Verleger Donat: Endlich ein Denkmal für den Bremer Maler und Pazifisten Heinrich Vogeler

18.04.2025 9 Von Axel Schuller

Am Sonnabend (19.4.2025) findet in Bremen der Ostermarsch statt. Das Motto: „Friedensfähig statt kriegstüchtig“. Dazu passt die Forderung des Bremer Verlegers Helmut Donat: Errichtet in Bremen endlich ein Denkmal für Heinrich Vogeler (1872-1942)! Der für seine Kunst im Jugendstil berühmte Bremer Vogeler ist ein Beispiel dafür, wie ein Mensch von einem Kriegsfreiwilligen zu einem überzeugten Pazifisten und Humanisten wird.

Liebe Leserschaft, Helmut Donat hat mir (Kulturbanausen) so viel über Vogeler berichtet, dass ich ihn schließlich gebeten habe, seine Gedanken zu dem Schöpfer der berühmten Güldenkammer im Bremer Rathaus und seinem Barkenhoff aufzuschreiben.

Bevor gleich Donats Text folgt, noch ein Hinweis in eigener Sache: Als endgültigen Beleg meiner Faulheit kündige ich jetzt schon einmal an, dass ich Sie auch am Ostersonntag (nur) mit einem „Fremdtext“ versorgen werde. 🙂 Von einem Autoren, der in seinem Fach bundesweiten Respekt und Anerkennung genießt… Also, bitte unbedingt auch Sonntag in Ihren Lieblingsblog bremensogesehen schauen. Ich verspreche: Es lohnt sich. Und sei es, weil das Thema mal von einer anderen Warte aus betrachtet wird.

Genug des Vorspiels, nun hat Helmut Donat das Wort:

„Denkmal für einen Sohn der Stadt – zur bleibenden Aktualität Heinrich Vogelers

Heinrich Vogelers Verlangen nach einem sofortigen, bedingungslosen Frieden Ende Januar 1918 hat Generalquartiermeister Erich Ludendorff so in Rage gebracht, dass er den Künstler an die Wand stellen wollte. Doch wegen seiner Berühmtheit als Maler landete er „nur“ in einer Bremer Nervenheilanstalt. Vogelers „Friedensappell“ an Kaiser Wilhelm II., als „Märchen vom lieben Gott“ verfasst, begriff der hoch geschätzte Worpsweder Jugendstil- und Ausnahmekünstler als eine Folge der fehlenden Ethik im politischen Leben des deutschen Volkes bzw. als Folge der Indienstnahme von Moral und Ethik, von Religion und Theologie für höchst amoralische Zwecke. Mit seinem Einspruch gegen die eklatante Verletzung des christlichen Liebesgebotes hat Vogeler, indem er sich gegen jedwede Siegfrieden- und Durchhalteparolen wandte, zugleich seine öffentliche Desertion vollzogen.

Wenige haben wie er den Mut aufgebracht, schlicht und ergreifend „Nein“ zu sagen – und Widerstand geleistet. Ein Protest, wie ihn Vogeler sich von der Seele geschrieben hat, war von einem deutschen Künstler seiner Zeit nicht zu erwarten gewesen. Die Deutsche UNESCO-Kommission bezeichnet sein „Märchen vom lieben Gott“ als die Tat eines Menschen, dessen „Brief“ an Wilhelm II. „als kühnes Friedensvorhaben in die Geschichte einging – und dessen Vorhaben noch heutige Generationen beeindruckt.“

„Glaubt mir“, sagt Vogeler, „es gibt nichts in der Welt, was die Erkenntnis der Wahrheit, die Liebe, nicht überwindet. Und das ist auch der Sinn dieses ganzen Krieges. Kein Verein kann den Krieg bekämpfen, und diese Fürchterlichkeiten werden nicht aussterben, wenn der Mensch nicht reif wird zur großen Liebe, die versteht und überwindet, denn im Verstehen liegt schon das Überwinden.“

Von solchem Verständnis der Nächstenliebe waren die Kirchen im Ersten und Zweiten Weltkrieg weit entfernt. Ist es heute wirklich anders, wenn sich ein Friedensbeauftragter der BEK für die Fortsetzung des Ukrainekrieges ausspricht und sich für die Errichtung eines „Kreuzes von Coventry“ engagiert?

