Dokumentation: Warnung vor Horror-Waffen in Deutschland
Liebe Leserschaft, sage niemand, er/sie hätte nichts gewusst. Neue Horror-Waffen in West und Ost werden bis zum Einschlag beim Gegner so wenig Zeit benötigen, dass dem „Betroffenen“ fast keine Reaktionszeit bleibt. Die Chance, einen etwaigen Fehler des Vorwarnsystems zu erkennen, geht gegen Null. Daraus resultiert die Gefahr einer möglichen Falsch-Reaktion. Der SPD-Bürgerschaftsabgeordnete Arno Gottschalk hat darauf in seiner Rede bei der gestrigen Ostermarsch-Kundgebung eindringlich hingewiesen.
Die online-Berichterstattung der heimischen Medien über den Bremer Ostermarsch war (ohne jeden inhaltlichen Hinweis auf die Reden) so inhaltsleer, dass ich mich kurzerhand entschieden habe, Gottschalks Rede zu dokumentieren.
Liebe Leserschaft, bitte lesen Sie den Text auch, selbst wenn Sie der festen Meinung sein sollten: „Der Russe“ ist der alleine Übeltäter.“ Nach meiner Erfahrung lohnt es sich immer, den eigenen Horizont zu weiten!
Außerdem: Ich verspreche Ihnen, dass ich nach dem Donat-Text zugunsten eines Vogeler-Denkmals, nach dem Gastkommentar des BDZV-Vorstandsvorsitzenden Matthias Ditzen-Blanke und der Bedrohungs-Analyse von Arno Gottschalk im Laufe der Woche wieder einen eigenen, einen „echten“ Schuller-Blog, veröffentlichen werde.
Jetzt aber zu Gottschalks Analyse der furchterregenden Waffensysteme.
ZITAT-Anfang
„Ab 2026 wird auf deutschem Boden wieder stationiert – nicht Frieden, sondern Feuerkraft.
Vielen kaum bekannt, aber längst in Vorbereitung: Die USA wollen ab 2026 erneut Mittelstreckenraketen in Deutschland stationieren. Nicht an einem bestimmten Ort, sondern mobil und vom Gegner schwer zu orten.
Zunächst geht es um neue Abwehr- und Angriffs-Raketen. Mit Reichweiten von 500 bis 750 Kilometern – damit liegt Kaliningrad in direkter Reichweite.
Auch die landgestützten Tomahawk-Marschflugkörper kehren zurück – jetzt mit Reichweiten von über 2.000 Kilometern – bis nach Moskau und darüber hinaus.
Und danach: Neuartige Hyperschallraketen, mehrfach schneller als der Schall – mit einer Reichweite bis weit hinter den Ural und
einer Geschwindigkeit von 20.000 km in der Stunde.
Viele werden sich fragen: Ist das wie in den 1980er-Jahren? Wie bei Pershing II und Cruise Missiles?
Nein. Das ist es nicht.
Damals war das Ziel Moskau – jetzt geht es bis über den Ural hinaus.
Die Pershing brauchte 15 Minuten – heute reden wir über die Hälfte der Zeit.
Es ist nicht wie damals. Es ist viel gefährlicher.
Viele sagen: Diese neuen Raketen kommen, weil Russland aufrüstet.
Weil Moskau Raketen in Kaliningrad stationiert hat.
Weil man darauf reagieren müsse.
Aber das ist nicht die Wahrheit.
Die Wahrheit ist:
Diese Mittelstreckenraketen – und die Militärdoktrin, die hinter ihnen steht – wurden ursprünglich gegen China entwickelt.
Und nicht nur das.
Die USA bauen ein weltweites Netz dieser Raketen auf – fünf Einheiten gleichzeitig.
Zwei davon in Ostasien – mit Blick auf China.
Eine in der Arktis – mit Blick auf den Norden.
Eine in den USA – schnell verlegbar, überall einsetzbar.
Und eine in Europa. In Deutschland.
Es geht also nicht um eine Reaktion auf russische Iskander.
Es geht um ein strategisches Großprojekt, das die Gegner der USA von den Rändern des eurasischen Doppelkontinents ins Visier nimmt – China im Osten, Russland im Westen.
Was steht hinter all dem?
Hinter den neuen Raketen, hinter der Aufrüstung, hinter der weltweiten Neuausrichtung der Streitkräfte?
Dahinter steht ein grundlegender Wandel im militärischen Denken. Ein Wandel, der sich unterhalb der öffentlichen Wahrnehmung vollzieht.
Früher lautete die zentrale Frage:
Wie kann ein Krieg verhindert werden?
Heute lautet die Frage zunehmend:
Wie kann ein Krieg gewonnen werden?
Und genau das beschäftigt die Militärs mehr denn je:
Wie gewinnt man einen Krieg – gegen Russland oder China?
Und was sind die Antworten?
Erstens:
Die gesamte Gesellschaft muss auf Krieg vorbereitet werden.
Nicht nur die Armee – sondern Schulen, Krankenhäuser, Verwaltungen, Katastrophenschutz, Energieversorgung.
Alles soll funktionieren, auch im Ausnahmezustand.
