Verleger Donat: Endlich ein Denkmal für den Bremer Maler und Pazifisten Heinrich Vogeler
Am Sonnabend (19.4.2025) findet in Bremen der Ostermarsch statt. Das Motto: „Friedensfähig statt kriegstüchtig“. Dazu passt die Forderung des Bremer Verlegers Helmut Donat: Errichtet in Bremen endlich ein Denkmal für Heinrich Vogeler (1872-1942)! Der für seine Kunst im Jugendstil berühmte Bremer Vogeler ist ein Beispiel dafür, wie ein Mensch von einem Kriegsfreiwilligen zu einem überzeugten Pazifisten und Humanisten wird.
Liebe Leserschaft, Helmut Donat hat mir (Kulturbanausen) so viel über Vogeler berichtet, dass ich ihn schließlich gebeten habe, seine Gedanken zu dem Schöpfer der berühmten Güldenkammer im Bremer Rathaus und seinem Barkenhoff aufzuschreiben.
Bevor gleich Donats Text folgt, noch ein Hinweis in eigener Sache: Als endgültigen Beleg meiner Faulheit kündige ich jetzt schon einmal an, dass ich Sie auch am Ostersonntag (nur) mit einem „Fremdtext“ versorgen werde. 🙂 Von einem Autoren, der in seinem Fach bundesweiten Respekt und Anerkennung genießt… Also, bitte unbedingt auch Sonntag in Ihren Lieblingsblog bremensogesehen schauen. Ich verspreche: Es lohnt sich. Und sei es, weil das Thema mal von einer anderen Warte aus betrachtet wird.
Genug des Vorspiels, nun hat Helmut Donat das Wort:
„Denkmal für einen Sohn der Stadt – zur bleibenden Aktualität Heinrich Vogelers
Heinrich Vogelers Verlangen nach einem sofortigen, bedingungslosen Frieden Ende Januar 1918 hat Generalquartiermeister Erich Ludendorff so in Rage gebracht, dass er den Künstler an die Wand stellen wollte. Doch wegen seiner Berühmtheit als Maler landete er „nur“ in einer Bremer Nervenheilanstalt. Vogelers „Friedensappell“ an Kaiser Wilhelm II., als „Märchen vom lieben Gott“ verfasst, begriff der hoch geschätzte Worpsweder Jugendstil- und Ausnahmekünstler als eine Folge der fehlenden Ethik im politischen Leben des deutschen Volkes bzw. als Folge der Indienstnahme von Moral und Ethik, von Religion und Theologie für höchst amoralische Zwecke. Mit seinem Einspruch gegen die eklatante Verletzung des christlichen Liebesgebotes hat Vogeler, indem er sich gegen jedwede Siegfrieden- und Durchhalteparolen wandte, zugleich seine öffentliche Desertion vollzogen.
Wenige haben wie er den Mut aufgebracht, schlicht und ergreifend „Nein“ zu sagen – und Widerstand geleistet. Ein Protest, wie ihn Vogeler sich von der Seele geschrieben hat, war von einem deutschen Künstler seiner Zeit nicht zu erwarten gewesen. Die Deutsche UNESCO-Kommission bezeichnet sein „Märchen vom lieben Gott“ als die Tat eines Menschen, dessen „Brief“ an Wilhelm II. „als kühnes Friedensvorhaben in die Geschichte einging – und dessen Vorhaben noch heutige Generationen beeindruckt.“
„Glaubt mir“, sagt Vogeler, „es gibt nichts in der Welt, was die Erkenntnis der Wahrheit, die Liebe, nicht überwindet. Und das ist auch der Sinn dieses ganzen Krieges. Kein Verein kann den Krieg bekämpfen, und diese Fürchterlichkeiten werden nicht aussterben, wenn der Mensch nicht reif wird zur großen Liebe, die versteht und überwindet, denn im Verstehen liegt schon das Überwinden.“
Von solchem Verständnis der Nächstenliebe waren die Kirchen im Ersten und Zweiten Weltkrieg weit entfernt. Ist es heute wirklich anders, wenn sich ein Friedensbeauftragter der BEK für die Fortsetzung des Ukrainekrieges ausspricht und sich für die Errichtung eines „Kreuzes von Coventry“ engagiert?
