Wie absurd und weltfremd Forderungen der Bremer Klima-Enquete waren und sind

13.04.2025 21 Von Axel Schuller

Der Fernwärme-Hammer wirkt nach. Auch bei mir. Die Klima-Enquetekommission hatte 2021 die Fernwärme in ihrem Bericht als geradezu heilsbringend gepriesen. Anlass genug, die Enquete-Zielvorgaben nach 3,5 Jahren mit der harten Wirklichkeit abzugleichen. Achtung: Empfindliche Gemüter können Schaden nehmen. 🙂

Die Bremische Bürgerschaft hatte Anfang 2020 die Klima-Enquete-Kommission eingesetzt, um dem Klima Gutes zu tun. Die Parteien entsandten Vertreter und beriefen hochkarätige Sachverständige, die – klaro – in Wahrheit alle parteipolitisch gefärbt waren. Prominentester (Grüner) Vordenker: Patrick Graichen, der anschließend bei Robert Habeck vorübergehend sein Wesen trieb.

Die Klima-Wunschdenker schrieben nahezu alles auf, was gut und segensreich fürs Klima sein könnte. Inklusive dem – Hex Hex – Verschwinden von zwei Drittel aller Bremer Autos mit Verbrennermotor bis 2030. Eigentlich hätte da schon jedes denkende Wesen gewarnt sein müssen.

Der Abschlussbericht vom Dezember 2021 erreichte den fast biblischen Umfang von 376 Seiten – eine Flut von Bekenntnissen und „guten“ Absichten. Härter formuliert: Wunschdenken pur. Übrigens: Alles unter dem Enquete-Vorsitz des Christdemokraten Martin Michalik.

Die Ergebnisse bis heute, vier Jahre danach, sind erschütternd gering, kaum greifbar. Die Umsetzung des ganzen Zaubers hätte schließlich 7 Milliarden Euro (nach 2021er Rechnung) gekostet.

Zur heutigen zeitlichen Einordnung gehört auch: Mittlerweile hat der Zeitgeist „Fridays for future“ und die „Last Generation“ verschlungen. Und Greta Thunberg – lassen wir’s lieber…

Einige der zentralen Kommissions-Forderungen von 2020 sind heute – sorry – nur als absurd zu bezeichnen.

Die Ziele für die Industrie – außerhalb der Realität

Der Beschluss, die CO2-Emissionen der Stahlindustrie bis 2030 um 60% zu reduzieren, war und ist trotz aller politischen Bekenntnisse illusorisch. Es sei denn, man würde eine Verlagerung der Produktion ins Ausland als Ziel-Erreichung definieren. Dies aber wäre voll-zynisch.

Das Ziel, nur noch grünen Wasserstoff in der Stahlproduktion zu verwenden, ist politisch bereits so gut wie beerdigt. In Berlin und Brüssel wird – wie ich von informierter Seite höre – eher darüber nachgedacht, bei der Stahlerzeugung Gas statt Wasserstoff (aktuell Kohle) einzusetzen. Einziger Hoffnungsschimmer im Koalitionsvertrag: Der Industriestrom soll „billiger“ werden. Den Preis für eine subventionierte Kilowattstunde kennt aber niemand.

Ob sich ArcelorMittal jemals zur Direktreduktion und Lichtbogentechnik im Bremer Werk durchringen wird, steht trotz aller politischen Absichtserklärungen und Verrenkungen (wie Zuschüsse des Bundes und des Landes) weiter in den Sternen.

Die Ziele für den Verkehr – Gaga

Die Innenstädte von Bremen und Bremerhaven würden autofrei, träumte die Kommission vor sich hin. Das Ziel war und ist außerhalb der Politiker-Blase null mehrheitsfähig. Der aktuelle Polit-Sprech lautet deshalb: „autoarm“. Offenbar fürchtet man mittlerweile (zu recht), dass die komplette Verbannung des Autos zu einer weiteren Verödung der City führen würde.

Und nebenbei: Das Ziel „autofrei“, also: emissionsfrei, ist mit dem Auftrag der Kommission ja ohnehin kaum in Einklang zu bringen. Denn eine Verlagerung des Shoppens in die Malls am Stadtrand und in Posthausen erzeugt zwangsläufig zusätzliche Fahrten, also Emissionen.

Solche Fehler unterlaufen übereifrigen Politikern, wenn sie vom Guten beseelt sind.