Und vor allem:
Die Köpfe der Menschen müssen mitziehen.
Denn im Zeitalter der Information – so heißt es – werden die Kriege in den Köpfen gewonnen!
Zweitens:
Krieg findet nicht mehr nur auf den klassischen Schlachtfeldern statt.
Sondern in allen Dimensionen:
auf dem Land, zur See, in der Luft, im Weltraum, in digitalen Räumen, in Informationsräumen – und in den Köpfen der Menschen.
Diese neue Doktrin heißt: „Multi Domain Warfare“ –
Krieg in vielen Dimensionen gleichzeitig.
Integriert. Und total.
Drittens:
Militärische Überlegenheit muss durch technologische Überlegenheit gewonnen werden.
Wer die moderneren Systeme hat, gewinnt den Krieg.
Drohnen, Satelliten, Hyperschallwaffen, elektronische Kampfführung – und vor allem: mehr und mehr Künstliche Intelligenz.
Um in Sekunden Millionen von Daten auszuwerten, Ziele zu priorisieren und Entscheidungen vorbereiten.
Auf einem Schlachtfeld, das vollständig vernetzt ist – digital, global, in Echtzeit.
Und Viertens:
Geschwindigkeit entscheidet.
Das A und O des neuen Denkens heißt:
Schneller sein als der Gegner.
Schneller erkennen, schneller entscheiden, schneller bewegen – und schneller zuschlagen.
Dem Gegner immer einen Schritt voraus.
So schnell handeln, dass er nicht mehr reagieren kann.
Das ist die neue Vision.
Und die Logik, die das Streben nach Siegfähigkeit antreibt.
Und welche Rolle spielt Deutschland in dieser Strategie?
Deutschland ist darin eine doppelte Rolle zugedacht.
Zum einen:
Deutschland soll zur logistischen Drehscheibe werden –
für schnelle Truppenverlegungen und für den militärischen Nachschub in Richtung Osten.
Deshalb wird demnächst geplant, gebaut und angepasst:
Straßen, Brücken, Bahnhöfe, Häfen, Flughäfen – alles soll kriegstauglich werden.
Schwertransporte müssen rollen, Kampfbrigaden verlegt, Versorgungslinien gesichert werden – quer durch die Republik, in kürzester Zeit, jederzeit.
Zum anderen – und das ist der sensiblere Punkt:
Deutschland soll Standort der neuen Mittelstreckenraketen werden.
Und diese Raketen sind nicht nur ein System unter anderen.
Sie sind die Speerspitze der neuen militärischen Doktrin.
Ihre Aufgabe:
Tief in das gegnerische Gebiet hineinzuwirken.
Dort, wo strategisch wichtige Ziele liegen – Kommandozentralen, Nachschubwege, Munitionslager, Kommunikationsknoten.
Sie sollen den Gegner treffen, noch bevor er seine Kräfte entfalten kann.
Ihn im Inneren schwächen – damit er an der Front gar nicht mehr richtig kämpfen kann.
Und entscheidend ist – auch hier – wieder eines:
Schneller sein als der Gegner.
Früher erkennen. Früher entscheiden. Früher zuschlagen.
So schnell, dass der Gegner nicht mehr reagieren kann.
Und das mit großer Wucht.
Denn nach dieser Logik gilt:
Entscheidend für den Ausgang eines Krieges – sind die ersten Schlachten.
Und was heißt all das für unser Land?
Wenn Deutschland zum Stationierungsort wird –
wird Deutschland auch zum Ziel.
Das ist keine Panikmache.
Das ist die logische Konsequenz.
Wer in der Lage ist, den ersten Schlag zu führen, muss damit rechnen, als Erstes ausgeschaltet zu werden.
Gerade wenn es um Hyperschallraketen geht, gegen die es kaum noch Reaktionszeit gibt.
Und unsere Situation ist noch misslicher:
Deutschland trägt das Risiko – und zwar allein.
Denn nur hier sollen die Mittelstreckenraketen in Europa stationiert werden.
Gleichzeitig hat Deutschland keinerlei Einfluss auf ihren Einsatz.
Es sind amerikanische Raketen – und das Kommando liegt ausschließlich beim Präsidenten der Vereinigten Staaten.
Das Risiko liegt bei uns.
Die Entscheidung liegt woanders.
Schlechter kann man Verantwortung kaum verteilen.
Noch ist das alles nicht Realität. Aber die Vorbereitungen laufen.
Und deshalb fordere ich:
Wehren wir uns gegen die Panikmache bei der militärischen Bedrohung!
Wehren wir uns gegen das Kriegstüchtigmachen der ganzen Gesellschaft!
Wehren wir uns gegen maßlose Aufrüstung zu Lasten von Bildung, Klima und Gesundheit!
Und wehren wir uns gegen die Speerspitze dieses Aufrüstungswahnsinns:
Wehren wir uns – mit ganzer Macht – gegen die Stationierung neuer Mittelstreckenraketen in Deutschland!“
ZITAT Ende
Liebe Leserschaft, verstehen Sie jetzt, weshalb ich diesen Text als Doku einschieben „musste“?