Es soll ein „Symbol der Versöhnung“ sein zwischen den einstigen Feinden England und Deutschland, zwischen den „Piloten, die einst Coventry zerbombten“, sowie denen, „die Dresden in Schutt und Asche legten“. Auf den Gedanken, sich für eine russisch-ukrainische Verständigung einzusetzen, kommt er offenbar nicht. Statt sich der gegenwärtigen Feindschaften anzunehmen, schwelgt er in der Vergangenheit.
Man fragt sich: Was soll das „Versöhnungstheater“?
Dresden war die Antwort auf Coventry. Über Ursache und Wirkung hinweg „vermenschlicht“ der Theologe unterschiedlich zu bewertende Kriegshandlungen, denn Bremen war nicht in dem Ausmaß wie Dresden betroffen.
Erfüllen wir das Gebot der Feindesliebe, wenn wir immer mehr aufrüsten, der Ukraine weiterhin Waffen liefern, einst blühende Städte noch mehr in Schutt und Asche gelegt sowie Menschen getötet, verstümmelt, traumatisiert und verelendet werden?
Ist es im Sinne Gottes, wenn wir den Russen von Peter dem Großen bis Putin einen Eroberungsdrang andichten, der erst vor dem Brandenburger Tor haltmacht? Legt uns die Haltung einer wie immer gearteten „Verantwortungsethik“ im Sinne Max Webers auf, einer „Russenfurcht“ das Wort reden, die vor und nach 1914 sowie nach 1945 Ressentiments bedient und geschürt hat – und die heute erneut keine Grenzen kennt?
Heinrich Vogeler, am 11. Dezember 1871 in Bremen geboren, ist in einer behüteten Kindheit groß geworden. In Worpswede hat er nach seinem Kunststudium in Düsseldorf eine alte Bauernkate zu seinem Musensitz „Barkenhoff“ verwandelt. Künstlerkollegen und Dichter wie Rainer Maria Rilke gaben um 1900 ihren Segen zu Vogelers Bestreben, Kunst und Leben in Einklang zu bringen. Viele nahmen Teil daran: wie Paula Modersohn-Becker, Clara Rilke-Westhoff, Otto Modersohn, Hans am Ende, Fritz Overbeck oder Fritz Mackensen.
Vogeler war gefragt, ein Künstler von europäischem Format, vielseitig begabt, entwarf Schmuck, Porzellan, Mobiliar, Häuser, illustrierte Bücher etc. Man riss sich nach seinen filigranen Federzeichnungen und Lithographien. Wie kein anderer deutscher Künstler verkörperte er den „Jugendstil“ und drückte der Epoche seinen Stempel auf. Vogeler galt als des Bürgers „liebstes Kind“, und mit ihm gelang es der Worpsweder Künstlerkolonie, reichsweite Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen und zu etablieren.
Der Bremer Senat erteilte Vogeler den Auftrag, einen Raum im Rathaus zu gestalten. Die „Güldenkammer“, in allen Einzelheiten von ihm im reinen Jugendstil 1905 ausgeführt, ist ein „Juwel“, um das Bremen weltweit beneidet wird.
Das Barkenhoff-Idyll indes zerschellte, und Vogeler begann, es als romantisch und weltfremd zu verwerfen. Der Erste Weltkrieg bot sich ihm als Ausweg aus seiner privaten und künstlerischen Krise an. Doch öffneten ihm
die Schlachtfelder und das Gemetzel an den Fronten die Augen. Fortan setzte er sich für den Frieden ein. Nach 1918 richtete er auf dem Barkenhoff eine Kommune und Arbeitsschule ein. Aber das Experiment scheiterte.
Bevor er Worpswede verließ, übergab er 1924 das Haus der „Roten Hilfe“, die auf ihm ein Heim für Kriegswaisen und Kinder einrichtete, deren Eltern aus politischen Gründen in Haft geraten waren. 1929 wurde Vogeler wegen seiner Kritik an der falschen Politik der KPD, aus der Partei ausgeschlossen.
1931 in die Sowjetunion übergesiedelt, beteiligte er sich seit 1933 am Kampf gegen den Nationalsozialismus. Nach dem Überfall der deutschen Wehrmacht auf die Sowjetunion und seiner Zwangsevakuierung aus Moskau starb Vogeler im Juni 1942 in einem Krankenhaus in Kasachstan.
Ende der 1970er und Anfang der 1980er Jahre retteten beherzte Worpsweder und Bremer Bürger den „Barkenhoff“ vor dem Abriss.
Heute ist in ihm ein Museum untergebracht, das dem Gesamtwerk Heinrich Vogelers gewidmet ist.