Zwischenfrage: Sollen eigentlich 66 Prozent der Autos verschrottet werden – oder was?

Die Forderung nach drastischer Reduzierung des Fahrzeugbestandes ist „praktischerweise“ mit keinerlei Plan hinterlegt, wie dies erreicht werden könnte. Will man die Autos „wegzaubern“? Man erfährt es nicht.

In jedem Fall ist die zur „Plan-Erreichung“ (ja, ist jetzt gemeines DDR-Deutsch) notwendige Reduzierung der Fahrzeuge mit Verbrenner-Motoren um 66 Prozent bis 2030 absurd; genauso realitätsfern ist aus meiner Sicht die geplante Reduzierung dieser Fahrzeuge auf 0 (!) bis 2038.

Glauben Sie nicht? Auf Seite 145 ist alles tabellarisch aufgelistet: Die Zahl der Fahrzeuge mit Verbrenner-Motoren von etwa 430 pro 1.000 Einwohner wird demnach bis 2030 auf rd. 150 „runtergefahren“, bis 2038 auf 0. Die gewünschte Zielzahl für 2038 lautet: 150 Umwelt-Autos pro 1.000 Einwohner.

Das setzt – realistisch betrachtet – Verbote, Enteignungen, Verschrottungen oder sogar Zauberei voraus.

Dieser Anschlag aufs Eigentum dürfte selbst die gutmütigsten Bürger auf die Straße treiben. An diesem Punkt sieht man übrigens deutlich die Handschrift der Grünen. Einer Partei, die sich bevorzugt den Interessen der richtig „guten Menschen“ und nicht denen von Jan Arbeitsmann und Co. widmet.

In der Kommission erzählt man sich heute noch, der heutige Grüne Fraktionsvize Philipp Bruck habe sich beim Thema Auto wie ein Chef-Ideologe ausgetobt.

Nebenbei bemerkt: Wollte die Bremische Bürgerschaft dieses Ziel ernsthaft per Beschluss durchsetzen, könnte sich die AfD wohl nur mit Waffengewalt gegen neue Wählerscharen wehren

Ich frage mich immer wieder: Wie konnten selbst bürgerliche Parteien solch einer Zielsetzung zustimmen – und das unter CDU-Vorsitz der (Wünsch-dir-was) Enquetekommission? Die SPD (mit Dr. Carsten Sieling umweltpolitisch offenbar ebenso fordernd vertreten) hat zum Thema „Autos weg“ zumindest ein etwas mäßigendes „Minderheitenvotum“ abgegeben.

In dieser Stadt lernst du wirklich, auch für wenig dankbar sein.

Die Wärmewende – wo bleibt sie?

Zum Thema Heizung lasse ich die Enquete selbst „sprechen“:

„Alle verdichteten Innenstadtbereiche sollen auf Fern- und Nahwärmenetze umgestellt werden, die das Heizen mit fossilen Brennstoffen ablösen. Das Gasnetz soll bis spätestens 2030 rück-/umgebaut werden zu einem Wasserstoffnetz.“

Dazu soll das Fernwärmenetz „bis 2030 auf 120 km Hauptstrassenlänge mit 260 km Anschlussleitungen“ erweitert werden.

Mal zur freundlichen Erinnerung: Wesernetz hat für einen 6,9 Kilometer langen Streckenausbau durch Schwachhausen (Verbindung zwischen dem Müllheizkraftwerk und dem aus Hastedt gespeisten Netz) 5 Jahre und 80 Millionen Euro benötigt. Bis heute sind übrigens keineswegs alle vorgesehenen Häuser angeschlossen. Privaten Antragstellern wird der Anschluss verwehrt, sofern nicht 65 Prozent aller Anlieger einer Straße den Anschluss beantragen.

So muss in Schilda Politik gemacht worden sein…

Und jetzt erhöht die swb den Preis für Fernwärme in 2025 mal eben um brutale 20 Prozent und mehr. Der Preisabstand von Fernwärme zu Gas ist beachtlich; eine Kilowattstunde Fernwärme ist rd. 70% teurer als Gas.

Da drängt sich die Frage auf, ob die swb womöglich einen Großteil der Investitionskosten von 120 Millionen Euro fürs neue Gaskraftwerk in Hastedt irgendwie in der Kalkulation untergebracht hat. Ein Wettbewerb findet nicht statt – jedenfalls nicht in der Fernwärme-Welt.