Munter bleiben!
Herzlichst
Ihr Axel Schuller
Nein, ich verstehe nicht, lieber Axel Schuller, weshalb Sie diesen Text als Doku einschieben mussten. Könnten Sie Ihre Meinung zukünftig bitte kürzer auf den Punkt bringen! Mir wird das aber nichts mehr bringen, denn ich verstehe immer weniger, weshalb ich ihr Leser werden musste. Ich kapituliere.
Es ist die alte Leier der linken Sozen! Fürchterlich! Der geschäftsführende Kanzler hat als Oberjuso in den 80er Jahren versucht Friedenspolitik mit der SED (= u.a. Erich Mielke, Honnecker etcpp) gegen Nato und USA zu machen. Wesentliche Teile der Friedenbewegung wurden seinerzeit von SED abhängigen Organisationen geführt, wie DKP, Deutsche Friedensunion DFU etc. Nach der Wende ist das ganze finanzielle Ausmaß und die Abhängigkeiten belegbar herausgekommen. Die Kumpanei mit Diktaturen gegen Demokraten hat Tradition, In den 70er und 80er Jahren sollten dadurch die Demokratien destabilisiert werden, um die Verteidungsfähigkeit gegen den Herrschaftsanspruch des Warschauer Pakts zu deligitimieren. Dies ist nach wie vor die DNA dieser alten Leier, die der Genosse Gottschalk abklappert. Der Westen (die Demokratien, sic!) ist böse und will Moskau angreifen! – Unglaublich! Das alte Gift wird weiter versprüht.
Die Sorge um Frieden ist berechtigt – und sie sollte uns alle umtreiben. Doch wer über Sicherheitspolitik spricht, sollte auch die gesamte Lage im Blick behalten. Die Darstellung, dass die Stationierung neuer Waffensysteme auf deutschem Boden eine einseitige Eskalation sei, greift zu kurz und lässt entscheidende Fakten außer Acht.
1. Warum wird aufgerüstet?
Nicht als erster Schritt, sondern als Reaktion: Russland hat in den vergangenen Jahren die europäische Sicherheitsordnung systematisch untergraben – durch die völkerrechtswidrige Annexion der Krim, den Angriffskrieg gegen die Ukraine und die Stationierung nuklearfähiger Iskander-Raketen in Kaliningrad. Auch China verfolgt offen hegemoniale Ambitionen im Indo-Pazifik und modernisiert massiv sein Arsenal. Die USA und ihre Partner reagieren nicht aus Aggression, sondern aus Notwendigkeit.
2. Verteidigung ist kein Angriff
Die geplanten Systeme sind Teil einer strategischen Abschreckung – keine Erstschlagswaffen. Abschreckung funktioniert nur, wenn sie glaubwürdig ist. Wer verhindern will, dass autoritäre Regime Gewalt als Mittel der Politik einsetzen, muss ihnen klare Grenzen aufzeigen. Dazu gehört auch militärische Stärke – nicht als Ziel, sondern als Mittel, Frieden zu erhalten.
3. Deutschland trägt Verantwortung – und Verantwortung braucht Schutz
Ja, Deutschland wird logistische Drehscheibe, Teil eines gemeinsamen Sicherheitssystems. Doch das ist nicht fremdbestimmt, sondern selbstgewählt. Als Teil der NATO hat Deutschland Einfluss auf Planung, Strategie und Einsatz.
4. Demokratie muss wehrhaft sein
Das Ziel ist nicht die „kriegstüchtige Gesellschaft“, sondern eine widerstandsfähige Gesellschaft. Resilienz – also die Fähigkeit, auf Krisen vorbereitet zu sein – ist keine Militarisierung, sondern gesunder Menschenverstand. Die Welt ist nicht mehr die der 1980er-Jahre. Cyberangriffe, Desinformationskampagnen, hybride Bedrohungen – all das erfordert neue Antworten.
5. Frieden durch Dialog – aber aus einer Position der Stärke
Wer auf Diplomatie setzt, darf Abschreckung nicht ausschließen. Frieden ist nicht nur die Abwesenheit von Krieg, sondern das Ergebnis von Sicherheit, Stabilität und Verlässlichkeit. Wer einseitig abrüstet, wird nicht zum Vorbild, sondern zum Risiko – für sich selbst und für seine Partner.
Niemand will eine neue Rüstungsspirale. Doch wer Freiheit, Demokratie und Sicherheit bewahren will, muss bereit sein, sie auch zu verteidigen. Nicht aus Lust am Krieg – sondern aus Pflicht zum Frieden.