In Bremen gibt es nichts Vergleichbares. Dabei ist die Geschichte der Hansestadt seit ihrem Beginn die Geschichte der Eigenständigkeit, des geschichtlichen Selbstbewusstseins, immer geprägt von ungewöhnlichen Menschen: nach außen von Bischöfen, Bürgermeistern nach innen von Menschen mit Bürgersinn, die ihre Stadt gestalteten wirtschaftlich, künstlerisch, kulturell, und von Menschen, die die Ideen von Humanität und Frieden weit über Bremen hinaus trugen wie Ludwig Quidde und Heinrich Vogeler.
Das Kaiser-Friedrich-Denkmal, das Bismarck-Denkmal und das von-Moltke-Denkmal sind Denkmäler von außen (wie auch das geplante „Coventry-Kreuz“), die über Bremen nichts Wesentliches aussagen, sie könnten überall in Deutschland stehen.
Mit einem Vogeler-Denkmal könnte Bremen an die Roland-Statue und an das Seume-Denkmal anknüpfen.
Gerade heute ist es sinnvoll, an den Mut derjenigen zu erinnern, die mit ihrem Leben dafür eintraten, dass Krieg aufhört, Frieden gesichert und Humanität zur Grundlage gesellschaftlicher Ordnung wird.
Der Bremer Heinrich Vogeler ist ein Beispiel dafür, wie ein Mensch von einem Kriegsfreiwilligen zu einem überzeugten Pazifisten und Humanisten wird. Der Ernst macht, seine christlich-humanen Vorstellungen in seinem Leben und dem Leben der Gesellschaft zu verwirklichen. Sein ganzes Leben, sein künstlerisches Vermögen stellte er nach seinen Kriegserlebnissen in diesen Dienst. Dass seine Utopie an der geschichtlichen Wirklichkeit scheiterte, darf nicht zur Resignation führen, diese Ziele aufzugeben, im Gegenteil.
Ein Denkmal für Heinrich Vogeler wäre ein Zeichen mitten in Bremen, dem Dom benachbart, ist doch sein „Märchen vom lieben Gott“ die Allegorie für Frieden und Humanität.
Die Güldenkammer im Rathaus ist sein Jugendstilvermächtnis. Sein Lebenswerk zu würdigen, wäre das Symbol für eine bessere Welt. Ein Denkmal für Heinrich Vogeler stünde Bremen gut an. Eigentlich ist es überfällig.
Helmut Donat, Verleger
Nachtrag: Im Donat Verlag erschienen:
Siegfried Bresler, Auf der Suche nach einer besseren Welt – Heinrich Vogeler 1872-1942
Bernd Stenzig, Märchen vom lieben Gott – Heinrich Vogelers Friedensappell 1918 an den Kaiser
Bernd Küster, Das Barkenhoff-Buch“
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Liebe Leserschaft, ja ich weiß: war erneut viel Text. Aber: Ich habe diesen nicht gekürzt, weil er Heinrich Vogeler (zumindest für Nicht-Kenner) in seiner unbekannten Vielfalt und seinem Anliegen darstellt.
Außerdem: Ich empfehle Ihnen heute den Besuch des „Ostermarsches“ (Sonnabend, 11 bis 13 Uhr); ausgehend vom Friedenstunnel zum Marktplatz. Meine Erfahrung lehrt mich, sich solche Veranstaltungen besser selbst anzuschauen und anzuhören, statt sich auf häufig sehr rudimentäre Berichterstattungen zu verlassen. Leider!
Abschließend, wie schon gesagt: Am Ostersonntag erwartet Sie ein weiterer interessanter Fremdtext in Form eines Gastkommentars.
Munter bleiben!
Herzlichst
Ihr Axel Schuller
Ich habe nach dem Lesen dieser Zeilen immer noch den Mut, „NEIN“ zu sagen! Nein zur Unterwerfung der Ukraine. Natürlich gibt es die Menschen, die „reif sind zur großen Liebe“, aber es gibt auch die anderen, gnadenlos und ohne Empathie.
Wer legt denn in der Ukraine „einst blühende Städte noch mehr in Schutt und Asche“? Unsere Waffen sind es nicht.