Und: Das Kartellamt prüft Fernwärme-Preise bloß im Nachhinein und auf Antrag. Es gibt keine Genehmigungsinstanz wie bei Strom oder Gas.

Öffentliche Gebäude – „nackt“ wie zuvor

Die öffentliche Hand nimmt eine zentrale Rolle im Klimaschutz ein. Durch ihre Vorbildfunktion übt sie (…) eine wichtige Signalwirkung (…) aus.“ „Insbesondere bestehen direkte Handlungsmöglichkeiten der öffentlichen Hand bei eigenen Liegenschaften.“

Aha. Passiert ist am Gebäudebestand so gut wie nix. Kaum neue Energiespar-Fenster, fast keine Photovoltaik. Wanddämmung – wovon denn?

Die „Vorbildfunktion“ ist in der Bremischen Gesetzgebung nicht neu. Schon im Klimaschutz- und Energiegesetz gibt es ausdrücklich eine Vorbild-Verantwortlichkeit der Verwaltung, festgeschrieben in einer Berichtspflicht über den jährlichen Energieverbrauch.

Um es abzukürzen: Die letzten verfügbaren Zahlen liegen aus dem Jahr 2017 vor. Damals war der Energieverbrauch von 100 Kilowattstunden auf 97 Kwh/Quadratmeter gesunken. Die Zielvorgabe der Enquete-Kommission für öffentliche Gebäude bis 2030 (!) lautet: 40 Kwh pro Qm (wie ein Niedrig-Energiehaus nach KFW 45).

Entpuppt sich die stete Betonung der Vorbildfunktion des Staates hier etwa als „leeres Geschwätz“?

Die Bremer Realität sieht nämlich so aus: Die Behörden können aktuell nicht einmal sagen, wie viel Energie sie in den Amtsstuben pro Qm verheizen/bezahlen. Ein Status quo der energetischen Sanierung samt denkbarem Einsparpotential liegt erst recht nicht vor.

Immobilien Bremen hat dies gegenüber dem Rechnungshof für 2022 unumwunden zugegeben – und aufs Finanzressort verwiesen. Geändert hat sich nichts.

Dumme Bürger-Frage: Warum war das Reporting für 2017 möglich, seitdem aber nicht? Obwohl doch tausende neue Stellen in der öffentlichen Verwaltung hinzugekommen sind.

Im schlimmsten Fall können Datenmangel und fehlende energetische Sanierungspläne sogar dazu führen, dass Bremen bei Anträgen auf Fördermittel aus dem „Sonder-’Vermögen’ Infrastruktur“ leer ausgehen wird. Die Erfahrung lehrt: Wer in Berlin nicht sofort konkrete Planung vorlegen kann, kriegt auch keine Bundesknete.

Ernüchterndes Fazit der vier Bereiche Industrie, Verkehr, Wärmewende und Gebäudesanierung:

Die Bremer Klima-Aktivisten mit Abgeordneten-Status haben einfach alles aufgeschrieben, was für den Klimaschutz gut klang.

Seriös formuliert: Die Enquete-Kommission hat es nicht verstanden, zwischen Wünschenswertem und Machbarem zu unterscheiden.

Und noch so ein Ding: Die Politik scheut sich nicht, den Bürgerinnen und Bürgern in Sachen Klimaschutz knallharte Vorschriften zu machen, wie: Dachbegrünungs-, Solardach- und Dämmungsvorschriften sowie „Bremer Baustandard“. Wenn’s aber um die „eigenen“ Immobilien geht, gerät das bei „Vater Staat“ flugs in Vergessenheit. Kommt beim Normalbürger bestimmt richtig gut an…

Noch ein Schmankerl zum Schluss: Die Enquete-Kommission hatte seinerzeit eine Firma beauftragt, akribisch den CO2-Ausstoß der Kommission zu notieren. Am Ende kamen 13,7 Tonnen heraus. Zum Ausgleich dafür wurden 2.730 Euro an den „Bremer Klimafonds“ überwiesen. Dann war – schwuppdiwupp – alles wieder gut

Über die Kosten der Enquete findet man auf den 376 Seiten seltsamerweise nix. Ein Sprecher der Bürgerschaftskanzlei erklärte am Freitag auf Anfrage von bremensogesehen: „Wir haben auf die Schnelle Kosten von rund 1,157 Millionen Euro ermittelt.“

Ermattet rufe ich Ihnen zu: Munter bleiben!

Herzlichst

Ihr Axel Schuller