Verehrter Herr Schoch, Herr Schuller hat nicht seine eigene Meinung kundgetan, sondern die von Arno Gottschalk. Die Rede, die ich als Zuhörer auf dem Marktplatz rhetorisch ungewöhnlich gut fand, war nun einmal so lang (eigentlich kurz und auf den Punkt kommend) wie sie war. Da sie weder bei BuBi noch im Weserkurier Gefahr läuft, Beachtung zu finden, können wir Herrn Schuller nur dankbar sein, dass er zu einem ausgewogenen Meinungsbild beiträgt – leider mit einer geringeren Reichweite als der Weserkurier. In diesem reproduziert Markus Peters zum Osterwochenende in einem „Essay“ die bekannten Argumente zur Aufrüstung: Russland in der Ukraine übermächtig, aber dennoch relativ erfolglos, Deutschland verlassen von seiner amerikanischen Schutzmacht, Russland zwar in der Ukraine nicht vorankommend, aber dennoch voller Appetit auf das Baltikum, Georgien, Moldau und Rumänien, Gaskäufe darf es nicht geben, weil eine Bestätigung russischer imperialer Ambitionen, unsere Aufrüstung trägt dazu bei, den Preis für militärische Aggression in astronomische Höhen zu treiben. Es ist doch schön, wenn solchen in sich wenig schlüssigen Beiträgen solch logisch konsistenten wie der von Arno Gottschalk gegenübergestellt werden.
Herr Kunkel, danke für die Erinnerung, wusste doch schon Konrad Adenauer von allen, die seine bedingungslose Westintegration nicht mitmachen wollten: Alle Wege führen nach Moskau. Nichts Neues unter der Sonne!
Antwort 1 auf Herrn Meine
Vorweg einen Dank an Herrn Schuller, dass er meine Rede dokumentiert. Viele Menschen hierzulande finden es richtig, dass mehr Geld für Militär und Rüstung ausgegeben werden soll. Nur eine kleine Minderheit dürfte aber genauer wissen, was NATO und Bundeswehr in den kommenden Jahren eigentlich konkret planen und welche Strategie dahintersteht. Oder warum die USA neue – eigene – Raketen aufstellen wollen. Wir brauchen aber eine breite und offene Diskussion darüber, denn es geht um viel.
Zu Herrn Meine zunächst: Die Aufstellung der neuen Raketen war schon vor dem Krieg in der Ukraine geplant. Das Vorauskommando für die Raketen ist bereits seit 2021 in Wiesbaden – ohne dass darüber berichtet wurde.
Die neuen Mittelstreckenraketen sind auch keine Antwort auf die Iskander-Raketen in Kaliningrad. Ich habe das an anderer Stelle darzustellen versucht. Leider kann ich den Link hier nicht setzen. Sie finden den Beitrag, wenn Sie „Fie neuen US-Raketen sind keine Antwort auf die russischen Iskander“ bei Google eingeben.
Im übrigen stehen den Iskander bereits genügend Marschflugkörper auf US-Atombooten im Atlantik gegenüber, die tatsächlich so etwas wie eine Abschreckfunktion via Vergeltung leisten können.
Antwort 2 an Herrn Meine
Herr Meine hält die neuen Mittelstreckenraketen für eine „strategische Abschreckung“. Unklar bleibt, welche Vorstellung er dabei hat. Abschreckung auf der obersten atomaren Interkontinentalebene heißt: Wer zuerst schießt stirbt als zweiter. Die neuen Mittelstreckenraketen sind aber nicht in dem Sinne eine Waffe für den Zweitschlag. Dafür sind schon die Flugzeiten in Europa zu kurz.
Die offizielle Darstellung für ihre Verwendung geht ungefähr so: Russland greift ein NATO-Land an und daraufhin werden die Raketen eingesetzt, um die im Hinterland liegen strategischen. Kommando- und Nachschubstrukturen des Gegners zu zerstören. Das passt so weit zur Abschreckungsvorstellung, bedeutet aber Ersteinsatz der Raketen.
Der Punkt ist nun der, dass diese Fähigkeit auch selbst offensiv genutzt werden könnte – und genau das die russische Seite annehmen wird. Damit hat sie aber das Interesse, in einem Spannungsfall den amerikanischen Mittelstreckenraketen zuvor zu kommen.
Genau das ist das Problem: das es in einem Spannungsfall zu einem Wettlauf kommt, wer zuerst agiert! Gerade bei Flugzeiten von Raketen, bei denen es kaum noch Reaktionszeiten gibt.
Im Übrigen gibt es von „Abschreckung“ zwei Verständnisversionen: eine defensive und eine offensive. Letztere bedeutet praktisch, mit Drohungen die eigenen Interessen durchzusetzen.. Welche Version verfolgt der Oberkommandierende der neuen Raketen, der amerikanische Präsident?
Antwort 3 auf Herrn Meine
Herr Meine hält die Vorbereitung der Gesellschaft auf einen möglichen Krieg für eine Resilienz-Maßnahme und gesunden Menschenverstand.
Dies setzt allerdings voraus, dass man daran glaubt, einen Krieg gewinnen zu können. So hat man das früher sicherlich nicht gesehen.
Zudem ist zu fragen, von welcher Art Krieg denn die Rede ist? Russland ist nicht in der Lage, Deutschland konventionell anzugreifen. Die Fähigkeit über so weite Strecken riesige Heeresverbände erfolgreich zu verlegen und zu versorgen, besitzt das Land nicht. Was Russland allerdings könnte, wäre: Deutschland in eine atomare Wüste zu verwandeln. – Von welcher Resilienz und welchem gesunden Menschenverstand sollte man angesichts eines solchen Szenarios sprechen.