Es soll ein „Symbol der Versöhnung“ sein zwischen den einstigen Feinden England und Deutschland, zwischen den „Piloten, die einst Coventry zerbombten“, sowie denen, „die Dresden in Schutt und Asche legten“. Auf den Gedanken, sich für eine russisch-ukrainische Verständigung einzusetzen, kommt er offenbar nicht. Statt sich der gegenwärtigen Feindschaften anzunehmen, schwelgt er in der Vergangenheit.

Man fragt sich: Was soll das „Versöhnungstheater“?

Dresden war die Antwort auf Coventry. Über Ursache und Wirkung hinweg „vermenschlicht“ der Theologe unterschiedlich zu bewertende Kriegshandlungen, denn Bremen war nicht in dem Ausmaß wie Dresden betroffen.

Erfüllen wir das Gebot der Feindesliebe, wenn wir immer mehr aufrüsten, der Ukraine weiterhin Waffen liefern, einst blühende Städte noch mehr in Schutt und Asche gelegt sowie Menschen getötet, verstümmelt, traumatisiert und verelendet werden?

Ist es im Sinne Gottes, wenn wir den Russen von Peter dem Großen bis Putin einen Eroberungsdrang andichten, der erst vor dem Brandenburger Tor haltmacht? Legt uns die Haltung einer wie immer gearteten „Verantwortungsethik“ im Sinne Max Webers auf, einer „Russenfurcht“ das Wort reden, die vor und nach 1914 sowie nach 1945 Ressentiments bedient und geschürt hat – und die heute erneut keine Grenzen kennt?

Heinrich Vogeler, am 11. Dezember 1871 in Bremen geboren, ist in einer behüteten Kindheit groß geworden. In Worpswede hat er nach seinem Kunststudium in Düsseldorf eine alte Bauernkate zu seinem Musensitz „Barkenhoff“ verwandelt. Künstlerkollegen und Dichter wie Rainer Maria Rilke gaben um 1900 ihren Segen zu Vogelers Bestreben, Kunst und Leben in Einklang zu bringen. Viele nahmen Teil daran: wie Paula Modersohn-Becker, Clara Rilke-Westhoff, Otto Modersohn, Hans am Ende, Fritz Overbeck oder Fritz Mackensen.

Vogeler war gefragt, ein Künstler von europäischem Format, vielseitig begabt, entwarf Schmuck, Porzellan, Mobiliar, Häuser, illustrierte Bücher etc. Man riss sich nach seinen filigranen Federzeichnungen und Lithographien. Wie kein anderer deutscher Künstler verkörperte er den „Jugendstil“ und drückte der Epoche seinen Stempel auf. Vogeler galt als des Bürgers „liebstes Kind“, und mit ihm gelang es der Worpsweder Künstlerkolonie, reichsweite Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen und zu etablieren.

Der Bremer Senat erteilte Vogeler den Auftrag, einen Raum im Rathaus zu gestalten. Die „Güldenkammer“, in allen Einzelheiten von ihm im reinen Jugendstil 1905 ausgeführt, ist ein „Juwel“, um das Bremen weltweit beneidet wird.

Das Barkenhoff-Idyll indes zerschellte, und Vogeler begann, es als romantisch und weltfremd zu verwerfen. Der Erste Weltkrieg bot sich ihm als Ausweg aus seiner privaten und künstlerischen Krise an. Doch öffneten ihm

die Schlachtfelder und das Gemetzel an den Fronten die Augen. Fortan setzte er sich für den Frieden ein. Nach 1918 richtete er auf dem Barkenhoff eine Kommune und Arbeitsschule ein. Aber das Experiment scheiterte.

Bevor er Worpswede verließ, übergab er 1924 das Haus der „Roten Hilfe“, die auf ihm ein Heim für Kriegswaisen und Kinder einrichtete, deren Eltern aus politischen Gründen in Haft geraten waren. 1929 wurde Vogeler wegen seiner Kritik an der falschen Politik der KPD, aus der Partei ausgeschlossen.