Ich lese von Helmut Donat den Satz „Dresden war die Antwort auf Coventry.“
Habe ich den Satz nicht verstanden oder deute ich ihn richtig – Helmut Donat, unser Helmut Donat, ein braver Bürger, ein lebenserfahrener Mann, ein Intellektueller, gar ein Pazifist, rechtfertigt die Bombardierung von Dresden mit dem lapidaren Hinweis, sie ja (nur) eine „Antwort auf Coventry“? Sozusagen „geschah das den Einwohnern von Dresden und den Flüchtlingen dort ganz recht!“; eben „selbst in Schuld!“, wie der Bremer sagt. Oder heißt es hier „Rache ist Blutwurst“?! Das wäre m. E. bestenfalls pubertär, ist eher klassisch militaristisch und allemal Hysterie.
(Wo ist mein lieber und kluger Helmut Donat geblieben?! Wir kennen uns seit 55 Jahren).
Im Übrigen lese ich dazu im Internet: „Nachdem in den 50er Jahren zunächst die Kirchen von Coventry und Dresden Kontakte knüpften und die Menschen zur Versöhnung aufriefen, besiegelten im Februar 1959 die Städte ihren Partnerschaftsvertrag. Coventry ist somit Dresdens älteste Schwesterstadt.“
„sich für eine russisch-ukrainische Verständigung einzusetzen“ – wie bitte schön soll das denn genau aussehen? Lichterketten und Mahnwachen? Friedens- oder doch eher Kapitulationsvorschläge? Derzeit gelingt es ja nicht mal einem der mächtigsten Männer der Welt, sich da auch nur einen Millimeter einzubringen.
Bei mehreren hundertausend getöteten russischen Soldaten wäre die einzige Friedensbewegung, die etwas bewegen könnte, die russische. Aber die wandert ja sofort in den Gulag. Unsere Freiheit von heute ist leider kein Ergebnis von Lichterketten und Mahnwachen. Sie wurde erkämpft und sie muss verteidigt werden.
Wer in einem über drei Jahre andauernden bewaffneten Konflikt nicht für eine Verständigung der Kontrahenten, sondern für das Gegenteil eintritt, plädiert dafür, Elend und Zerstörung, Tod und Verderben fortzusetzen. Das Desaster am Hindukusch, in dem Deutschland nicht verteidigt wurde, wie es auch jetzt in der Ukraine nicht der Fall ist, hat offenbar nicht gereicht, den Glauben an die Allmacht des Schwertes und der Gewalt zu erschüttern – abgesehen davon, dass weder das Russland des Zarenreiches noch das der Sowjetunion den Frieden in Europa bedroht haben. Der Kriegsfaktor par excellence im Europa des 20. Jahrhunderts waren die deutschen herrschenden Kreise und jene Teile des Volkes, die ihnen gefolgt sind. Dem Sieg der Alliierten ist in erster Linie die lange Friedensperiode nach 1945 zu verdanken, und die Völker atmeten auf, weil die deutsche Militärmaschinerie nicht mehr in der Lage war, Unheil anzurichten.
Die 27 Millionen toten Russen des Zweiten Weltkrieg sind eine Mahnung, nicht erneut einer „Russenfurcht“ das Wort zu reden, die uns selbst mehr bedroht, als es Vielen bewusst sein mag. Das gehört zum Vermächtnis Heinrich Vogelers. Die geistigen und politischen Führer des deutschen Volkes scheinen nicht bereit und fähig zu sein, das Lügensystem solcher Propaganda zu erkennen und ihr vorurteilslos auf den Grund zu gehen. Sie wollen nicht wahrhaben, dass der Ukrainekrieg verhinderbar gewesen wäre. Statt sich gründlich und furchtlos mit der Frage auseinanderzusetzen, welche Mitverantwortung auch sie an dem Unglück tragen, reden sie sich und dem Volk ein, dies sei weder nötig noch gebe es dazu einen Anlass. Es steht zu befürchten, dass für solche Politiker ein solcher Zeitpunkt niemals kommt und dass Deutschland zur Zeit keine gefährlicheren Feinde hat als diejenigen, die ihm einreden wollen, die Russen stünden in wenigen Jahren vor dem Brandenburger Tor.
Die Verlautbarungen zu einer neuen „Kriegstüchtigkeit“ gehen einher mit dem Aufbau einer Bedrohungskulisse, die dem Einkreisungsspuk aus den Jahren vor 1914 entspricht sowie mit einer Militarisierung der Gesellschaft und der Gehirne ohnegleichen, die nahezu jeden Tag weitere Blüten treibt und das traditionell negative Pazifismus-Bild in der öffentlichen Meinung bekräftigt. Die Freiheit der Deutschen ist nicht zuletzt von der Roten Armee erkämpft worden. Die Nachfahren der russischen Opfer vom Gedenktag am 8. Mai auszuschließen, ist ein Zeichen der Undankbarkeit.