Fazit: Die offiziellen Darstellungen dazu geben keinen Sinn.
Dokumentation ist zulässig. Jede Meinung kann und soll gehört werden. Nachvollziehbar ist die Position von Herrn Gottschalk deshalb noch längst nicht. Man muss – wenn man im Jahr 2025 wirklich Frieden will – die imperiale Logik von Putins Russland kritisieren. Die vollständige Militarisierung vom Schüler zur Großmutter. Man muss Chinas Rolle kritisieren, das den Konflikt im Pazifik förmlich sucht. Und man müsste die Einheit des Westen beschwören, der die Freiheit hochhält. Nichts von dem tut Herr Gottschalk. Damit stellt sich die Frage: Cui bono?
@ Arno Gottschalk:
Die Kritik greift zu kurz, weil sie eine veraltete Vorstellung von Abschreckung auf die heutige sicherheitspolitische Realität überträgt. Abschreckung funktioniert längst nicht mehr nur im Sinne eines gegenseitigen atomaren Zweitschlags mit Interkontinentalraketen. In einer multipolaren Welt mit asymmetrischen Bedrohungen braucht es flexible und abgestufte Fähigkeiten – und genau das leisten die neuen Mittelstreckenraketen.
Es stimmt: Die Flugzeiten in Europa sind kurz. Aber gerade deshalb sind diese Systeme so wichtig. Sie senden ein klares Signal: Ein Angriff auf ein NATO-Land – auch konventionell – wird ernsthafte Konsequenzen haben, nicht erst in ferner Theorie, sondern konkret, unmittelbar und mit operativer Reichweite auf kritische Infrastrukturen im gegnerischen Hinterland. Das ist glaubwürdige Abschreckung – nicht Eskalation um der Eskalation willen.
Dass die russische Seite „annehmen könnte“, die Systeme seien für einen offensiven Erstschlag gedacht, sagt mehr über das russische Denken als über die westliche Stationierungslogik. Glaubwürdige Abschreckung heißt eben auch: dem Gegner jede Hoffnung nehmen, mit einem schnellen Überraschungsschlag durchzukommen. Wer das als Provokation deutet, ignoriert die Realität russischer Militärdoktrinen.
Natürlich birgt jede Rüstungsmaßnahme Risiken. Aber nichts zu tun wäre riskanter. Abschreckung ist dann stabil, wenn sie glaubwürdig, abgestuft und politisch eingebettet ist. Die neuen Raketen sind ein Teil davon – nicht als Einladung zum Erstschlag, sondern als Versicherung gegen das Kalkül eines Gegners, der auf Schwäche hofft.
Die Vorstellung, Resilienz bedeute nur dann etwas, wenn man glaubt, einen Krieg „gewinnen“ zu können, verkennt den eigentlichen Sinn solcher Maßnahmen. Es geht nicht um Siegesgewissheit – es geht um Widerstandskraft, Handlungsfähigkeit und gesellschaftliche Stabilität in einer Lage, die man sich nicht ausgesucht hat, aber für die man gewappnet sein muss. Das ist kein Siegespathos, sondern schlicht verantwortliches Regierungshandeln.
Natürlich plant niemand in Berlin oder Brüssel, einen Krieg mit Russland zu „gewinnen“. Aber wer daraus folgert, dass Russland Deutschland schon deshalb nicht bedrohen könne, weil es keine Panzer durch Polen schicken kann, greift viel zu kurz. Moderne Kriegsführung braucht keine „riesigen Heeresverbände“ mehr, um einen Staat massiv unter Druck zu setzen – Cyberangriffe, hybride Operationen, gezielte Luftschläge oder begrenzte Eskalationen an den Rändern des Bündnisgebiets reichen, um die Gesellschaft ins Wanken zu bringen.
Genau deshalb ist Resilienz so zentral. Sie beginnt nicht mit der Panzerfaust, sondern mit funktionierender Infrastruktur, klaren Notfallplänen, gesicherter Kommunikation – und einem mentalen Bewusstsein in der Bevölkerung, dass Sicherheit keine Selbstverständlichkeit ist.
Das Argument mit der „atomaren Wüste“ ist rhetorisch wirksam, aber politisch irreführend. Wenn man jede Vorsorgemaßnahme mit dem Verweis auf totale Vernichtung delegitimiert, kann man auch den Katastrophenschutz einstellen – denn im schlimmsten Fall hilft er auch nicht. Aber Politik muss mit Wahrscheinlichkeiten arbeiten, nicht mit Extremen. Und in allen realistischeren Szenarien ist eine vorbereitete, resiliente Gesellschaft nicht naiv, sondern klug.
Kurz: Die offiziellen Darstellungen geben sehr wohl Sinn – wenn man bereit ist, die Wirklichkeit nüchtern zu betrachten, anstatt sie zynisch zu überzeichnen.
@Herr Schuller:
Dokumentation ist gut. Andere Meinungen darzustellen ist wichtig. Aber,
Wer mit Begriffen wie „Horror“ arbeitet, verschiebt die Debatte ins Alarmistische und trägt letztlich dazu bei, dass rationale Diskussionen über Verteidigung und Abschreckung in moralisierende Reflexe abgleiten. Genau das schwächt das, was eigentlich gestärkt werden müsste: die demokratische Fähigkeit, Gefahren realistisch zu benennen und ihnen klug zu begegnen.