1931 in die Sowjetunion übergesiedelt, beteiligte er sich seit 1933 am Kampf gegen den Nationalsozialismus. Nach dem Überfall der deutschen Wehrmacht auf die Sowjetunion und seiner Zwangsevakuierung aus Moskau starb Vogeler im Juni 1942 in einem Krankenhaus in Kasachstan.

Ende der 1970er und Anfang der 1980er Jahre retteten beherzte Worpsweder und Bremer Bürger den „Barkenhoff“ vor dem Abriss.

Heute ist in ihm ein Museum untergebracht, das dem Gesamtwerk Heinrich Vogelers gewidmet ist.

In Bremen gibt es nichts Vergleichbares. Dabei ist die Geschichte der Hansestadt seit ihrem Beginn die Geschichte der Eigenständigkeit, des geschichtlichen Selbstbewusstseins, immer geprägt von ungewöhnlichen Menschen: nach außen von Bischöfen, Bürgermeistern nach innen von Menschen mit Bürgersinn, die ihre Stadt gestalteten wirtschaftlich, künstlerisch, kulturell, und von Menschen, die die Ideen von Humanität und Frieden weit über Bremen hinaus trugen wie Ludwig Quidde und Heinrich Vogeler.

Das Kaiser-Friedrich-Denkmal, das Bismarck-Denkmal und das von-Moltke-Denkmal sind Denkmäler von außen (wie auch das geplante „Coventry-Kreuz“), die über Bremen nichts Wesentliches aussagen, sie könnten überall in Deutschland stehen.

Mit einem Vogeler-Denkmal könnte Bremen an die Roland-Statue und an das Seume-Denkmal anknüpfen.

Gerade heute ist es sinnvoll, an den Mut derjenigen zu erinnern, die mit ihrem Leben dafür eintraten, dass Krieg aufhört, Frieden gesichert und Humanität zur Grundlage gesellschaftlicher Ordnung wird.

Der Bremer Heinrich Vogeler ist ein Beispiel dafür, wie ein Mensch von einem Kriegsfreiwilligen zu einem überzeugten Pazifisten und Humanisten wird. Der Ernst macht, seine christlich-humanen Vorstellungen in seinem Leben und dem Leben der Gesellschaft zu verwirklichen. Sein ganzes Leben, sein künstlerisches Vermögen stellte er nach seinen Kriegserlebnissen in diesen Dienst. Dass seine Utopie an der geschichtlichen Wirklichkeit scheiterte, darf nicht zur Resignation führen, diese Ziele aufzugeben, im Gegenteil.

Ein Denkmal für Heinrich Vogeler wäre ein Zeichen mitten in Bremen, dem Dom benachbart, ist doch sein „Märchen vom lieben Gott“ die Allegorie für Frieden und Humanität.

Die Güldenkammer im Rathaus ist sein Jugendstilvermächtnis. Sein Lebenswerk zu würdigen, wäre das Symbol für eine bessere Welt. Ein Denkmal für Heinrich Vogeler stünde Bremen gut an. Eigentlich ist es überfällig.

Helmut Donat, Verleger

Nachtrag: Im Donat Verlag erschienen:

Siegfried Bresler, Auf der Suche nach einer besseren Welt – Heinrich Vogeler 1872-1942

Bernd Stenzig, Märchen vom lieben Gott – Heinrich Vogelers Friedensappell 1918 an den Kaiser

Bernd Küster, Das Barkenhoff-Buch“

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Liebe Leserschaft, ja ich weiß: war erneut viel Text. Aber: Ich habe diesen nicht gekürzt, weil er Heinrich Vogeler (zumindest für Nicht-Kenner) in seiner unbekannten Vielfalt und seinem Anliegen darstellt.

Außerdem: Ich empfehle Ihnen heute den Besuch des „Ostermarsches“ (Sonnabend, 11 bis 13 Uhr); ausgehend vom Friedenstunnel zum Marktplatz. Meine Erfahrung lehrt mich, sich solche Veranstaltungen besser selbst anzuschauen und anzuhören, statt sich auf häufig sehr rudimentäre Berichterstattungen zu verlassen. Leider!

Abschließend, wie schon gesagt: Am Ostersonntag erwartet Sie ein weiterer interessanter Fremdtext in Form eines Gastkommentars.

Munter bleiben!

Herzlichst

Ihr Axel Schuller