Zu Martin Korol. Der deutsche Bürger hat bereits im Ersten Weltkrieg die Luft- und Zeppelinangriffe auf die „Festung London“ den Engländern von Herzen gegönnt – und konnte sich nicht genug entrüsten, als ihm mit gleicher Waffe heimgezahlt worden ist. Da war dann die Rede von der „zwecklosen Grausamkeit dieses Überfalles auf eine friedliche unbefestigte Stadt“. Es darf nicht vergessen werden, dass die Hauptschuld für die schlimmsten Verbrechen und Wirkungen des Zweiten Weltkriegs diejenigen deutschen Kreise trifft, die von Beginn an die Brutalität, Grausamkeit, Mordlust und Ausrottungsstrategien unvorstellbaren Ausmaßes in die Länder des Feindes getragen haben. Statt sich der nationalen Gewissenserforschung und dem politisch-moralischen Problem der Wiedergutmachung zu stellen, haben sehr viele Deutsche nach 1918 und 1945 die „Unfähigkeit“ und den Unwillen „zu trauern“ vor sich hergetragen. Es gehört zu den ehernen Tatsachen, dass die Grundsätze der deutschen Kriegsführung untrennbar mit einer Vernichtungspolitik verbunden gewesen sind, die ihresgleichen sucht. Martin K. sieht nicht oder will nicht sehen, dass die Deutschen selbst es waren, die nicht zuletzt den Schuldlosen unter ihnen die furchtbaren Folgen für das aufgebürdet haben, was von ihren politischen und militärischen Führern in den beiden Weltkriegen den feindlichen Völkern an verblendeten, bestialischen und barbarischen Übergriffen aufgehalst worden ist. Es sei daher an die Einsicht des deutschen Historikers Arnold Bergsträsser aus dem Jahre 1955 erinnert: „Die Methoden der Politik, die mit der Katastrophe des Zweiten Weltkrieges auf uns angewandt worden sind, hat das nationalsozialistische Deutschland zuerst in die Politik eingeführt, und es steht uns schlecht an, darüber zu klagen, dass sie in den Händen anderer wirksamer waren als in den unseren.“ Erinnert sei auch daran, dass ein deutscher protestantischer Theologe die Versenkung des Passagierschiffes Lusitania im Mai 1915 durch ein deutsches U-Boot, bei der fast 1200 Menschen ihr Leben verloren, als „erhebendes Zeugnis deutscher Wehrkraft“ rühmte. Und Wilhelm Muehlon, bis 1914 Krupp-Direktor und angesichts der Raub- und Annexionsgier von Vertretern der Schwerindustrie immer mehr ein „Fremder im eigenen Land“, warnte im Sommer 1918: „Als Deutscher würde ich nur von der deutschen Schuld sprechen, auch wenn sie nicht die größte wäre. Aber sie ist die größte, was den Ausbruch und die Führung dieses Krieges anlangt. Könnte es hierüber zwei Meinungen geben, so hätten die Menschen keinen gemeinsamen inneren Maßstab und wären zu ewiger Verwirrung ihrer Gewissen verdammt.“
Es ist zu fragen, ob wir auf einem Weg sind, der das Volk in eine Art von „moral insanity“ versetzt. Deutschland als Führungsmacht auf der Basis eines vereinigten Europas mit einer Speerspitze gegen Russland? Wer so etwas im Ernst vorschlägt, erneuert alte Wahngebilde. Wer glaubt, das russische Problem und das des Ukrainekrieges mit Hilfe deutschen Kriegspotentials zu lösen, „wird“, so Friedrich Wilhelm Foerster bereits im Jahr 1946, „elendig umkommen, denn er ruft unberechenbare Gewalten auf die Bühne, die letzten Endes die Atombombe verwenden und damit den letzten Akt der menschlichen Tragödie auf Erden inszenieren werden.“
Es spricht für sich, dass die Kritiker kein Wort zu Heinrich Vogeler sagen.
Interessant! Aber bitte eins nach dem anderen. Soll der Satz „Dresden war die Antwort auf Coventry“ stehenbleiben – oder doch nicht? Der Sache gehen wir nach. Bei WIKIPEDIA heißt es z.B.: August 1944. Rund 500 Bomber werfen 68 Minenbomben, 2323 Spreng-, 10800 Phosphor- und 108000 Stabbrandbomben. Betroffen werden vornehmlich die „Steffensstadt“, der südliche und nördliche Stadtteil, das Hafengebiet und der Westen unserer Stadt (bis zum Waller Ring).“
Also meine Frage: Hatten die Menschen in Walle so wie die Menschen in Dresden es verdient, bombardiert zu werden?