Statt Panikmache oder martialischer Rhetorik sollte es um nüchterne sicherheitspolitische Analyse – und gerade nicht um Dämonisierung von Verteidigungsfähigkeiten gehen. Diese Art moralisierender Sprache ersetzt Argumente durch Affekte. Sie mag kurzfristig mobilisieren, verhindert aber langfristig die notwendige nüchterne Auseinandersetzung mit den realen sicherheitspolitischen Herausforderungen.
Ich empfehle Herrn Gottschalk vllt den einen oder anderen Austausch mit Roderich Kiesewetter. Ich mutmaße, selbst Helmut Schmidt würde wesentlich anders über dieses Kapitel denken. Würde vermutlich auch nichts an Ihrer Sichtweise ändern, oder Herr Gottschalk?
@ Tobias Hentze:
Zitat: „… Jede Meinung kann und soll gehört werden….“
Nein. Nicht jede „Meinung“ soll gehört werden. Es gibt „Meinungen“, die sind einfach dämlich, faschistisch, hetzerisch, verlogen. Manchmal sogar alles gemeinsam. Die muss man nicht hören, nicht akzeptieren. Die sind durch die Meinungsfreiheit gedeckt. Aber das ist es dann auch.
Man kann sie hören. Aber dann muss man dagegenhalten. Mit Sachkunde. Mit Klugheit. Mit Leidenschaft.
Wer sie hinnimmt, versündigt sich und macht die Dummen stark.
Ich habe den 2. Weltkrieg und seine Folgen noch bewusst miterlebt. Später war es die Auseinandersetzung zwischen Kommunismus und Kapitalismus. Diese Fronten gibt es heute nicht mehr. Russland ist kapitalistisch. Jeder ideologische Grund für einen Krieg ist weggefallen.
Heute geht es nur um Geld. Geld ist Macht. Aber selbst Psychopathen an der Spitze, die diese Macht verwalten, haben nur eine begrenzte Lebensdauer. Auch nur die Fiktion einer Demokratie lässt sich nicht durch Krieg aufrechterhalten. Der Aufbau einer neuen Kriegswirtschaft und die Projektion einer neuen Völkerfeindschaft wäre ein Sieg der Lobbyisten des Krieges und der 1. Schritt in den Abgrund.
Ich kann mir vorstellen in einem demokratischen Grosseuropa ohne ideologische Gegensätze zu leben. Ein Europa in dem Russland und auch die Türkei gleichberechtigt vertreten sind. Ein Europa in dem, wie in den USA, kein Staat die Führungsrolle anstrebt, in dem Deutschland und Frankreich lernen sich ein- und unterzuordnen. Ein Europa das, trotz oder wegen der Vielfalt der Länder, Völker, Religionen, Kulturen und historischen Erfahrungen, gemeinsam Frieden und wenigstens den Versuch der Einigkeit garantiert. Das ist besser als, wie nach 1945 (und heute in der Ukraine), in zerstörten Städten unsere Toten zu begraben und auf eine neue Zukunft zu hoffen, die jetzt schon wieder gefährdet scheint weil die Schrecken der Vergangenheit wieder in Vergessenheit geraten sind.
Der Genosse Gottschalk spricht eine knappe Woche nach dem Palmsonntagsmassaker von Sumy – 35 getötete Zivilisten, darunter Kinder und Kirchgänger – über Krieg und Frieden und dessen Bedrohung. Das tut er, ohne auch nur ein einziges Mal das Wort Ukraine zu verwenden. Diese beachtliche Verdrängungsleistung ist es durchaus wert, dokumentiert zu werden, da mag ich AS nicht widersprechen.
Herr Wagner, oder sollte ich angesichts Ihrer unverhohlenen Begeisterung für Taurus-Lieferungen an die UA besser zum Kameraden Wagner sprechen? Sei’s drum. AS dokumentiert nicht nur Verdrängungsleistung, wie Sie ihm attestieren. Viel wichtiger: Er stellt in seinem Blog die gedankliche Vielfalt her, an der es den intellektuell zumeist auf Marschkörperflughöhe navigierenden Kommentaren des WK zum Thema leider mangelt.
Nochmals zu Herrn Meine:
Seine Ausführungen zu „veralteten Vorstellungen von Abschreckung“ und deren moderneren Varianten greifen aus meiner Sicht zu kurz und vernachlässigen wichtige strategische Realitäten.
Im Bereich der strategischen Nuklearwaffen mit interkontinentaler Reichweite – also bei Systemen mit Flugzeiten von rund 30 Minuten – gilt nach wie vor das Prinzip der gesicherten gegenseitigen Vernichtung („Mutual Assured Destruction“). Oder alltagssprachlich: Wer zuerst schießt, stirbt als Zweiter. Diese Logik bildet bis heute das Fundament der strategischen Stabilität zwischen den USA und Russland.
