preiswerter, zukunftssicher und unabhängig von triebgesteuerten Potentaten ist. Insofern ist es mir fast egal, warum man sich von der ganz und gar nicht CO2-freien Fernwärme verabschiedet. Auch wenn man sich aus der Furcht vor ständig steigenden Kosten an unser kaltes Netz anschließt, das Ziel CO2-frei zu heizen, wird dennoch erreicht.