Ich bin ja gespannt auf die Antwort.
Lieber Helmut Donat, lieber Axel Schuller,
wenn man von einem bremischen Bürgermeister durch das Rathaus geführt wird, kommt man in die Güldenkammer und ist nur noch beeindruckt. Aber seine politische Basis, die Konversion zum Pazifismus durch die bittersten Erfahrungen des 1.Weltkrieges, teilte er doch von so vielen Menschen und ist das Entscheidende. Die ersten Enttäuschungen erlebte er bereits während der Räterepublik, wo die Gerstenberger und Major Caspari im Auftrag von F.Ebert und G.Noske auf die eigenen Leute schießen ließ – siehe das hervorragende Buch von Siegfried Bresler im Donat Verlag, wo sonst? Diesen Herrschenden war natürlich der Pazifismus ein Dorn im Auge. Pacem facere – den Frieden machen, ist doch eine ungleich schwierigere, komplexe Aufgabe. Dafür bilden wir hoffentlich Diplomaten aus, dass sie interkulturelle Kompetenz, Sprachen, argumentatives Geschick und viel kulturelles und historisch präzises Wissen miteinander verbinden, und mehr Töchter und Söhne aus den unteren sozialen Schichten des Volkes dafür gewinnen! Vogeler kann uns – bei allen Fehlern, die er gemacht haben mag –
lehren, dass Verständigung und Diplomatie die einzig richtige Antwort sind, auch in schier ausweglosen Situationen. Vor allem Hände weg von Vorstellungen eines „Siegfriedens“ – das geht immer schief, siehe Ukraine..
Willy Brandt hatte im schwierigen Jahr 1968 (Intervention des Warschauer Pakts in die CSSR) den Mut, an seiner Politik von Frieden, Ausgleich und Entspannung, Abrüstung festzuhalten und im Jahr drauf begonnen, das umzusetzen. – die deutsche Rechte schrieb u.a., Teile davon waren in der CDU/CSU: „Brandt an die Wand“ (NPD).
Holen wir also den Heinrich Vogeler aus der Güldenkammer und stellen ihn mit einem würdigen Denkmal , möglichst gegenüber dem eisernen Kanzler Bismarck, eine Persönlichkeit des Friedens und der sozialen Gerechtigkeit gegenüber. Was für ein Zeichen in dieser friedlosen Welt!
Vielen Dank lieber Helmut Donat, für diese Initiative, ich werde mich beteiligen
Was soll die Suggestivfrage? In meinem Kommentar ist bereits alles Wesentliche dazu gesagt. Erst wie ein Elefant im Porzellanladen herumtrampeln, morden, plündern, brandschatzen, ausrotten, sich zum Herrenmenschen erklären und das Unrecht zum Recht erheben – und dann, wenn es schief gelaufen ist, in Watte gepackt werden zu wollen und abzulenken auf – welch ein törichter Umgang mit schwerwiegenden Problemen – die Splitter im fremden Auge, statt die Balken im eigenen zu sehen. Der Krieg war lange vor dem 8. Mai 1945 verloren. Warum haben die Deutschen nicht früher kapituliert? Dresden wäre verschont geblieben. Und: Haben die 27 Millionen Russen es verdient, ihr Leben zu verlieren?
Heinrich Vogeler war einer der ganz großen Künstler, der sich gesellschaftlich und politisch engagierte und nicht vor allem seinen persönlichen Ruhm erhöhen wollte. Es wäre ein gutes und längst überfalliges Zeichen für Frieden und soziale Gerechtigkeit, wenn Bremen an zentralem Ort ein würdiges Denkmal für ihn setzen würde.
Heinrich Vogeler verdient ein würdiges Denkmal mitten in Bremen – für sein Gesamtwerk ebenso wie für seine soziale und pazifistische Haltung.
Das verdienen auch der Friedensnobelpreisträger und gebürtige Bremer Historiker Ludwig Quidde
und zumal mit Josef Kastein (alias Julius Katzenstein) ein Bremer Jurist, der in den 1930er Jahren ein weltweit bekannter jüdischer Schriftsteller wurde (u.a. mit der bei Rowohlt publizierten „Geschichte der Juden“). Siehe https://www.deutsche-biographie.de