Daraus leitet sich das zentrale Ziel beider Nuklearmächte ab: die Fähigkeit zum Zweitschlag unter allen Umständen aufrechtzuerhalten – das heißt: auch nach einem gegnerischen Angriff noch so reagieren zu können, dass ein potenzieller Erstschlag keinen Sinn ergibt.
Aus dieser Perspektive lässt sich nachvollziehen, warum die USA während der Kuba-Krise 1962 bereit waren, einen Weltkrieg zu riskieren – und warum Russland die zunehmende Annäherung der Ukraine an die NATO oder bilaterale Militärkooperationen mit den USA als Bedrohung wahrnimmt. Dabei geht es nicht nur um Einflusszonen, sondern um die Sorge, dass westliche Systeme – insbesondere Mittelstreckenraketen mit sehr kurzen Flugzeiten – die russische Zweitschlagsfähigkeit gefährden könnten. Das betrifft etwa Radar- und Kommandostrukturen, die bei einem plötzlichen Angriff möglicherweise ausgeschaltet wären, bevor ein Gegenschlag erfolgen kann.
Aus westlicher Sicht sind solche Raketen Teil einer flexiblen, abgestuften Abschreckung. Aus russischer Sicht jedoch stellen sie – insbesondere bei Stationierung nahe der russischen Grenze – ein potenzielles Erstschlagsinstrument dar. Ob diese Wahrnehmung als realistisch oder paranoid einzuschätzen ist, ändert nichts an ihrer Wirkung auf das russische strategische Denken. Und dieses Denken bestimmt letztlich das Verhalten der russischen Seite.
Problematisch ist daher die Vorstellung, dass US-Mittelstreckenraketen in Europa geeignet seien, Russland von einem Überraschungsschlag abzuhalten. Denn gerade bei neu entwickelten russischen Systemen wie der Hyperschallrakete „Oreschnik“ – sofern sie in Serie produziert würde – wären Flugzeiten so kurz und die Geschwindigkeit so hoch, dass bodengebundene US-Mittelstreckenraketen in Europa praktisch keine Reaktionszeit mehr hätten. Gegen diese Bedrohung können vor allem Systeme auf U-Booten im Atlantik – mit globaler Reichweite und hoher Überlebensfähigkeit – glaubwürdige Abschreckung bieten.
Vor diesem Hintergrund ist die abschreckende Wirkung der neuen US-Mittelstreckenraketen mindestens fraglich. Ihr militärischer Nutzen in einem Szenario mit Hyperschallwaffen ist begrenzt – ihr politisch-strategisches Risiko aber hoch: Denn wenn ein Waffensystem primär als potenzieller Erstschlagsträger wahrgenommen wird, kann es im Krisenfall eher zur Eskalation beitragen als zur Stabilisierung.
Das bedeutet nicht, dass russisches Verhalten gerechtfertigt oder entschuldbar ist. Es bedeutet lediglich: Abschreckung funktioniert nur dann, wenn sie auf beide Seiten wirkt – und dazu gehört, die Logik des Gegenübers zu verstehen, ohne sie zu übernehmen.
Antwort an Herrn Joerg-Helge Wagner
Es ist richtig, dass ich in meiner Rede beim Ostermarsch das Wort ‚Ukraine‘ nicht ausgesprochen habe. Das war kein Zufall – aber auch kein Zeichen der Gleichgültigkeit, im Gegenteil.
Ich habe über die Grundfrage gesprochen, wie sich die militärische Eskalationsspirale weiter dreht – und darüber, welche Rolle neue Waffentechnologien, Stationierungspläne und strategische Konzepte dabei spielen. Das ist ein Versuch, tiefer zu blicken: nicht nur auf das Entsetzliche, das heute sichtbar ist – sondern auch auf das, was morgen möglicherweise nicht mehr zu stoppen ist.
Dass ich dabei nicht jede grausame Einzelmeldung – so entsetzlich sie ist – erwähnt habe, war keine Verdrängung, sondern eine bewusste Konzentration: auf die Mechanik der Eskalation, auf ihre Logik und ihre Risiken. Wer in diesen Fragen ernsthaft um friedenspolitische Antworten ringt, wird wissen: Moralisches Entsetzen ist wichtig. Aber es ersetzt nicht die Analyse. Und erst recht nicht den Versuch, vor einer Entwicklung zu warnen, die auch unser Land wieder in einen Krieg stürzen könnte.
@ Herrn Gottschalk:
Vielen Dank für Ihre ausführliche Stellungnahme – doch erlauben Sie mir, einige grundlegende Einwände vorzubringen.
Zunächst: Die Bezugnahme auf das Prinzip der gesicherten gegenseitigen Vernichtung (MAD) als dauerhaft tragfähiges Fundament strategischer Stabilität greift aus meiner Sicht zu kurz. Sie beruht auf einer Konstellation des Kalten Krieges, in der sich zwei relativ stabile, symmetrisch strukturierte Nuklearmächte gegenüberstanden. Die strategische Realität hat sich seither jedoch deutlich gewandelt – technologisch, politisch und geografisch.
Hyperschallwaffen, Cyberfähigkeiten, autonome Systeme und hochmobile Trägersysteme verändern die Parameter von Reaktionszeit, Verwundbarkeit und Entscheidungsdichte grundlegend. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, ob das klassische MAD-Prinzip in dieser Form noch dieselbe stabilisierende Wirkung entfalten kann – oder ob es nicht vielmehr der Illusion von Stabilität Vorschub leistet.
Was die Mittelstreckenraketen betrifft, stimme ich Ihnen zu, dass ihre Wirkung auf die russische Bedrohungswahrnehmung nicht unterschätzt werden darf. Aber genau das spricht nicht gegen ihre Existenz, sondern für ein klares, kommunikationsgestütztes Abschreckungskonzept, das Missverständnisse möglichst vermeidet. Dass Russland sie als potenzielle Erstschlagswaffen sieht, heißt nicht automatisch, dass sie diesen Zweck erfüllen oder beabsichtigen. Es bedeutet vielmehr, dass wir auch im Informationsraum strategisch klar agieren müssen.
Ihr Verweis auf die sowjetische Perspektive in der Kuba-Krise ist nachvollziehbar, aber einseitig. Die damalige Eskalation ging nicht zuletzt auf die strategische Überraschung zurück – ein Szenario, das heute durch größere Transparenz und Frühwarnsysteme zumindest teilweise entschärft ist. Die sicherheitspolitische Schlussfolgerung kann daher nicht sein, auf jegliche Form der Präsenz oder Modernisierung zu verzichten – sondern sie verantwortungsvoll und glaubwürdig zu gestalten.
Und schließlich: Ja, Abschreckung funktioniert nur dann, wenn sie auf beide Seiten wirkt. Aber das setzt auch voraus, dass sie ernst genommen wird – und das wiederum bedingt, dass sie modern, kohärent und glaubwürdig ist. Der Verweis auf U-Boot-basierte Systeme allein reicht nicht aus, um die sicherheitspolitischen Anforderungen auf europäischem Boden zu erfüllen.
@Arno Gottschalk 2:
Ich verstehe Ihren Wunsch, den Blick auf strukturelle Dynamiken und langfristige Eskalationsmechanismen zu richten – und gerade in friedenspolitischen Debatten ist es zweifellos legitim, auch tieferliegende Ursachen und Entwicklungen zu analysieren. Doch erlauben Sie mir den Einwand, dass das bewusste Auslassen der Ukraine in einer Rede über Krieg, Aufrüstung und Eskalation im Jahr 2025 nicht nur als methodische Zuspitzung gelesen werden kann – sondern zwangsläufig auch als politisches Signal verstanden wird.
Denn die Ukraine ist keine Randnotiz dieser Eskalation – sie ist ihr Epizentrum. Wer über neue Waffentechnologien, Stationierungen und Sicherheitsarchitekturen spricht, ohne den konkreten Kontext des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine zu benennen, läuft Gefahr, Ursache und Wirkung zu verwischen. Der Krieg ist keine bloße Folge abstrakter Eskalationslogik – er ist das Ergebnis eines willentlichen Bruchs des Völkerrechts durch eine Atommacht, die ihre militärische Drohkulisse ganz gezielt zur politischen Erpressung nutzt.
Friedenspolitik muss mehr sein als Systemkritik. Sie muss benennen, wer angreift – und wer sich verteidigt. Wer Leid verursacht – und wer versucht, es abzuwehren. Ohne diese Klarheit verliert selbst die schärfste Analyse an moralischer Glaubwürdigkeit. Natürlich ersetzt moralisches Entsetzen keine Strategie. Aber Strategie ohne klare ethische Verortung wird schnell zu technokratischer Kälte.
Insofern: Ihre Mahnung zur Analyse teile ich – aber sie darf nicht zur Abstraktion führen, die das konkrete Unrecht unsichtbar macht. Gerade wer vor zukünftigen Katastrophen warnen will, sollte die gegenwärtige nicht aus dem Blick verlieren.
Die Dinge beim Namen zu nennen, ist kein rhetorisches Detail – es ist der erste Schritt zur Gerechtigkeit – und irgendwie war das ja mal ein SPD-Ding.
Die SPD hat über Jahrzehnte hinweg eine Politik der Verständigung mit Russland verfolgt – getragen von guten Motiven, aber letztlich mit dem Risiko, autoritäre Entwicklungen zu lange zu übersehen oder zu verharmlosen. Der Angriff auf die Ukraine hat schmerzhaft vor Augen geführt, wo das Festhalten an überkommenen Konzepten zur falschen Zeit gefährlich naiv wirken kann. Deshalb gilt heute umso mehr: Wer Frieden will, muss Unrecht klar benennen – auch dann, wenn es unbequeme Rückschlüsse auf die eigene politische Geschichte erlaubt. Frieden ist nicht Abwesenheit von Waffen allein – er ist auch die Anwesenheit von Wahrheit. Und diese Wahrheit beginnt in der Ukraine – nicht irgendwann, sondern jetzt.
Daher sollten sie die Ukraine erwähnen.
Vielen Dank für diese wichtige Rede und den Mut dazu Herr Gottschalk.